Sprachlehrer müssen auch Künstler sein

Peter Lutzker, Christoph Jaffke

Diese Forderung hat innerhalb der letzten fünfzehn Jahre einige grundlegende Entwicklungen in der Aus- und Fortbildung für Fremdsprachenlehrer an Waldorfschulen ausgelöst. Dies kann man zum Beispiel sehr deutlich an der Entstehung der »English Week« sehen. Als diese vor 15 Jahre eingerichtet wurde, hat sie viele Elemente, die in der langen Tradition des Waldorf-Fremdsprachenunterrichts entwickelt worden waren, direkt aufgenommen. Was jedoch neu war, entstand aus der Überzeugung heraus, dass Fremdsprachenlehrer eine zusätzliche künstlerische Schulung brauchen, um den besonderen Zielen und Methoden der Waldorfpädagogik gerecht zu werden. Diese Schulung geht weit über das hinaus, was eine traditionelle Lehrerausbildung bietet. Es entstand daraus eine erste einwöchige intensive Fortbildung, bei der täglich – neben anderem – dreistündige Workshops mit renommierten englischsprachigen Schauspielern, Regisseuren, Geschichtenerzählern und Theaterclowns stattfanden, die inzwischen so etwas wie das ›Herzstück‹ der gesamten Fortbildungswoche sind. Die Resonanz auf diese Kurse war von Anfang an enorm: Teilnehmer berichteten von tiefgreifenden persönlichen und beruflichen Veränderungen, die unmittelbare und weitgehende Konsequenzen für ihre Unterrichtspraxis hatten. Die Bedeutung einiger dieser Kurse für die Teilnehmer ist inzwischen im Rahmen einer Langzeit-Studie erforscht worden. Es zeigte sich, dass solche Kurse zu einer erhöhten Offenheit und Aufmerksamkeit, erhöhter Empathiefähigkeit, mehr Präsenz im Unterricht und deutlich erweiterten Fähigkeiten der Improvisation führen.

Inzwischen ist die alljährlich stattfindende English Week die weltweit größte Einrichtung in der Fortbildung der Fremdsprachenlehrer für Waldorfschulen. Das Konzept der künstlerisch-dramatischen Arbeit für Waldorf-Fremdsprachenlehrer ist bei Kursen in anderen europäischen Ländern übernommen worden. Die sprachkünstlerischen Elemente haben auch in die Fortbildungsseminare der anderen Fremdsprachen Eingang gefunden und sind fester Bestandteil der Fremdsprachen­lehrer-Ausbildung an den Vollzeitseminaren.

Dieses neue Konzept hat zu einem Austausch zwischen Waldorf-Fremdsprachenpädagogen und ›Nicht-Waldorf‹-Dozenten und Professoren geführt. Dies betrifft vor allem jene Fachleute, die sich zu den sogenannten »humanistic methods« bekennen. Weltweit anerkannte Experten wie Alan Maley, Mario Rinvolucri, Rod Bolitho, Hans Hunfeld, Hans-Eberhard Piepho (†) und Urs Ruf waren oder sind regelmäßig Gäste bei Waldorf-Fortbildungen. Im Lauf der Jahre hat sich ein lebhafter und für alle Beteiligten bereichernder Austausch über Ansätze und Methoden des Unterrichts entwickelt. In Bezug auf das kreative Schreiben (siehe den Beitrag von Alan Maley), die Rolle des Schauspiels im Unterricht oder den kreativen und lebendigen Umgang mit der Grammatik haben wir viel durch den Austausch dazu gelernt.

Zukunftsaussichten

Wohin geht die weitere Entwicklung in den Fremdsprachen? Im Moment betrachten wir es als unsere größte und dringendste Aufgabe, eine flächendeckende Waldorfausbildung für alle Fremdsprachenlehrer anzubieten. Dazu sollte ein neues, modularisiertes Studiengangmodell (siehe den folgenden Beitrag von Martyn Rawson) beitragen. Das inzwischen neu belebte Mannheimer Seminar zur Sprachlehrerfortbildung bietet zum Beispiel eine kontinuierliche, modularisierte zweijährige Ausbildung für bereits unterrichtende Fremdsprachenlehrer, die keine oder wenig Waldorfausbildung haben. Die regelmäßig stattfindenden Fortbildungswochenenden, die inzwischen an fast allen Seminaren angeboten werden, gehören ebenfalls dazu.

Die Aus- und Fortbildung der Lehrer ist der Schlüssel, die Qualität des Fremdsprachenunterrichts an Waldorfschulen zu steigern.

An den Schulen, deren Kollegen eine solche Ausbildung durchlaufen haben oder regelmäßig solche Fortbildungen besuchen, ist in der Regel ein deutlich höheres Unterrichtsniveau und eine größere Zufriedenheit der Schüler und Eltern festzustellen. An den Schulen, an denen das nicht der Fall ist – und dies betrifft an vielen Orten vor allem die Mittel- und Oberstufen – ist dagegen vielfach Frustration anzutreffen. Hier sind Kollegen, Eltern und Schulen aufgefordert, aktiv zu werden.

Zu den Autoren:

Prof. Dr. Peter Lutzker war Englischlehrer in Frankfurt und Düsseldorf und ist Dozent an der Freien Hochschule Stuttgart. Dr. Christoph Jaffke ist Professor für Fremdsprachendidaktik an der Freien Hochschule Stuttgart, Seminar für Waldorfpädagogik. Er unterrichtete als Englischlehrer an Stuttgarter Waldorfschulen, begründete die Reihe Materialien für den Fremdsprachenunterricht an Freien Waldorfschulen und berät heute Waldorfschulen in aller Welt.