Marke und Qualität

Stefan Grosse

Ob ein Mercedes aus Südafrika, den USA oder Deutschland kommt, darf bei der Qualität keine Rolle spielen. Die Qualität ist das Wichtigste. Aber nur gut sein, reicht nicht, sonst landet das Produkt irgendwann im Manufactum-Katalog, der den Slogan hat »Es gibt sie noch, die guten Dinge.« Das ist Neusprech für: technisch überholt, zu teuer und aus der Zeit gefallen. Marken sind intuitiv erkennbar und haben einen überzeugenden »unique selling point«.

Die Cola-Flasche hat einen einzigartigen Wiedererkennungswert, aber der Inhalt? Wenn nur Markenesoterikern klar ist, warum man nur Coke trinken kann, und Pepsi ein »No-go« ist, fehlt es dem »unique selling point« an Substanz. Ein guter Spruch kann weiterhelfen, hat aber auch so seine Tücken. Quadratisch, praktisch, gut. Nett. Verkauft wird aber immer noch nur recht durchschnittliche Schokolade. Und wenn der Spruch das Produkt an eine bestimmte Ära fesselt und nicht mehr loslässt, kann das schlimme Folgen haben. Polaks Grießpudding mit Mandelsplittern wirbt immer noch mit: »Mit Polaks Mändelchen hält sie den Mann am Bändelchen.« –

Hartnäckige Archäologen finden vereinzelte Exemplare noch vor Ort, ansonsten auf Liebhaberseiten im Internet. Wenn die Sprache das Produkt inkarzeriert, kann die Qualität noch so hoch sein, es ist nur noch schwer vermittelbar. Haribo hat ein ähnliches Problem. Der Slogan wirkt heute kindlich, aber das ist nicht die einzige Malaise: Der Spiegel schreibt unter dem Titel »Problem-Bärchen«: »Haribo galt über Jahrzehnte als feste Größe im Regal, als Inkarnation einer unverzichtbaren Marke. Nun fliegt der Goldbär nicht nur bei Lidl raus.« Begründung: Die Alternativen sind nicht schlechter, aber billiger. Die Innovationskraft der Marke ist zu schwach. Der Gründer Hans Riegel war sein Produkt. Seine Nachfolger verzettelten sich in einer Vielzahl unwichtiger »Erneuerungen« und Nebenprodukte. –

Qualität halten, authentisch bleiben und innovativ sein, das sind die Ingredienzien, aus denen sich ein unverwüstlicher Markenkern bildet. Auch Waldorf hat einen Markenkern, hat Essentials, die nicht verhandelbar sind. Die Schulen bieten eine Leistung an, die einer Qualitätsprüfung standhalten muss. Wichtige Zutaten dieser Leistung und ihrer Qualität entstammen allerdings Kategorien, die sich einer äußeren Prüfung nicht leicht erschließen. Sie sind nicht wäg- und messbar. Enthusiasmus, Empathie, Ausgeglichenheit oder Durchhaltevermögen lassen sich nicht in Kilogramm oder Newtonmeter angeben, sind aber prägende Größen in der Leistung, die eine Schule z.B. als Unterricht anbietet. Aber Schule besteht nicht nur aus Imponderabilien, sondern hat auch vieles, das sich quantifizieren und als Größe gut beschreiben lässt. Welche Waldorf-Fächer gibt es – oder gibt es nicht mehr? Welche Einrichtungen zur Konfliktbewältigung sind mit welchem Ernennungsverfahren und mit welcher Kompetenz ausgestattet vorhanden? Gibt es eine Selbstverwaltung durch die Lehrer – oder werden selbst die Lehrer verwaltet? Die Liste ließe sich fortsetzen. Die einzelne Schule ist in der Frage der Qualität nicht autark, sondern repräsentiert im Verbund aller Waldorfschulen mit ihrer Ausstrahlung die Marke.

Stefan Grosse ist Klassen- und Religionslehrer an der Freien Waldorfschule Esslingen und Vorstandsmitglied des Bundes der Freien Waldorfschulen.