Ernährung

Tier- und Menschenwohl

Moritz Küblbeck

Ich lebe auf einem kleinen Hof mit einigen Haustieren und Nutztieren, die von uns zur Nahrungserzeugung gehalten werden. Sobald man Tiere einsperrt und ihnen einen solchen Lebenszweck gibt, muss man sich automatisch mit der Frage des Tierwohls auseinandersetzen. Bei uns ein heiß diskutiertes Thema. Mein kleiner Bruder ist Vegetarier und er verwickelt uns jedes Mal in eine Diskussion, wenn unsere Schafe auf dem Teller landen. Es ist wahrscheinlich jedem klar, dass Fleischessen grundsätzlich wenig Sinn macht. Es verbraucht mehr Ressourcen als pflanzliche Erzeugnisse und ist somit aus umwelttechnischer Sicht völlig unnötig.

Wir leben jedoch in einer Luxusgesellschaft, in der nur wenige bereit sind, zu verzichten. Die Folgen davon konnte ich bereits als Kind erfahren. Meine Eltern sind Tierärztin und Tierarzt und ich konnte einen Einblick in die hier im Allgäu hauptsächlich vorhandene Milchviehhaltung erlangen. Auf den Touren, auf denen ich meinen Vater begleitete, sah ich neben einigen modernen Laufställen auch häufig dunkle enge Anbindeställe, in denen die Tiere Schulter an Schulter standen und sich nur wenig bewegen konnten. Die Tiere taten mir damals schon immer leid und auch mein Vater beschimpfte solche Bauern gern als »Dreckler«. Die Betriebe wurden häufig von alten Menschen betrieben, die eigentlich schon in Rente hätten sein sollen, aber keine Kinder hatten, die das Familienunternehmen weiterführen wollten. Ich habe einige Fälle mitbekommen, bei denen die Landwirt:innen bis zum Schlaganfall schufteten. Sie konnten sich Tierwohl nicht leisten. Auf der anderen Seite gab es Betriebe, die investiert hatten, wo der Sohn den Betrieb übernahm, und ein großer Laufstall gebaut wurde. Mit Melk- und Futterroboter, viel Platz und Weidegang. Und natürlich die Kleintierpraxis, in der Haustiere behandelt wurden, die ja sowieso meist gehalten wurden, um geliebt zu werden. Ich kenne mich also einigermaßen aus, was das Thema Tierwohl bzw. -unwohl anbelangt.

Um die Frage zu beantworten, ob nun ein allgemeines Wohl für Tier und Mensch Sinn ergeben würde, sollte man sich erstmal überlegen, was es für Unterschiede zwischen Mensch und Tier gibt. Tiere streben genauso wie der Mensch nach Entwicklung und Fortschritt. Allerdings tut der Mensch das deutlich bewusster, da er kreativ denken kann. Eine solche Fähigkeit fehlt dem Tier und sein Streben nach Entwicklung geschieht unterbewusst durch die Evolution. Es lebt mehr im Hier und Jetzt, während sich der Mensch in seinen Gedanken auch durch Vergangenheit und Zukunft bewegen kann. Er braucht Perspektiven und er wird stärker durch die Vergangenheit beeinflusst als das Tier. Ein Tier benötigt nur »Wohl« in der Gegenwart. Es macht sich keine Gedanken über die Zukunft. Es braucht nur die »fünf Freiheiten«, die vom britischen Farm Animal Council aufgestellt wurden:

  • Freiheit von Hunger und Durst – durch Zugang zu frischem Wasser und gesunder Nahrung
  • Freisein von Unbehagen – durch die Bereitstellung einer angemessenen Umgebung mit Schutzzonen und komfortablen Ruhezonen
  • Freisein von Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten – durch Prävention oder schnelle Diagnose und Behandlung
  • Freisein zum Ausleben normaler Verhaltensweisen – durch ausreichend Platz, angemessene Einrichtungen und Kontakt zu Artgenossen
  • Freisein von Angst und Leid – durch Haltungsbedingungen und eine Behandlung, die kein psychisches Leiden fördern

Wenn bei einem Tier diese fünf Kriterien erfüllt sind, dann geht es ihm gut und es fühlt sich wohl. Somit lässt sich darüber rechtfertigen, dass zum einen Tiere grundsätzlich weniger brauchen als Menschen, um zufrieden zu sein und zum anderen lassen sich dadurch auch die Haltung und auch die Tötung eines Tieres rechtfertigen, sofern es dabei keine Schmerzen und vor allem keine Angst verspürt. Hierbei scheitern leider viele der heutigen Schlachtmethoden. Tiere werden stundenlang in LKWs über die Autobahn transportiert werden, weil es günstiger ist, sie zentral in einem großen Schlachthaus zu schlachten und sie dort einem Erstickungsprozess von mehreren Minuten auszusetzen, weil schnelle schmerzlose Methoden teurer sind. Etwas ganz anderes ist die Euthanasie bei alten oder schwerkranken Tieren. Hier kann ich wieder von meinen eigenen Erfahrungen berichten, die ich in der Praxis meiner Eltern sammeln konnte. Ich war häufig dabei, wenn Tiere die tödliche Spritze bekamen. Hierbei wird das Tier zuerst narkotisiert, es wird müde und schläft ein und dann wird ihm ein Nervengift direkt in die Bauchhöhle gespritzt, von wo aus es sich sehr schnell ausbreitet und das Tier innerhalb weniger Sekunden tötet. Ich empfand diese Form der Lebensbeendigung immer als sehr human, da das Tier letztlich nur mitbekommt, wie es von einer starken Müdigkeit überfallen wird und einschläft. Es weiterleben zu lassen, bis es von allein stirbt, erschien mir immer als weniger human.

Es lässt sich natürlich darüber streiten, ob wir Menschen überhaupt das Recht haben, Gott zu spielen und über das Leben anderer Lebewesen zu entscheiden. Würde man so argumentieren, dann müssten wir uns mit den Tieren gleichsetzen und ihnen dieselben Rechte gewähren, wie wir sie haben. Allerdings würde es nichts an dem Wohl eines Tieres ändern, wenn es plötzlich ein Recht auf Zukunft bekäme. Ich denke, es ist einfach so, dass der Mensch deutlich höher entwickelt ist als das Tier und dadurch auch höhere Bedürfnisse hat, die befriedigt werden müssen, damit er sich wohlfühlt. Es ergibt also durchaus Sinn zwischen Menschen- und Tierwohl zu unterscheiden.

Moritz Küblbeck, * 2002, Abiturient (13. Klasse) an der Freien Waldorfschule Wangen. moritz.kueblbeck@gmail.com

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