Pulverfässer oder Ideen zünden

Henning Kullak-Ublick

Wie es weitergeht, lässt sich heute nicht sagen; sicher ist nur, dass dies nicht das letzte »interkulturelle« Pulverfass war, das durch einen einzelnen Funken zur Explosion gebracht wurde. 

Unsere Kinder wachsen in eine Welt hinein, in der die Gegensätze zwischen den Kulturen, Religionen und Rechtsempfindungen immer schärfer hervortreten. Diese Welt wird mit einer nie abreißenden Welle von Gefühlskitsch aus gigantischen Medienmaschinen überflutet, Finanzspekulanten treiben mit ein paar Mausklicks ganze Erdteile in die Armut, Informationen erreichen in Sekundenbruchteilen jeden Winkel der Erde und das Leben von immer mehr Menschen verläuft nicht mehr in Rhythmen, sondern elektronisch getaktet. In enger Verbindung damit breitet sich eine weltweite innere Heimatlosigkeit aus, deren Leere sich die Fundamentalisten aller Couleur zu nutze machen, indem sie durch die Verdammung der jeweils anderen eine eigene Identität vortäuschen.

So weit, so schlimm. Aber es ist die bequeme Perspektive des unbeteiligten Zuschauers, der meint, nicht ändern zu können, was er da alles wahrnimmt. Das Leben spricht eine ganz andere Sprache: Die Welt, die uns umgibt, ist schon lange ein Spiegel unserer Innenwelt. Wir sind also keineswegs machtlos, sondern unmittelbar verantwortlich für die Welt, in die unsere Kinder hineinwachsen. Diese ist zunächst sehr überschaubar. Sie bildet einen Raum, den wir mit unseren Gedanken, Gefühlen und Taten möblieren. Sie gehören für die Kinder genauso zur Umwelt wie die äußere und sie sind es, an denen sich ihre eigenen Taten, Gefühle und Erkenntnisse entzünden. Erziehung wirkt immer durch die Selbsterziehung – auch da, wo sie fehlt.

Schulen sind keine Truppenübungsplätze für den angeblichen Kampf ums Dasein im späteren Leben. Sie sind Orte, an denen die Kinder ihre menschlichen Fähigkeiten in ihrer Vielfalt kennen und nutzen lernen. Das Interesse, das sie dort füreinander und für die Welt entwickeln, ist die Grundlage zum Verständnis anderer Kulturen. Nur wer sich selbst als handelnder, fühlender und denkender Mensch erfahren hat, wird dies auch anderen zugestehen. Funken werden immer springen, aber ob sie Pulverfässer oder Ideen entzünden, entscheidet sich daran, ob unsere Kinder etwas ausbilden konnten, das man nur in der Kindheit lernen kann: Seeleninnigkeit.

Henning Kullak-Ublick, von 1984 – 2010 Klassenlehrer an der FWS Flensburg; Vorstand im Bund der Freien Waldorfschulen und bei den Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners, Aktion mündige Schule (www.freie-schule.de)