Sozialkunde in Forschung und Lehre

Michael Zech

Die Themen der Kurse sind: Wirtschaftskunde, Politische Theorie, politischer Prozess/politische Systeme, internationale Politik, gesellschaftlicher Wandel. Die Kurse werden durch Einführungen in die Grundlagen der Waldorfpäda­gogik, insbesondere in deren spezifisches Lehrplanverständnis, sowie durch künstlerische Schulung ergänzt.

Parallel zur Einrichtung dieser Ausbildung wurde von Till Ungefug und dem Verfasser mit Unterstützung durch die Pädagogische Forschungsstelle und in enger Zusammen­arbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus den hessischen Waldorfschulen erstmals ein eigenständiger Lehrplan für Sozialkunde an Waldorfschulen erarbeitet, der nun in der aktuellen Neuauflage des »Richter-Lehrplans« vorliegt. Außerdem erörterte Till Ungefug in einem demnächst erscheinenden Grundlagenwerk die fachdidaktische und waldorfpädagogische Begründung dieses Faches.

Die Gründung der Waldorfschule erwuchs aus den Ideen zu einer sozialpolitischen und gesellschaftlichen Erneuerung, deren Intention es war, die Bereiche Kultur und Wissenschaft, Recht und Politik sowie Wirtschaft im Sinne einer demokratischen, zivilgesellschaftlichen, solidarischen und die Würde des Einzelnen garantierenden Zukunft zu gestalten. Es war Rudolf Steiner ein immer wieder formuliertes Bedürfnis, lebenspraktisch befähigte Schüler aus den Waldorfschulen zu entlassen. In dieses »lebenskundliche« Prinzip ist unbedingt die Einführung in Wirtschaft, Recht und Sozialgestaltung einzubeziehen. Es ist peinlich, wenn Schüler eine allgemeinbildende Schule verlassen und nicht wissen, welche Pflichten sie im politischen und rechtlichen System haben, wie sie ihre Rechte einfordern können, wie die Wirtschafts- und Sozialordnung funktioniert und wenn ihnen die Fähigkeit fehlt, die sie betreffenden Bedingungen zu analysieren und mit zu gestalten. Steiner wollte dieses Bildungsanliegen wohl fachübergreifend berücksichtigt wissen. Die Praxis der überwiegenden Anzahl der Waldorfschulen aber zeigt, dass die entsprechenden Aspekte im Unterricht kaum, auf jeden Fall unzureichend erarbeitet werden. Insofern ist hoch zu schätzen, dass über viele Jahre ein kleiner Kreis von Sozialkundelehrern die Fahne dieses Bildungsbereichs hochhielt und auf einer jährlich stattfindenden Tagung und auf regionalen Fachschaftstreffen wenigstens eine basale Unterstützung durch den Austausch sozialkundlicher Unterrichtskonzepte und Prinzipien garantierte.

Die Waldorfschulen als zivilgesellschaftliche Institutionen sollten sich von ihren Absolventen nicht länger die unzureichende Vermittlung von Rechts- und Wirtschaftskenntnissen und politischer Orientierungshilfen vorwerfen lassen müssen. Insofern scheint es dringend geboten, diesen Themen im gesicherten Rahmen eines Unterrichtsfaches die notwendigen Ressourcen zukommen zu lassen. Die hier skizzierten Angebote und Ergebnisse stellen insofern keine Problemlösung dar, sondern sind als erste Schritte weiter auszugestaltender Initiativen zu betrachten. Die am Aufbau der Ausbildung und an der Ausarbeitung des Lehrplans Beteiligten stehen Schulen, die Lehrer weiterbilden lassen oder dem Fach Sozialkunde mehr Geltung in der Oberstufe verleihen wollen, gerne mit Rat und Auskünften zur Verfügung (Anfragen an: zech@lehrerseminar-forschung.de).

Zum Autor: Dr. M. Michael Zech ist Waldorflehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde, hauptamtlich Dozent am Lehrerseminar für Waldorfpädagogik in Kassel und Juniorprofessor für Geschichtsdidaktik an der Alanus Hochschule

Hinweis: Ein nächstes Arbeitstreffen von Sozialkundelehrerinnen und -lehrern findet am 4./5. November in Göttingen statt. Thema: »Sozialkunde in der 11. Klasse – Weltumspannende Solidarität und Würde«. Kontakt über Jochen Ketels, E-Mail: joketels@web.de

Literatur: T. Richter (Hrsg.): Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele, Stuttgart 2016; T. Ungefug: Perspektiven der Sozialkunde. Plädoyer für ein unentdecktes Kernfach der Waldorfpädagogik, Kassel 2016