Wie viel Dollar sind ein Mensch?

Henning Kullak-Ublick

Investitionen in die Bildung bewirken langfristig weit mehr als alle Konjunkturprogramme.

Das hat eine neue OECD-Studie ergeben, die die wirtschaftlichen Effekte von Bildung untersucht. Die Autoren der Studie, Eric H. Hanushek und Ludger Woessmann, kommen zu dem Ergebnis, dass schon ein weltweiter Zuwachs von durchschnittlich nur 25 PISA-Punkten sich mit 115 Billionen US-Dollar im Leben der jetzt Geborenen auszahlen würde. Könnten deutsche Kinder so viele PISA-Punkte wie die finnischen Schüler vorweisen, entspräche der Ertrag allein in Deutschland dem Fünffachen der Jahreswirtschaftsleistung.

Die OECD ist eine Wirtschaftsorganisation und als solche misst sie Bildung am wirtschaftlichen Erfolg. Neu ist dieser Gesichtspunkt nicht: Schon Robert Musil ließ die Eltern des »Zöglings Törleß« die berühmten Worte sprechen: »Wir buckeln, damit du zur Schule gehen kannst und es eines Tages besser hast!« Neu ist, dass die OECD in den letzten fünfzehn Jahren mit den PISA-Punkten eine globale Bildungs-Währung geschaffen hat, für die sie jetzt die Umrechnungsformel nachreicht: PISA-Punkte mal erwartete Lebenserwerbszeit gleich wirtschaftlicher Erfolg.

Endlich kommt Ordnung in das schwer fassbare Etwas Bildung: Wir können uns ihrer Wirkung mit mathematischer Präzision versichern und wissen jetzt, dass sich die Investitionen in unsere über eine Million Nachhilfeschüler in Deutschland lohnen. Wir sammeln PISA-Punkte wie Rabattmarken und tauschen sie später gegen Flachbildschirme, Urlaubsreisen, Ökobananen oder Privatschulen ein, damit dann eine Bildungsgeneration weiter noch schönere Flachbildschirme ...

Bildung kann man genauso wenig kaufen und messen wie Freiheit, Liebe oder Fantasie. Bildung befähigt Menschen, Lebensziele zu verwirklichen oder der Welt ein geistvolleres Antlitz zu geben. Nicht um Bildungspunkte, sondern um die Weiterentwicklung menschlicher Fähigkeiten, also um Kultur sollt es gehen. Wer wissen will, wohin es führt, wenn der Mensch auf wirtschaftliche Nutzbarkeit reduziert wird, dem sei Aldous Huxleys Klassiker »Schöne neue Welt« empfohlen.

Investitionen in Bildung lohnen sich auch wirtschaftlich, und es ist gut, dass die Studie das klarstellt. Geld gibt es aber schon jetzt mehr als genug und trotzdem verhungern weltweit jährlich sechs Millionen Kinder. Herzensbildung lässt sich nicht in Punkten messen. Ohne sie nützt die ganze Gleichung nichts.

Henning Kullak-Ublick, Vorstand im Bund der Freien Waldorfschulen und bei den Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners, seit 1984 Klassenlehrer in Flensburg, Aktion mündige Schule.