Frohe Nachricht

Henning Kullak-Ublick

Sowohl über den Begriff »Verschwörungstheoretiker« wie über die Relevanz des Interviews waren sich Herausgeber und die Redaktion nicht einig.

Obwohl ich mein Urteil dazu mitnichten geändert habe, bin ich froh, dass wir eine Redaktion haben, die tut, was sie für richtig hält! Eine der wichtigsten Aufgaben für uns als Herausgeber ist es, ihr den Rücken freizuhalten, damit sie auf der Grundlage ihrer eigenen (sehr hohen) Kompetenz entscheiden kann, was sie veröffentlicht und was nicht. Natürlich tauschen wir uns aus, aber wir pfuschen ihr nicht ins Handwerk, und deshalb stellt sie Monat für Monat eine der besten pädagogischen Zeitschriften her, die man heute finden kann.

Ich schreibe das auf, weil die redaktionelle Freiheit außerhalb unserer in dieser Beziehung tatsächlich einmal heilen Waldorfwelt zunehmend durch kommerzielle Zwänge, politische Sanktionen wie in der Türkei und einer wachsenden Zahl von Ländern, aber auch durch die skandalsüchtigen Online-Empörungsplattformen der »sozialen« Medien bedroht wird. Während es immer schwieriger wird, gut recherchierten und solide belegten Journalismus überhaupt zu finanzieren (es gibt ihn, auch in den oft gescholtenen Mainstream-Medien), greifen Plattformen wie Breitbart, Berlusconis Medienimperium oder russische »Trolle« immer unverblümter mit gezielten oder völlig offensichtlichen Lügen in das Nachrichtenwesen ein. Wir werden gerade daran gewöhnt, »alternative« und »belegte« Fakten als völlig gleichwertig anzusehen. Übrig bleibt ein Wust von Meinungen, während der Diskurs um Ideen, Konzepte und Zusammenhänge auf der Strecke bleibt.

Für die Demokratie ist das genauso fatal wie für die – unantastbare – Würde jedes einzelnen Menschen, die ohne unsere höchste Fähigkeit – das individuelle Ringen um Wahrheit in unserem Denken und Fühlen – in sich zusammenfällt. Wenn Meinungsmehrheiten aus sich gegenseitig bestätigenden Netzwerk-Gruppen wichtiger werden als der Mut, selbst zu erkennen, wird auch die Sehnsucht nach neuen Führern größer, die uns jene Orientierung versprechen, die wir in unseren eigenen Seelen nicht mehr finden können.

Auch deshalb kommt es immer mehr darauf an, dass Kinder Menschen um sich haben, denen sie vertrauen können, weil sie sich wirklich darum bemühen, ihnen Zugänge zur Welt zu erschließen, die sie mit ihren Herzen, mit ihren Sinnen und natürlich mit ihrem Verstand selbst erkennen lassen, worum es geht. Das meinte Rudolf Steiner mit der »geliebten Autorität« während der Klassenlehrerzeit. Wer sie – und ihre Verwandlung zur Eigenverantwortung in der Oberstufe versteht sich – erleben kann, wird der autoritären »öffentlichen Meinung« hoffentlich nicht so leicht auf den Leim gehen. ‹›

Henning Kullak-Ublick, von 1984 – 2010 Klassenlehrer an der FWS Flensburg; Vorstand im Bund der Freien Waldorfschulen, den Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners, der Internationalen Konferenz der Waldorfpädagogischen Bewegung – Haager Kreis sowie Koordinator von Waldorf100 und Autor des Buches »Jedes Kind ein Könner. Fragen und Antworten an die Waldorfpädagogik«.