Seit fünf Jahren aber können Lehrer, Eltern und an Waldorfpädagogik Interessierte für drei Wochen im Sommer nach Cuernavaca in Mexiko kommen und dort Kurse belegen. So erschienen Ende Juli über 200 Teilnehmer zum Sommerseminar des Centro de Desarrollo Antroposófico (CDA, Zentrum für Entwicklung der Anthroposophie). Sie kamen zum größten Teil aus Mexiko, aus Ländern der Karibik und auch aus den USA: eine bunte Mischung gut gelaunter und aufnahmebereiter meist junger Leute: ca. 80 Teilnehmer für die Kindergartenkurse und 120 für »Primaria« (Klasse 1-6) und »Secundaria (Klasse 7-9) Die gastgebende Waldorfschule verwandelte sich in einen Campus lateinamerikanischer Vitalität. Die zumeist lateinamerikanischen Dozenten boten Kurse in Theosophie, Menschenkunde, Methodik, Handarbeit, Musik, Eurythmie und Theater. Ich wurde eingeladen für praktische Didaktik im Lehrplan Kunst, für Kunstgeschichte und für die Lehrermeditation. Da die Teilnehmer kaum Grundkenntnisse in Mathematik, Geometrie oder Grammatik und selten eine Erfahrung in Malen, Zeichnen oder Musik haben, mussten die Dozenten viel Basisausbildung mitliefern bevor sie das Spezifische der Waldorfpädagogik behandeln konnten.
Das Konzept der CDA umfasst fünf Jahre mit je drei Wochen und folgenden Schwerpunkt-Modulen: 1. Einführung in Anthroposophie, 2. Sprachen und Allgemeine Menschenkunde, 3. Geschichte, Geographie und Geheimwissenschaft, 4. Naturkunde und Erkenntnistheorie, 5. Mathematik, Geometrie und der innere Weg des Lehrers; dies jeweils begleitet von praktischen Übungen. Jedes Jahr werden die Teilnehmer des fünften Jahres mit einem Zertifikat feierlich verabschiedet und eine neue Gruppe beginnt. So mischen sich in manchen Kursen die verschiedenen Jahrgänge. Die mexikanische CDA hat sich mit der nordamerikanischen AWSNA (Association of Waldorf Schools of North America) zusammengeschlossen und erlangte so eine Anerkennung ihrer Sommerseminare.
Ich fragte Pedro Cruz, einen Unternehmer, der zusammen mit Cristina Franco, einer Klassenlehrerin, die Lehrerausbildung organisiert, ob fünfmal drei Wochen in fünf Jahren nicht zu wenig sei, um Lehrer für ihren Unterricht auszubilden. »Wir wissen,« sagte Pedro, »dass der Abstand zwischen den Kursen zu lang ist. Doch wir waren überrascht, dass wir in diesem Jahr über 200 Teilnehmer hatten, doppelt so viele wie in den Vorjahren! Der Bedarf ist groß und unsere Mittel sind gering. Für viele Lehrer aus Zentralamerika sind die Reise- und die Kurskosten kaum zu verkraften. Und wir sind froh, dass wir wenigstens für diese drei Wochen erfahrene 15 Dozenten zusammen haben und so in den fünf Jahren eine fachliche Grundlage für die Lehrerarbeit bieten können. Nun suchen wir nach Wegen in der langen Lücke zwischen den Sommerseminaren kleine regionale Fortbildungs- und Vertiefungstreffen zu organisieren. Doch auch das ist eine Frage des Personals und der Finanzen.« Als ich am Ende der drei Wochen jeden der Teilnehmer meines Kurses mit seinen ca. zwanzig Aquarellen unter dem Arm verabschiede, frage ich einen jungen Lehrer aus Cancún im Südosten Mexikos welche Klassen er im kommenden Schuljahr unterrichten werde. Die Antwort: »Eine kombinierte viere und fünfte.« Und wie viele Kinder? »Zwei!« – So beginnen manche Waldorfschulen auf diesem Kontinent. Sie werden überleben und wachsen, wenn Eltern erleben, dass ihre Kinder einen professionellen Unterricht bekommen. Das Sommerseminar in Cuernavaca ist ein Anfang.
Zum Autor: Thomas Wildgruber war von 1979 bis 2011 Klassenlehrer und Kunstlehrer für die Klassen 1 bis 8, veröffentlichte das Handbuch »Malen und Zeichnen 1. bis 8. Schuljahr«, nun auch in englischer, chinesischer und spanischer Sprache; er berät Schulen und gibt weltweit Fortbildungen in Methodik und Kunstdidaktik.