Die enkeltaugliche Schulküche

Barbara Horwedel

Die Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln verursacht ungefähr ein Drittel aller Treibhausgasemissionen. Ein Drittel dieser Lebensmittel wird vernichtet. Jeder Deutsche wirft jährlich im Schnitt 55 Kilogramm in die Tonne.

Vor diesem Hintergrund war für uns als Küchenteam an der Waldorfschule Freiburg-St. Georgen klar, dass wir in Sachen Nachhaltigkeit noch mehr unternehmen müssen. Sie war in unserer Schulküche zwar schon immer ein wichtiges Thema und seit einigen Jahren kochen wir ausschließlich mit biologisch erzeugten Lebensmitteln. Aber ist das genug? Nein, waren wir überzeugt, da geht noch was! Bei genauerem Hinsehen kamen uns verschiedene Verbesserungsmöglichkeiten in den Sinn und so begann ein allmählicher Wandel zu einer enkeltauglichen Schulküche.

Weniger Fleisch – mehr Hülsenfrüchte

Unsere erste maßgebliche Änderung war die Reduzierung von Fleischgerichten. Während es früher zwei- bis dreimal pro Woche Fleisch gab, bieten wir jetzt alle vierzehn Tage ein Fleischgericht an. Außerdem gibt es täglich, neben dem vegetarischen Gericht, eine vegane Variante, die von etwa zehn Schülern genutzt wird. Die Essenszahlen sind durch die Umstellung nicht gesunken. Werden beide Varianten angeboten, entscheidet sich die Hälfte der Schüler für die vegetarische Alternative. Während die Grünen sich erfolglos für die Einrichtung eines veggie days (einmal wöchentlich vegetarisch in öffentlichen Mensen) einsetzten, fanden unsere Bemühungen eine breite Akzeptanz bei den Schülern.

2019 erarbeiteten 37 Autoren – darunter Klimaforscher und Ernährungswissenschaftler – aus 16 Nationen die sogenannte Planetary Health Diet. Dies ist ein Speiseplan zur Rettung von Mensch und Erde. Seine Grundpfeiler sind Gemüse, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte. Angeregt durch diese Empfehlungen räumten wir den Hülsenfrüchten nun einen festen Platz auf unserem Speiseplan ein. Wöchentlich ein- bis zweimal als Eintopf oder Suppe (Linseneintopf, Chili sin Carne, Minestrone), als Beilage (Currylinsen, gekeimte Mungbohnen), als Salat (Bohnensalat, Kichererbsensalat) oder einfach mal zerkocht in der Tomatensauce.

Regional und saisonal

Schon seit langem hatten wir feste Lieferpartner aus der Region, sodass wir in Sachen Regionalität gut aufgestellt waren. In Sachen Saisonalität sah es schlechter aus. Durch den Einzug der mediterranen Küche haben wir uns daran gewöhnt, ganzjährig Tomaten, Gurken, Zucchini und Paprika zu verwenden. Seit diesem Winter versuchen wir nun, nur noch Wintergemüse zu verarbeiten. Unser Salatbuffet wird mit Pastinakenchips, selbstgezogenen Keimlingen, winterlichen Rohkost- und Blattsalaten, gerösteten Saaten und Antipasti in Form von Wurzel-Ofengemüse bestückt. Auch beim Hauptgericht vermeiden wir Treibhausgemüse mit langen Transportwegen. Kaum jemand weiß, dass auch Eier Saisonware sind. Hühner sind lichtabhängig und legen im Winter deutlich weniger Eier – falls nicht künstlich beleuchtet wird, was im Biolandbau nur begrenzt erlaubt ist. Dies spiegelt sich noch im Backverhalten früherer Zeiten. Das Weihnachtsgebäck bestand aus Mürbeteig, wofür sehr wenige Eier nötig waren, während zu Ostern traditionell Biskuit unter Verwendung von vielen Eiern gebacken wurde. Aus diesem Grund verzichten wir von November bis Januar auf Gerichte mit hohem Eieranteil wie zum Beispiel Pfannkuchen.

Palmölfreie Schulküche

Der weltweite Palmölbedarf steigt dramatisch. Dafür werden riesige Flächen Regenwald abgeholzt. Beim Durchforsten unserer Küche fanden wir einige Lebensmittel, die Palmöl enthielten und die wir durch palmölfreie ersetzen konnten. Lediglich auf unsere palmölhaltige Biomargarine können wir nicht verzichten, da sie besonders für die Zubereitung der veganen Gerichte wichtig ist. Palmölhaltige Putz-, Reinigungs- und Waschmittel haben wir durch biologische ersetzt. Seit neuestem verwenden wir in der Cafeteria palmölfreie Teelichter, ohne Alu.

Müllvermeidung

In unserer Küche fiel sehr viel Verpackungsmüll an. Deshalb versuchen wir nun, möglichst in großen Gebinden einzukaufen. Grundnahrungsmittel kommen in 25-Kilo-­Säcken, Nudeln, Reis und Hülsenfrüchte in Fünf-Kilo-­Beuteln. Diese Beutel verwenden wir wieder zum Einfrieren und Verpacken von Lebensmitteln, wodurch wir auf Gefrierbeutel, Frischhaltefolie und Alufolie verzichten können. Milch kaufen wir in Pfandflaschen, sonstige Milchprodukte kommen in Fünf-Kilo-Eimern, die vielfältigen Einsatz finden. In den Pausen verkaufen wir Kaffee in Pfandtassen und Getränke in Pfand-Glasflaschen. Seifenspender und Spülmittelflaschen werden aus Kanistern nachgefüllt.

Keine Verschwendung von Lebensmitteln

Lebensmittel nicht zu verschwenden ist uns ein Herzensanliegen. Da unsere Schüler sich nicht zum Essen anmelden müssen, ist die richtige Mengenkalkulation nicht einfach. Reste an der Ausgabe werden schnell im Wasserbad runtergekühlt und am nächsten Tag als kostenloser Nachschlag ausgegeben. Trockenes Brot wird zu Ofenschlupfer (süßer Brotauflauf) oder Semmelknödeln veredelt. Gemüseschalen kochen wir zur Brühe, aus Zweite-Wahl-Gemüse bereiten wir unsere eigene »Alleswürze« zu.

Ein Blick in unseren Feed-back-Eimer, einen Behälter, in den unsere Gäste ihre Reste vom Teller kratzen, gibt uns einen deutlichen Rückschluss, ob unser Essen der Kundschaft geschmeckt hat und zeigt den Frauen an der Ausgabe, ob die Portionen die richtige Größe hatten. Wenn nur der Eimerboden bedeckt ist, wissen wir, dass wir gute Arbeit geleistet haben.

Im Gespräch mit den Schülern

Bei all unseren Bestrebungen war es wichtig, die Schüler zu informieren und einzubeziehen. Zentrales Medium dazu wurde eine große Pinnwand. Dort finden die Schüler aktuelle Zeitungsartikel, Grafiken, Poster und Bilder zum Thema nachhaltige Ernährung. Bei der Pinnwand steht eine Kiste, in die sie Zettel mit ihren Anregungen, Wünschen und Meinungen einwerfen können. Die Zettel werden regelmäßig an der Pinnwand veröffentlicht. Anschließend werden sie von mir kommentiert. Ein Schüler bemängelt zum Beispiel, dass es schon seit längerem keine Pfannkuchen mehr gibt. Ich erkläre an der Pinnwand die Hintergründe und vertröste auf den Februar. Ein Schüler schlug neulich vor, dass jeder 100. Esser ein Essen gratis bekommt. Eine super Idee, die wir gerne umsetzen. So entsteht ein Dialog, der für beide Seite gewinnbringend ist.

Immer wieder biete ich Ratespiele oder Rätsel an, um die Aufmerksamkeit der Kinder auf bestimmte Sachverhalte zu lenken. Beispiele hierfür:

Frage: Wieviel Euro bekommt ein Bauer, wenn er ein 14 Tage altes Kälbchen verkauft?

Antwort: Acht Euro! Die Antwort habe ich mit dem entsprechenden Artikel aus der Wochenzeitung Die Zeit (Ausgabe 4/2020) an der Pinnwand veröffentlicht. Der Preis empörte viele Schüler und führte zu vielen Gesprächen.

Oder: Wie viele Zuckerwürfel sind in einem 400-Gramm-Glas Nutella?

Antwort: 84 Würfel (251,5 Gramm = 52,5 Prozent). Dass es so viele sind, erstaunt immer wieder!

Oder: Was ist teurer? Silber oder echte Vanille?

Antwort: Tatsächlich übersteigt der Preis für echte Vanil­­­­­le, bedingt durch Missernten in Madagaskar, gerade den Silberpreis (Vanille ca. 600 Euro pro Kilo, Silber ca. 550 Euro pro Kilo).

Sehr beliebt ist das »Wanted-Suchspiel«. Dabei wird ein bestimmtes Gewürz, zum Beispiel ein Lorbeerblatt, im Linseneintopf versteckt. Der Finder erhält einen Nachtisch. Ganz nebenbei lernen die Schüler verschiedene Gewürze und Zutaten kennen.

Bei der täglichen Arbeitsfülle in einem Schulküchenbetrieb ist es nicht einfach, Zeit zu finden, und sich noch zusätzlich auf diesen Feldern zu engagieren. Idealismus und Einsatz, auch außerhalb der Arbeitszeit, sind dabei unentbehrlich. Ich habe das Glück, in einem wunderbaren Team zu arbeiten, das meine Bemühungen tatkräftig unterstützt und mir viele Freiräume lässt. Und so setzen wir uns vereint, täglich aufs Neue, für eine nachhaltig erzeugte, nährende und wohlschmeckende Schulverpflegung ein – für uns und kommende Generationen.

Zur Autorin: Barbara Horwedel ist Erzieherin und Demeterbäuerin. Seit 2017 hat sie die Küchenleitung an der Waldorfschule Freiburg- St. Georgen inne.