Unterdrückte Gefühle

Von Silva Schmeusser, Januar 2014

Leserbrief zu dem Artikel »In dem Moment zählt nur man selbst« von Florian Heinzmann in Erziehungskunst, Heft 5/2013.

Ich finde es gefährlich, Kindern im Rahmen der Schule spirituelle Praktiken zu vermitteln, die dazu benutzt werden, Ausdruckweisen von Gefühlen zu eliminieren, statt sich mit den eigentlichen Ursachen der Gefühle zu beschäftigen. Niemand sollte dazu angeleitet werden, etwas an sich zu eliminieren. Ich halte es für wichtiger, dass Menschen lernen, offen und selbstliebend mit sich umzugehen. Denn Wut und Hass haben Ursachen – und ihre Berechtigung! Kinder und Erwachsene können jedoch lernen, damit umzugehen und die Ursachen zu heilen.

Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, was es für Folgen hat, wenn mit Praktiken wie Meditation und dem Zitieren und Singen von Mantren unangenehme und nicht erwünschte Gefühle unterdrückt und womöglich kontrolliert werden. Es hat meine Beziehung zu mir und zu meinen Emotionen erschwert. Es hat den Dualismus in mir verstärkt von »das ist erwünscht« und »das ist nicht erwünscht«, das ist meine »Sonne« (die im Artikel zitierte Sonne des Gayatrimantras) und das ist mein »Schatten«. Damit haben sich meine bewussten und unbewussten Wertungen und Urteile über mich und meine Gefühle, die durch mein Elternhaus, unsere Kultur und unsere Gesellschaft bereits da waren, verstärkt. Mit den oben genannten Praktiken werden Scheinwirklichkeiten und Selbstbilder aufgebaut, die unsere emotionale und göttliche Essenz verleugnen und überlagern.

Nicht ein Symptom gilt es zu eliminieren, sondern nach der Ursache des Symptoms zu forschen. Sonst bleibt die Ursache verdeckt und wirkt trotzdem weiter. So hat auch Gewalt eine Ursache und ist oft Ausdruck von Wut und Hass. Diese Gefühle entstehen, wenn zuvor andere Gefühle unterdrückt wurden, wenn Kinder mit ihren Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen nicht gefühlt, sondern ignoriert oder bestraft werden und wenn sie mit Ungerechtigkeit konfrontiert werden.

Nicht ohne Grund gibt es in den Ländern, in denen die alten Religionen beheimatet sind, auf die sich der Artikel bezieht, extrem viel Gewalt. Das zeigen die bekannt gewordenen Vergewaltigungen von Frauen in Indien.

Der Autor schreibt, dass es beim Mantrensingen nicht um Weltflucht gehe, sondern um die Verbindung mit der Welt. Wie geht das, wenn dabei die eigene innere Welt nicht geachtet und beachtet wird? Wie kann damit innerer Frieden erreicht werden? Wie können Kinder und Erwachsene lernen, mit Selbstliebe ihre Gefühle zu fühlen und für ihr Tun und Handeln Verantwortung zu übernehmen?

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