Do-it-yourself-Zeitung. Medienkunde im Fremdsprachenunterricht

Ulrike Sievers

Das sowie die Tatsache, dass ein Großteil der Kommunikation im globalen Cyberspace auf Englisch abläuft, haben uns bewogen, das Thema »The Media« zu einem festen Bestandteil des Englischunterrichts der 11. Klasse zu machen.

Erste Stunde des Blocks: Jeweils zwei oder drei Elftklässler sitzen vor einer Ausgabe von The Daily Mail, The Guardian, The Observer – blättern durch die Seiten, betrachten Fotos, suchen die sport section mit den Ergebnissen vom letzten Champions League Spiel oder lesen den Artikel über das britische Prinzenpaar. Es gibt so Vieles zu entdecken, dass die Aufgabe – das Erstellen einer Übersicht der Rubriken und ihre jeweilige Länge – leicht in Vergessenheit gerät. Dennoch stehen am Ende der Stunde die Ergebnisse an der Tafel. Aus den Beiträgen wird auch deutlich, wer auch sonst schon einmal in die eine oder andere Zeitung geschaut hat.

In den folgenden Stunden wird das Verhältnis von Bild und Text betrachtet, der Umgang mit der Sprache untersucht, der Aufbau eines Artikels etwas genauer unter die Lupe genommen und Werbestrategien und deren Wirkung auf den Betrachter hinterfragt. Die Rolle der Sprache im Allgemeinen, aber auch der englischen Sprache im Besonderen, wird immer wieder im Mittelpunkt stehen, zum Beispiel beim Erforschen der ausgefeilten englischen Überschriften, was schon einigen Spür- und Sprachsinn erfordert. Die Sprache wird als mächtiges Instrument erlebt, das große Unterschiede in der Berichterstattung bewirkt und uns durch geschickte Überschriften zum Lesen einladen oder durch Werbeanzeigen zum Kauf verleiten will.

Jeden Morgen präsentieren drei bis vier Nachrichtensprecher selbst ausgewählte »News«, die den Webseiten der großen englischsprachigen Nachrichtensender oder Zeitungen entnommen sind. Wieder wird sichtbar, wer wo seine Schwerpunkte hat und wer was für wichtig und mitteilenswert hält. Über den Sprechanlass hinaus bieten diese Präsentationen die Möglichkeit, den Umgang mit »News« zu thematisieren und die Frage aufzuwerfen, wo das, was wir leicht als objektive Tatsache ansehen, herkommt und wie es gemacht wird.

Lesen, Verstehen und Sprechen haben die Schülerinnen und Schüler jetzt fleißig geübt, im Klassengespräch ebenso wie in wiederholten Partner- und Gruppenarbeitsphasen. In der Regel sind mindestens zwei Drittel der Schüler bereit, auch in Gruppenarbeiten Englisch miteinander zu sprechen. Weil das Thema fasziniert, wird die Fremdsprache zum Medium, das einen Austausch ermöglicht und an Schrecken verliert. Und wer nicht selbst Englisch spricht, der hört eben zu, wie das im Klassengespräch ja auch nicht anders ist. Darüber hinaus werden Vokabellisten der wichtigsten Fachbegriffe erstellt und die Ergebnisse der Gespräche in eigenen Texten festgehalten.

Nun gilt es, die bisherigen Erkenntnisse umzusetzen: In Kleingruppen wird eine eigene Zeitung erstellt. Die Aufgabe bietet Freiraum und verlangt vielfältige Fähigkeiten. Es ist eine Einladung an all die Talente und Interessen, die oft verborgen bleiben und jetzt zum Vorschein kommen. Es muss entschieden werden, an welche Leserschaft sich die Zeitung richtet, danach wird ein Name gesucht. Da dies eine 11. Klasse ist, gilt die Richtlinie, dass die dargestellten Inhalte wahr sein sollen oder zumindest so passieren könnten.

Es ist bereichernd zu erleben, wie motiviert und engagiert sich alle, auch die sonst eher schwächeren Schüler, an die Arbeit machen, wenn sie selber Inhalt und Form gestalten dürfen – selbst wenn der Rahmen »Zeitung« vorgegeben ist. Man mag einwenden, dass die Lehrerin dann ja nicht kontrollieren könne, ob im Team auch wirklich Englisch gesprochen wird, und ob die Texte nicht aus dem Internet kopiert werden. Kontrollieren kann sie das nicht, aber sie kann einen Raum schaffen, in dem sich junge Menschen mit Interesse und Freude in unterschiedlicher Weise mit der englischen Sprache beschäftigen.

Nach etlichen Stunden werden entweder mit Schere und Klebestift oder am Computer die Zeitungen fertiggestellt und voller Stolz in der Klasse präsentiert. Bei der nächsten Monatsfeier werden sie im Foyer zur Ansicht ausliegen.

Die »Media«-Epoche setzte sich in einer »Film-Epoche« fort, in der einige Schüler ihr Interesse am Film entdeckten und beeindruckende Kurzfilme produzierten.

Nicht nur all die mit Freude präsentierten Ergebnisse zeugen davon, dass diese Arbeit lohnenswert ist, sondern auch die Schülerin, die am Ende sagt: »Ich dachte, das wäre total langweilig, weil ich das schon alles kenne, aber jetzt sehe ich Filme und Zeitungen mit ganz anderen Augen.«

Zur Autorin: Ulrike Sievers ist Englischlehrerin an der Freien Waldorfschule Elmshorn.