Starthilfe inklusive Kegeln

Louisa Schildmacher | Wie gut konntet Ihr das Konzept der Waldorf-Coachingclass in euren Berufsalltag integrieren?

Aaron Pinnekamp | »Blended-learning« bedeutet ja, dass wir die Präsenz-Wochenenden mit Onlinetreffen und Selbstlerneinheiten verbinden – und das fand ich wirklich gut, weil ich nicht ständig unterwegs sein musste, sondern das auch mal von zu Hause regeln konnte; dadurch war mein Zeitaufwand nicht so groß. Ein weiterer Aspekt ist, dass ich durch das Einzel-Coaching und durch die Intervision viele Themen aus meiner konkreten Arbeit direkt bearbeiten konnte, da beides online stattfand; also ist das nicht zusätzlich gewesen.

Sarah Bube | Angenehm war, dass ich teilweise zu Hause in meinem eigenen Tempo arbeiten konnte. Andererseits ist der Austausch in Präsenz einfach nicht wegzudenken. Ich finde, gerade für die Herausforderungen, die wir als junge oder neue Lehrer haben, war das ein gutes Konzept, das sich in den Berufsalltag integrieren lässt.

Louisa Schildmacher | Wie sieht denn so ein typisches Coaching-Class Wochenende aus?

Aaron Pinnekamp | Wir treffen uns in unserem Seminarraum. Nach einer Begrüßung findet dann meist ein kurzer fundierter Input von verschiedenen Experten statt, die uns für ein Thema anwärmen und uns danach die Freiheit geben, uns durch eigenes, vielfältiges Erleben mit diesem Thema zu verbinden. Das können zum Beispiel verschiedene Übungen in der Gruppe oder mit einem Partner oder auch für sich allein sein, wodurch man in ein Thema tief eintauchen kann, um dann die Essenz daraus zu ziehen und das anschließend in die Arbeit als Lehrer zu transferieren. Wir nehmen nicht nur neues Wissen auf und Erlebnisse mit, sondern auch viele Methoden und Arbeitsanreize, die wir in unseren Alltag als Lehrer sowohl im Klassenzimmer als auch im Kollegium einbringen können.

Louisa Schildmacher | Was war ein besonderes Erlebnis in dieser Zeit?

Sarah Bube | Ich kann mich zum Beispiel an gruppen­dynamische Übungen erinnern, bei denen es darum ging, blind miteinander zu agieren. Dafür konnten wir wunderbar die Umgebung rund um unser Quartier nutzen. Wir haben auch außerhalb der Arbeitsprozesse als Gruppe zueinandergefunden und verschiedene Aktivitäten unternommen. Bestimmt bleibt mir noch lange ein gemeinsamer Kegelabend in Erinnerung oder eine Nachtwanderung mit Öllaternen oder Bogenschießen; alles in allem waren wir an einem Ort außerhalb unseres Alltags, wo wir uns zurückziehen und wirklich in Arbeitsprozesse kommen konnten; auch durch die Gestaltung des ganzen Tages, durch gutes, ausgewogenes Essen und Ruhe, die uns hier neben der Arbeit gegönnt wurde.

Louisa Schildmacher | Welche Themen waren besonders hilfreich?

Aaron Pinnekamp | Die Themen, die mich in Auseinandersetzung mit meiner eigenen Persönlichkeit gebracht und blinde Flecken bei mir beleuchtet haben, an denen ich weiterwachsen und mich weiterentwickeln konnte.

Sarah Bube | Besonders spannend fand ich das Thema Salutogenese oder Sprachgestaltung. Das Thema Resilienz begleitet mich seither weiter; hilfreich waren die Einheiten zur Selbstverwaltung an der Waldorfschule.

Louisa Schildmacher | Hat das Projekt etwas für die tägliche Unterrichtspraxis gebracht?

Aaron Pinnekamp | Ja! In der Unterrichtspraxis konnte ich insbesondere die Sprachgestaltung sehr gut nutzen und insgesamt habe ich gemerkt, dass ich mich gestärkt fühlte und dadurch auch anders im Klassenzimmer auftreten konnte, auch den Kindern gegenüber.

Louisa Schildmacher | Woran haben die Kinder in einer Klasse denn gemerkt, dass Sie an der Coaching Class teilgenommen haben?

Sarah Bube | Ich kann mir vorstellen, dass die Kinder es daran gemerkt haben, dass ich einen offeneren Blick gewonnen habe und flexibler und handlungsfähiger geworden bin. Gerade als neue Kollegin hat man ja manchmal auch so seine Vorbilder, denen man nacheifert, Kollegen, die man besonders wertschätzt in ihrer Arbeit und solche die man nachahmt. Ich habe für mich gelernt, dass ich dem mehr vertrauen darf, was ich denke, was für meine Schüler richtig ist, dass ich meinen eigenen Weg finde, wie ich als Waldorflehrerin und Lehrerpersönlichkeit vor der Klasse stehen möchte.

Louisa Schildmacher | Gab es auch Punkte, die Sie als schwierig empfunden haben?

Aaron Pinnekamp | Zu Anfang des Jahres wurde meine Kritikfähigkeit stark strapaziert. Das hat sich zunehmend geändert und ich musste Kritik nicht mehr persönlich nehmen, konnte auf eine andere Ebene gehen und meine Handlungsweise nicht als identisch sehen.

Sarah Bube | Besonders herausfordernd waren für mich die Aspekte, die einerseits mit der unmittelbaren Selbsterfahrung zu tun hatten, also innere Baustellen wahrzunehmen, zu akzeptieren, zu beleuchten und dann aber auch umwandeln zu können – also in einen inneren bewussten Prozess der Auseinandersetzung zu kommen. Das kann manchmal weh tun. Aber sich dem zu stellen, war auch gewinnbringend für mich. Andererseits stellten emotional sehr bewegende Gruppenprozesse eine Herausforderung für mich dar. Es gehört zum Lehrersein, dass man anderen einen Entwicklungsraum gibt, dass man manches aushält und den anderen damit beschenkt.

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