Die Idee, sich für die Einstellung von Schulschwestern an deutschen Schulen stark zu machen, kam dem Doktoranden durch die eigenen Kinder. »PISA, KIGGS und Co. zeigen es uns deutlich, Gesundheit und Bildungserfolge hängen zusammen«, erläutert Kocks. Er hat das Aufgabengebiet von School Nurses international untersucht. Pflegende sind in vielen Ländern an Grund- oder weiterführenden Schulen die zentralen »Kümmerer« für alle gesundheits- und krankheitsbezogenen Fragestellungen.
Zu ihren Hauptaufgaben zählen Gesundheitsförderung, -versorgung und die Prävention. »Gesundheit und Krankheit in der Schule sind ein weites Feld. Das reicht von Kopfschmerzen und Verletzungen bis hin zum angeborenen Herzfehler und zu Missbrauchssituationen. Pro Schuljahr nimmt in Schweden im Schnitt jedes Kind vier Mal die Dienste der Schulschwester in Anspruch. Für Deutschland ist von einer ähnlichen Bedarfslage auszugehen«, schätzt Kocks. Derzeit gibt es hierfür an deutschen Schulen keinen Ansprechpartner. »Das machen Sekretärinnen oder Hausmeister«, sagt Kocks, »dabei wäre es nicht nur für die 15 bis 20 Prozent chronisch kranken Kinder, die wir in Deutschland haben, wichtig, dass sie in der Schule einen kompetenten Ansprechpartner und Fürsprecher haben. Nicht erst die Diskussion um Integration und Inklusion bringt die Themen Gesundheit, Krankheit und Pflegebedarf in die Schule. Lehrer sind hier nur bedingt die richtigen Ansprechpartner.«
Letztlich verändere sich die Schule durch Ganztagsbetreuung und das verkürzte Abitur von einem reinen Lernraum zu einem Lebensraum. Darauf müsse mit einem Angebot im Gesundheitsbereich reagiert werden. »Es gibt unzählige Studien, die einen Zusammenhang von Bildungserfolg und Gesundheit eines Kindes nachweisen. Es kann also nicht sein, dass wir die Gesundheit hier einfach ausklammern. Eine Schulschwester könnte daran arbeiten, dass die Schule endlich der Raum wird, der Gesundheit fördert und, falls nötig, Krankheiten in den Alltag integriert.« Damit das tatsächlich Realität wird, hat sich Kocks wissenschaftlich mit der Idee der Schulschwestern befasst. Für seine Masterarbeit hat er chronisch kranke Kinder interviewt. »Da habe ich gesehen, wie wichtig es ist, die Erkrankung der Kinder in den Schulalltag zu integrieren. Wer zum Beispiel Rheuma hat, kann keinen schweren Schulranzen tragen.« Auch in seiner Promotion im Rahmen des Forschungskollegs »FamiLe – Familiengesundheit im Lebensverlauf« wird er das Thema mit der Untersuchung von Reaktionen und Lösungsstrategien der Familien chronisch kranker Schüler weiter verfolgen.
Durch seine Forschungen und sein Praktikum in Skandinavien ist Andreas Kocks klar geworden: »So etwas wie die ›School Nurses‹ brauchen wir auch in Deutschland. Die Konzepte sind da, jetzt müssen diese auf die Gegebenheiten in Deutschland angepasst werden.« Unterstützung erhält er dabei von Petra Witt, Vorsitzende der Fachgruppe Schulen im Gesundheitswesen und Vizepräsidentin des Verbandes Deutscher Privatschulverbände. »Eine Schulschwester mit regelmäßiger Präsenz im Lebensraum Schule, insbesondere in der Ganztagsschule, ist sehr zu befürworten und bietet viele Vorteile: Ihre Anwesenheit würde Vertrauen und Sicherheit in der Kompetenzzuweisung in gesundheitlichen Belangen herstellen, sie würde zur Entlastung des sonstigen Personals der Schule beitragen und sie könnte helfen, gesundheitliche Störungen schon im Vorfeld zu vermeiden.« Ziel sei es, Gesundheitsprävention als festen Bestandteil in den Schulalltag zu integrieren: »Falsche Ernährung und Bewegungsmangel führen zu Dauerschäden, die wiederum großen Einfluss auf die Lern- und Leistungsfähigkeit in der Schule sowie auf die spätere Berufstätigkeit haben. Daher wäre die Schulschwester nicht nur aus medizinischer und pädagogischer, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Sicht eine sinnvolle Investition mit progressiver Zinsentwicklung«, so Petra Witt.
Quelle: Uni Witten/Herdecke