Sachbuch

Gemeinsam essen

Benjamin Perry

Der Kern der Sache: Rhythmus, Regelmäßigkeit. Kinder und Jugendliche haben an einem gewöhnlichen Tag Unmengen an Eindrücken zu verarbeiten, zwischenmenschliche Emotionen einzuordnen und laufen mit offenem Blick und einer großen Portion Abenteuerlust durch die Welt. Idealerweise ist das zumindest so. Und genau hier setzt das gemeinsame Essen an. Die Situation in der Familie oder auch mit den pädagogischen Fachkräften am Esstisch vermag auf ganz wundersame Weise die wilde und offene Welt der Kinder mit der strukturgebenden und eher analytischen Welt der Erwachsenen zu verbinden. Und zwar ohne das eine mit dem anderen in einen Gegensatz zu bringen. Hier können Kinder und Jugendliche ihre eigene Begeisterung teilen und erfahren eine direkte Reaktion einer Vertrauensperson. Sie können in einer Art Schutzraum – das trifft besonders auf das Essen im privaten Umfeld zu – lernen, die eigenen Grenzen zu formulieren. »Nein, das schmeckt mir nicht«, »Ich bin satt und möchte nicht mehr weiter essen« – und erfahren eine unmittelbare Reaktion. Der oft lockere und vertrauensvolle Umgangston ermutigt die Kinder und Jugendlichen, oftmals ganz unbewusst sich zu öffnen und hilft, die eigenen Bedürfnisse besser ausdrücken zu lernen. Und dabei sollte der Esstisch keinesfalls als Einbahnstraße begriffen werden. Auch die Erwachsenen können hier ihre Bedürfnisse anmelden, Sorgen aussprechen, humorvoll sein und das gegenseitige »über den Tag erzählen« begleiten.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Erfahrungen eines regelmäßigen, ruhigen und konzentrierten – damit meine ich nicht eines schweigsamen, sondern von Medien-Ablenkung und anderen Störfaktoren freien – Mittag- oder Abendessens mit Vertrauenspersonen die positive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gerade in den Bereichen Selbstreflektion und soziale Kompetenz von unschätzbarem Wert sind und sie maßgeblich fördern. Das gemeinsame Kochen hat im Übrigen einen ähnlichen Effekt. Bei den Rezepten sollte darauf geachtet werden, den Kindern und Jugendlichen hierbei Aufgaben zu übertragen, die sie nicht überfordern, aber dennoch ein deutliches Erfolgserlebnis hervorrufen können. In diesem Fall könnten sie z.B. helfen, den Rosenkohl zu ernten, die Blätter der Rosenkohlknollen herauszubrechen oder abzuschneiden, sie zu waschen, das Dressing herzustellen, die gebackenen Haselnüsse zu reiben oder zu zerklopfen. Falls einmal etwas nicht gelingen sollte, prima! Eine tolle Chance für die Erwachsenen, den Kindern und Jugendlichen auch diese Erfahrung als pädagogisch wertvoll in den »Rucksack« zu packen! Viel Spaß beim gemeinsamen Kochen!

Literatur: H. Renner, B. Perry, M. Plehn: Mittagessen pädagogisch gestalten, Freiburg 2019

Zum Rezept. Viel Freude beim Nachkochen!

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