Junge Lehrer fragen: »Wie machen wir uns zukunftsfähig?«

Tomás Zdrazil

Bereits jetzt sind an den deutschen Waldorfschulen rund 1.400 Waldorflehrer unter 40 Jahre alt. Jedes Jahr werden zwischen 500 und 600 neue Waldorflehrer gesucht. In Deutschland gibt es zur Zeit 250 Waldorfschulen, viele von ihnen bestehen seit Jahrzehnten, haben mehrere hundert Schüler und vielfältige, ausgedehnte und elaborierte Führungsstrukturen. Wie können diese Formen und die mit ihnen verbundenen Gewohnheiten gestaltet und, wo nötig, aktualisiert werden? Wie die jahrzehntelang gewachsenen Bäume der Waldorfschulen zurückschneiden, damit sie gesund bleiben und Platz schaffen für Neues? Welche Schritte müssen unternommen werden?

Deutlich ist zu bemerken, dass sich die junge Waldorflehrergeneration von den vorangehenden unterscheidet. Eigentlich dürfte dies keine Überraschung sein, denn wir wissen, wie schnell sich die Zeitverhältnisse und mit ihnen auch unsere Schüler und deren Eltern verändern. Sie alle bringen neue Fähigkeiten und Begabungen, aber auch zeitbedingte Schwächen mit. Das gilt auch für die heute jungen Lehrer.

Die Frage, wodurch sich die jungen Waldorflehrer, die zwischen 25 und 40 Jahre alt sind, auszeichnen, ist nicht leicht zu beantworten, eher kann man fragende Vermutungen anstellen: Sind sie empathischer und sensibler für das soziale Miteinander? Sind sie vielleicht mehr oder auch anders spirituell begabt und interessiert? Ist ihr Umgang mit der Anthroposophie weniger von bloßen Inhalten und mehr vom Sozialen und von dem Bedürfnis nach einem meditativen Übungsweg bestimmt? Bringen sie vielleicht auch weniger klassische Allgemeinbildung und Schulwissen mit? Sind sie vielleicht weniger robust ausgerüstet für die Auseinandersetzungen mit den Eltern und den Kollegen? Sind sie gesundheitlich weniger belastbar? – Jedenfalls scheinen sie vielfältige Begabungen mitzubringen. Der Umgang mit den neuen Medien ist für sie eine Selbstverständlichkeit. Sicher gibt es noch viele weitere Aspekte, die die junge Generation auszeichnen.

Diese  fragenden Vermutungen sind der Hintergrund für die Bildung einer Initiativgruppe der sogenannten »Junglehrerinnen« und »Junglehrer«, bestehend aus sieben Persönlichkeiten. Zentral ist für sie die Frage nach dem Berufsbild des Waldorflehrers und nach der Zukunft der Waldorfschule. Die Gruppe arbeitet seit etwa zwei Jahren regelmäßig zusammen und will eine Keimzelle für eine größere Bewegung in der deutschen Waldorfschullandschaft werden. Bereits zweimal hat diese Gruppe ein jeweils dreitägiges Kolloquium für dem Alter und der Dienstzeit nach junge Waldorflehrer veranstaltet. Ende April 2018 lautete das Arbeitsthema »Welche Impulse führen uns in die Zukunft?« und im Oktober 2018 »Neues Zuhören: Schritte der Zusammenarbeit entwickeln«.

In vielfältigen unkonventionellen Arbeitsformen wie »World Café«, »Walk and Talk«, »Open Space«, »Zukunftswerkstatt« kann jeder Eigenes hineinstellen und Fremdes wahr- sowie aufnehmen. Aber auch künstlerisches Üben und Vorträge haben ihren Platz. Der

Leiter der Pädagogischen Sektion am Goetheanum, Claus-Peter Röh, ist mit der Initiative eng verbunden und hat jeweils mit einem Vortrag zu den Themen beigetragen. Die Kolloquien bauen auf die Initiative der Teilnehmer. Jeder trägt aktiv und freudig-mutig etwas

bei – seien es musikalische Übungen, Bothmer-Gymnastik, Forschungsfragen zur »Menschenkunde« oder Referate zur Textarbeit.

Das nächste Kolloquium wird vom 22. bis 23. März 2019 mit dem Thema »Berufsbild Waldorflehrer im Wandel« stattfinden. Im Rahmen des Stuttgarter Kongresses vom 7. bis 10. September 2019 »Am Anfang steht der Mensch« gibt es an jedem Kongresstag ein von diesem Initiativkreis moderiertes Forum mit dem Thema »Wie machen wir Waldorfschulen zukunftsfähig?«.

An den Kolloquien nehmen jeweils etwa 20 bis 25 Menschen teil. In den nächsten Jahren soll ein fester Arbeitszusammenhang junger Lehrer entstehen, in dem zentrale Fragen der Waldorfschul-Zukunft in einer kontinuierlichen, verbindlichen und intensiven Arbeit und in einem größeren Rahmen bewegt werden. Jetzt ist man auf der Suche nach einem zentralen Tagungsort und hofft auf die Unterstützung durch den Bund der Freien Waldorfschulen, die Landesarbeitsgemeinschaften und die waldorfnahen Stiftungen.