»What we need is action, not reflection!« – ein Satz von Nana Göbel, ausgesprochen auf einer Sitzung der internationalen Konferenz der Waldorfschulen, dem »Haager Kreis«. Neutralität ist ihre Sache nicht. Wenn Nana Göbel sich begeistert, passiert etwas – empört sie sich, erfährt man es. In der Summe passiert weit mehr, als man erfährt.
Ihre Kindheit verbrachte sie in Pforzheim. Anthroposophisches Elternhaus, »mein Kindergarten war meine Oma«, Waldorfschule. »Ich war eine Bilderbuch-Waldorfschülerin«, sagt sie: Schon morgens pflückte sie Blümchen; ihren Klassenlehrer Erwin Morion, streng, genau, anspruchsvoll, Witzenmann-Schüler, liebte sie. Ihr Vater Thomas Göbel war mit seinen goetheanistischen Studien so beschäftigt, dass er die Entwicklung seiner Kinder nicht mit pädagogischen Programmen störte. »Er machte, was er wollte«, sagt Nana Goebel. Die Kinder mussten helfen, am Küchentisch zupften sie oft Mistelbeerchen von den Zweigen, um die Heilmittelversuche des Vaters vorzubereiten. Am Wochenende wurden mit den Waldorflehrern Wolfgang Schad und Stefan Leber Steine gesammelt. »Ich bin groß geworden mit Gucken«, sagt sie über ihre Kindheit.
Wolfgang Schad, ihr Klassenbetreuer in der Oberstufe, förderte ihr Interesse für die Natur und ihre Entfaltung. »In der Klasse über uns ging es um soziales Bewusstsein«, erinnert sich Goebel. Dort betreute Stefan Leber die Klasse ihres späteren Mitstreiters Bernd Ruf. Unkonventionell seien die Lehrer gewesen, begeistert und anspruchsvoll. Das Klima sei rauer gewesen als heute, sagt Goebel, »aber das Interesse an den Schülern war da. Deshalb war politische Korrektheit nicht nötig.«
Mit 16 Jahren schmissen sie ihren Pfarrer aus dem Religionsunterricht, mit 17 begannen sie einen Arbeitskreis mit Stefan Leber zur Dreigliederung des sozialen Organismus. Rudolf Steiners Buch »Westliche und östliche Weltgegensätzlichkeiten« war der – so scheint es – prophetische Bezugspunkt. Mit einigen Klassenkameraden las sie die »Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft«. Sie fragten Wolfgang Schad, was Anthroposophie sei. Er antwortete: Das machen wir außerhalb der Schule. Ihre Jahresarbeit schrieb sie bei ihm über die Drei-gliederung der Reptilien – eine Arbeit, die er zwar annahm, aber nicht beurteilte, weil er »darüber nicht geforscht« hatte.
Die Schüler nutzten die Freiräume, die ihre Lehrer ihnen gaben, um Schülertagungen zu organisieren, seit 1975 internationale Tagungen. Nana Göbel und Bernd Ruf wurden als die beiden ersten Schülervertreter in die Konferenzen der Pforzheimer Schule gewählt.
Bei der Internationalen Waldorfschülertagung in Den Haag begegneten sie Jörgen Smit, dem Leiter der Jugend- und später der Pädagogischen Sektion am Goethe-anum. Aus der Vorbereitung dieser Tagung erwuchs der Entschluss, etwas für den Weltschulverein zu tun, der Rudolf Steiner vorschwebte.
1976 fuhr eine Gruppe junger Leute zu Ernst Weißert, der damaligen Führungspersönlichkeit der deutschen Waldorfschulbewegung, um ihm die Idee des Weltschulvereins vorzutragen. Am Ende »schenkte« er ihnen und ihren Mitstreitern den Verein »Freunde der Waldorfpädagogik«. 1978 wurde Nana Göbel in den Vorstand der »Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners« gewählt, dem sie bis heute angehört.
Ab Herbst 1985 studierte sie in Tübingen, München und Bonn klassische Archäologie, von 1983 bis 1986 war sie Mitarbeiterin von Jörgen Smit in der Jugendsektion.
Schon im 12. Schuljahr wusste sie, dass sie »etwas Großes für die Welt« tun wollte. Im 13. Schuljahr wollte sie eine freie Universität gründen, um die Freiheit im Geistesleben voranzubringen. Gefragt wurde sie aber immer, sich ums Geld zu kümmern – und nicht um ihre Ideen. So war es nur folgerichtig, von 1987–1997 bei der GLS-Bank zunächst eine Banklehre zu machen, dann für die Treuhandstelle zu arbeiten, den »Bankspiegel« herauszugeben und Kleinkredite zu betreuen.
1997 Umzug nach Berlin und Beginn ihrer Tätigkeit als Geschäftsführender Vorstand der »Freunde«; von 2002-2007 Vorstand der Deutschen Landesgesellschaft der Anthroposophischen Gesellschaft, von 2003 an als deren Generalsekretärin.
Ich frage Nana Göbel, welche Motive sich im Laufe ihrer Tätigkeit als die eigentlich tragenden herausgestellt haben. Die Antwort kommt schnell und entschieden: Es ist die Verpflichtung für die Welt als einzelner Mensch.
Geld bedeutet Macht. »Wir wollen die Macht zurückverlagern zu den einzelnen Menschen«, sagt sie. Zu keiner Zeit habe sie eine Kapitalagglomeration angestrebt, sondern immer eine Schenkungsbank: »Wir geben das Geld nur weiter.«
Ganz gleich, ob es um einen Kinderhort in einer afrikanischen Township, eine Schule in Ungarn, einen Kindergarten in China oder eine israelisch-arabische Schule geht: Nana kennt die Menschen, die dort arbeiten, kennt oft ihre Familien, ihre Sorgen, ihre Nöte. Nicht Programme überzeugen sie, sondern immer die Menschen, die mit ihrem Herzblut dafür einstehen, dass etwas passiert. Manchmal setzt sie sich damit dem Vorwurf der Subjektivität aus. Nur: Gibt es überhaupt einen noch nicht ausgetretenen Weg, der am Subjekt vorbeiführt? Wer außer dem Subjekt kann geistesgegenwärtig handeln? Jeder einzelne Antrag, der die »Freunde« erreicht, wird in den monatlichen Vorstandssitzungen beraten und verabschiedet. Aber es sind immer die Menschen, denen man vertraut.