Den Anschluss an den Abschluss finden

Daniela Göttel

Die Antworten waren wenig aufregend: »Erst einmal Pause machen«, »Mich selbst im Ausland finden«, »Ein soziales Jahr zur Selbstfindung«, »Ich weiß noch nicht«, »Ich geh erst mal zur Bundeswehr, dann sehen wir weiter. … « So oder so ähnlich klang es meistens. Konkrete Berufs- oder Lebensziele waren die Ausnahme.

Um seinen Weg zu finden, ist es wichtig, ein breit gefächertes Angebot zu kennen und sich selbst richtig einzuschätzen. Eine Analyse und ein realistisches Bewusstsein für die persönlichen Stärken und Kompetenzen ist Grundvoraussetzung für eine (hoffentlich) gelingende Zukunftsplanung. Dabei kann Schule helfen.

Unsere Schule bietet den Schülern vielfältige Möglichkeiten zur Selbsterfahrung. Diverse Auslandsaufenthalte und die bekannten Praktika gehören dazu.

Eine Besonderheit ist der Handwerkerhof in der 9. Klasse, wo die Schüler ver­schiedene praktisch-handwerkliche Tätigkeiten auch außerhalb des Schulbetriebs er­leben.

Das Betriebspraktikum in der 10. Klasse bietet die Möglichkeit, für drei Wochen in einen selbst gewählten Bereich intensiv hineinzuschnuppern. Vermehrt werden Berufe aus der Mediengestaltung, dem Film, Funk und der Fotografie gewählt. Bewerbungsunterlagen, Vorstellungsgespräche, soziale und fachliche Kompetenzen müssen jetzt in der Arbeitswelt erprobt werden.

Ebenfalls eine Besonderheit bildet das JUNIOR-Projekt in der 10. Klasse, das vom Institut der Deutschen Wirtschaft gefördert wird.

Hier erfahren die Schüler die Arbeitgeber- und Unternehmerseite des Wirtschaftslebens als Vorstandsvorsitzende, Leiter der Finanz-, Verwaltungs-, Marketing- oder Technikabteilung und übernehmen Führungsaufgaben und unternehmerische Verantwortung.

Ein ähnliches Feedback erhalten die Schüler der 11. Klasse im dreiwöchigen Sozialpraktikum, wobei hier natürlich soziale Neigungen oder Kompetenzen im Mittelpunkt stehen.

Meine Konsequenz aus den ersten Begegnungen mit den Abgängern unserer Schule war es, einen Austausch mit Ehemaligen zu organisieren. Zu diesem freiwilligen Abend für Schüler der 11. bis 13. Klassen hatten wir, je nach Schwerpunkt der 12. Klasse Besuch von der Studienberatung einer Münchener Hochschule, einer Kunstakademie und von Hochschulprofessoren unterschiedlicher Fachrichtungen oder auch von der Agentur für Arbeit. Neben dem Impulsreferat dieser Gäste waren für die Schüler vor allem die Podiumsdiskussion mit Ehemaligen und die Berichte aus verschiedenen Fachbereichen bereichernd.

Auf der diesjährigen Abiturfeier wurden die Schüler nach längerer Pause wieder nach ihren Zukunftsideen gefragt. Erfreulich war für mich, dass die meisten jetzt konkretere Pläne und Vorstellungen von ihrer  Zukunft hatten.

Die Gruppe von Schülern, die sich auf die Mittlere Reife vorbereiteten, begleitete ich über eine ganze Woche hinweg zum Thema Lebensplanung-Berufsplanung. Dabei spannten wir den Bogen von der Frage nach den Aufgaben in unserer Gesellschaft bis hin zum perfekten Bewerbungsgespräch.

Zunächst beschrieben wir verschiedenste Aufgabenfelder der Gesellschaft. Soziale, kulturelle, wirtschaftliche, politische Berufe, Dienstleistungen oder produzierendes Gewerbe wurden charakterisiert und wir überlegten, welche Qualifikationen jeweils gebraucht werden.

Über eine Stärken- und Schwächen-Analyse sollten die Schüler eine realistische Vorstellung für ihre Möglichkeiten entwickeln. Im Gegensatz zu ihren Schwächen können die Schüler ihre eigenen Stärken nur schwer benennen. Interaktive Spiele dienen dazu, die Aktivitäten der Schüler in Bezug auf Eigenorganisation, Teamfähigkeit und Zielorientierung zu beobachten. Die Beobachtung geschieht zum einen in Eigenwahrnehmung, aber auch durch Mitglieder der Gruppe, die nicht mit­spielen. Die Ergebnisse werden mittels Fragebögen im Gespräch ausgewertet. Eigen- und Fremdwahrnehmung stehen sich gegenüber und ergänzen sich.

Im »blinden Seilfünfeck« wird fünf bis zehn Schülern die Augen verbunden, einer bekommt ein wirres Seil in die Hand. Nun müssen sich alle so organisieren, dass nach 20 Minuten ein ordentliches Fünfeck mit etwa vier Metern Durchmesser am Boden liegt.

Eine anderes Spiel: Jedem Schüler wird ein Bogen Papier auf den Rücken geklebt, auf den jeder jedem Mitschüler eine positive Eigenschaft schreibt. Die Schüler sind erstaunt, welche Resonanz sie erhalten.

Desweiteren verfolgten wir verschiedene Fragestellungen: Wie soll mein Arbeits­umfeld aussehen? (Ist es drinnen oder draußen, theoretisch oder praktisch? ...)

Welcher Arbeitstyp bin ich? (spontan oder überlegt, Einzelkämpfer oder Teamarbeiter …) Was ist mein Arbeitsmotiv? (Einkommen, Anerkennung, Karriere, Zufriedenheit …)

Dann erstellte jeder Schüler für sich ein kleines Profil mit den für ihn charakteristischen Merkmalen. Dabei wird besonders auf die Intimsphäre geachtet. Die Schüler geben nur Preis, worüber sie gerne Auskunft geben.

Kaum ein Schüler hatte sich bisher die Frage gestellt, wie er sich seine Zukunft in zwei oder fünf Jahren vorstellt oder was er unternimmt, um dieses Ziel zu erreichen. Jetzt steht er vor dieser Frage und sie wird ernst und realistisch beantwortet.

Im nächsten Schritt erkunden wir konkrete Berufsbilder im Internet oder mit Hilfe verschiedenster Lektüren (jobworld.de, bewerbung-forum.de, berufenet.de …).

Wie ein Bewerbungsgespräch ablaufen kann und welche Fragen zur Falle werden könnten, beschäftigte uns abschließend. Wir spielten die Gespräche konkret durch und lernten anhand von Filmausschnitten richtiges und sicheres Auftreten.

Die Resonanz bei den Schülern war positiv. Oft haben die Gespräche sehr persön­lichen Charakter; deshalb ist eine Gruppengröße von maximal zehn Schülern empfehlenswert. – Allerdings sind wir von einem durchgängigen Berufs­orientierungs­konzept noch weit entfernt.

Zur Autorin: Daniela Göttel ist Oberstufenlehrerin für Biologie und Chemie an der Rudolf Steiner Schule Gröbenzell, leitet die Schülerfirma »Junior« (10. Klasse) und betreut das Betriebspraktikum.