Vor vielen Jahren besuchte ich im »Gasthof Eulenspiegel« am Bodensee einen Gesprächskreis, in dessen Mittelpunkt Peter Schilinski stand, Mitbegründer des legendären Sylter »Witthüs« und auf seine alten Tage immer noch ein reger Geist. Draußen war es klirrend kalt, der Raum war völlig überfüllt und stickig, als sich seine Tochter genussvoll eine Zigarette anzündete. Schweigend erhob sich eine Dame, ging mit gestrengem Blick zum Fenster und öffnete es mit großer Geste. Man schaute zu Schilinski. »Sehen Sie«, sagte dieser nach einer kurzen Pause freundlich, »deshalb sagte Rudolf Steiner, man könne eigentlich nicht handeln, ohne irgendeine Schuld auf sich zu laden: Jetzt bekommt der Kanarienvogel Husten.« Neben dem Fenster stand sein Käfig.
Nehmen wir jetzt einmal an, ein sehr erfolgreicher Unternehmer hätte sein Vermögen in eine Stiftung überführt, deren erklärtes Ziel es ist, freien Trägern und Initiativen »maßvoll und gezielt« bei der Realisierung eines Vorhabens zu helfen und Projekte anzuschieben, von denen ein beispielhafter, »heilsamer Impuls« ausgeht. Nun erschien in dieser Zeitschrift kürzlich ein »Zwischenruf«, der dazu aufrief, »die inhaltliche Einflussnahme von Stiftungen auf unsere Verbandspolitik ... einer kritischen Betrachtung zu unterziehen«. Gemeint ist die Software AG Stiftung (SAGSt), deren aktive Einflussnahme der Autor unter anderem daran festmachte, dass Stiftungs-Mitarbeiter »mittlerweile wie selbstverständlich an internen Arbeitskreisen« unseres Waldorf-Bundes teilnähmen.
Nun wäre es zweifellos lohnend, die Funktion, die Macht und den politischen Missbrauch von Geld einmal in der Tiefe zu beleuchten, wie Albrecht Hüttig das 2015 am Beispiel der Bertelsmann-Stiftung in seinem Beitrag »Das Diktat der Stifter« angeregt hat. Bei der hier gemeinten Zusammenarbeit geht es aber um etwas völlig anderes, nämlich um das bessere Verstehen von Notwendigkeiten, aber auch um eine langfristige und gegenseitige Vertrauensbildung.
Warum widme ich dem einen ganzen »Standpunkt«? – Weil wir unsere Kraft angesichts der gesellschaftlichen und pädagogischen Großaufgaben der Gegenwart nicht mit Schattenkämpfchen vergeuden sollten. Stiftungen wie die SAGSt ermöglichen anderen, Ziele zu verwirklichen, die sie aus eigener Kraft nicht schaffen können. Das nennt man auch Brüderlichkeit. Je tiefer ihre Entscheidungen im Verständnis dieses fremden Wollens begründet sind, umso »heilsamer« ist ihre Wirkung für alle.
Weil Handeln immer auch Schuld schafft (siehe oben), sind die Kritiker am Ende natürlich immer auf der sicheren Seite. Bewegt wird die Welt aber von denen, die etwas tun. Auch wenn es mal qualmt.
Henning Kullak-Ublick, von 1984 – 2010 Klassenlehrer an der FWS Flensburg; Vorstand im Bund der Freien Waldorfschulen, den Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners und der Internationalen Konferenz der Waldorfpädagogischen Bewegung – Haager Kreis