In Khayelitsha herrschen, wie fast überall in den Townships Südafrikas, Krankheit und Armut. Die Menschen sind durch die täglichen Erfahrungen traumatisiert und schwer belastet. Frauen und Kinder sind wie immer die am stärksten Betroffenen. Neben AIDS und anderen schweren Krankheiten sind Raub und Mord, Vergewaltigung und Misshandlungen jedweder Art sowie Missbrauch von Alkohol und Drogen an der Tagesordnung. In dieser Landschaft aus Wellblechhütten und Dixie-Klos sind westliche Standards nicht zu finden.
Die Kinder verwenden die herumliegenden Dinge, um sich spielerisch zu vergnügen – ungeachtet der Tatsache, dass viele dieser weggeworfenen Dinge zu gefährlich für Kinderhände sind. Sie haben eine erstaunliche Fantasie im Umgang mit ihren Lebensumständen. Diese Bedingungen rufen geradezu nach einer Möglichkeit, sich künstlerisch auszudrücken und so in einen schöpferischen Prozess zu kommen, der befreiend wirkt.
Die Herausforderung des Ortes hat Ukubona ergriffen, um mit den Kindern Kunst zu machen, ihre Kreativität und Fantasie neu zu entdecken und zu fördern.
Die Zenzeleni Waldorfschule liegt im Herzen dieser Township. In der Community bestand schon länger der Wunsch nach einer Waldorfschule, die dann 1999 vom Center for Creative Education gegründet wurde und heute selbstständig von Lehrern getragen und geleitet wird. In den sieben Klassen werden etwa 250 Kinder unterrichtet. Es herrscht keine Schuluniformpflicht – wie es sonst überall üblich ist – die Kinder sind frei in ihrer eigenen Gestaltung und Entfaltung.
Skulpturen aus Katzendraht und Zeitungspapier
Wir arbeiten vorwiegend mit Recycling- und Naturmaterialien. Die alltägliche Umgebung soll neu gesehen und wertgeschätzt werden. Mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, begeben wir uns in einen Gestaltungsprozess. Durch verschiedene Methoden, in Einzel- und Gruppenarbeit, soll ein neues Gefühl für das eigene Ich im Zusammenhang mit dem Wir, der Gemeinschaft, entwickelt werden. In vier Gruppen zu zehn Kindern unterschiedlichen Alters beschäftigten wir uns in den letzten sechs Monaten mit unterschiedlichen Materialien, alle zum Thema Natur und Wiederverwertung. In der Recyclingkunst haben wir uns durch eine Art Klangorchester – verschiedene Flaschen, Plastiktüten oder Ähnliches zu Instrumenten umgeformt oder umfunktioniert – dem Material angenähert. Später entstanden ganz unterschiedliche Figuren und Formen. Eine Kindergruppe hat Skulpturen aus Katzendraht und Zeitungspapier gestaltet und diesen durch Farbe und Form eine ganz persönliche künstlerische Note verliehen. Die Individualität eines jeden Kindes kam dabei deutlich zum Vorschein. Verbrauchte, alte Kartons aus dem Supermarkt dienten als Grundlage für einen Turmbau. Ganz im Sinne eines Kreislaufs wurden die Türme von den Kindern zerstört und die zurückbleibenden Kartonteilchen wiederverwertet. Sie wurden bemalt und dann zu zwei großen Mosaiken zusammengefügt. In der Arbeit mit Ton konnten die Kinder einen Ort der Aktivität und Kraft erfahren, gleichzeitig aber auch einen Raum der Zentrierung und Ruhe finden. Ton erdet und positioniert.
Den Anderen und sich selbst wahrnehmen lernen
Neben dieser künstlerischen Auseinandersetzung mit dem unterschiedlichen Material konnten sich die Kinder und Jugendlichen in Gruppenbildern und Einzelarbeiten auf dem Papier viel mit dem Thema »Ich und Gemeinschaft« auseinandersetzen. Ein einzelnes Blatt Papier ist nicht leicht zu teilen. Es muss ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen dem eigenen Bedürfnis und dem der Anderen. Jedes Kind hatte auch ein persönliches Heft, das es die Projektzeit über begleitete und in dem es sich ausdrücken konnte. Hier wurde zu unterschiedlichen Themen gearbeitet, die immer etwas mit dem eigenen Ich zu tun hatten.
Durch die künstlerische Tätigkeit ist aus einzeln in der Gruppe dastehenden Kindern eine Gemeinschaft des gegenseitigen Respekts erwachsen. Die Kinder haben gelernt, sich durch Kunst auszudrücken und dabei ein gerechtes und gesundes Maß an Aufmerksamkeit einzufordern. Wenn etwas nicht in Ordnung war in der Gruppe oder das Gemeinschaftsgefühl anfing zu bröckeln, haben wir gelernt, darüber zu sprechen und Lösungen zu finden. In den verschiedenen Kindergruppen haben wir oft das Bild oder Werk des Anderen betrachtet und anerkennend wahrgenommen. Die Kinder konnten erkennen, dass sie sich selbst und den anderen etwas wert sind und dass sie sich in diesem geschützten Rahmen entfalten und ausprobieren dürfen.
In einer Abschlussausstellung auf dem Gelände der Zenzeleni Waldorfschule zeigten die Kinder ihre Werke den Mitschülern, Eltern, Lehrern und externen Besuchern. Diese Ausstellung wurde zu einem Fest der Gemeinschaft, auf dem viel gelacht und gesungen wurde, aber auch das Thema Kunsttherapie und künstlerische Auseinandersetzung im Township in seiner Bedeutung für die Arbeit vor Ort betrachtet wurde.
Im weiteren Verlauf des Projektes möchten wir den Fokus verstärkt auch auf die Arbeit mit den Lehrern legen. In eigener künstlerischer Auseinandersetzung sollen ihnen die Mittel an die Hand gegeben werden, die Werke und die Ausdruckskraft der Kinder tiefer zu verstehen.
Ukubona soll weitergehen. Dafür brauchen wir Unterstützung.
Zur Autorin: Geboren am 14.7.1988 in Mannheim. Aufgewachsen in einer großen Familie. 1995-2008 Waldorfschule Mannheim-Neckarau. 2008/09 Weltwärtsjahr mit den Freunden der Erziehungskunst in Kapstadt im Baphumelele Children´s Home in Khayelitsha. 2010-2014 Studium der Kunsttherapie und Kunstpädagogik an der Hochschule für Künste im Sozialen Ottersberg. Ab Herbst 2013 Planung Ukubona, Dezember 14 - Mai 15 Ukubona in Khayelitsha, einer Township bei Kapstadt.