Unterrichten zu zweit – von Anfang an

Axel Langwost

Seit Beginn der neuen Ausbildungsform für Waldorflehrer »LiP – Lehrerbildung in der Praxis«, die nun seit 2004 in Niedersachsen/Bremen/Schwerin und seit 2015 im Süden Baden-Württembergs etabliert ist, wurde das »Team-Teaching« als zentrale Methode zur Selbst-Ausbildung der Trainees – Lehrer, die am Anfang ihrer Berufslaufbahn stehen – und der Ausbildungsbegleiter eingerichtet. Seither wurden Erfahrungen gesammelt, reflektiert und ausgewertet.

Team-Teaching als Grundlage der Ausbildung

Die Ausbildung findet im Duo statt. Dem Lehrer-Trainee steht ein erfahrener Kollege als Ausbildungsbegleiter zur Seite. Beide unterrichten gemeinsam in der jeweiligen Klassenstufe und im jeweiligen Fach. Von Beginn der Ausbildung an wird so ein gemeinsames Unterrichten erfahren, gemeinsam entwickelt und erprobt. Anfangs wird der erfahrene Kollege noch den größeren Anteil haben. Im Laufe der Zeit verändern sich die Gewichtungen und der Lehrer-Trainee wird immer größere Verantwortung übernehmen können.

Gemeinsames Lernen

Diese Situation ist sowohl für den Trainee als auch für den Ausbildungsbegleiter neu. Gemeinsam gehen sie auf die Suche, wie der Unterricht im gleichwürdigen Team gelingen kann. Für beide eröffnen sich damit Lernfelder. Oftmals kommen die Ausbildungsbegleiter zu dem Ergebnis, dass sie dabei noch mehr gelernt haben als der Lehrer-Trainee.

Neue Erfahrungsräume

Durch die Anwesenheit zu zweit in einem Klassenraum ergeben sich neue Möglichkeiten der Wahrnehmung der Kinder und Jugendlichen. Damit sind neue Lernerfahrungen möglich, die jeweils individuell geprägt sind. So kann es sinnvoll sein, die Klasse zu teilen, einzelne Kinder zu begleiten oder gemeinsam vor der ganzen Klasse zu stehen. Das eröffnet viele Möglichkeiten für den Ausbildungsbegleiter, denn für ihn war vorher das Allein-Unterrichten der Normalfall.

Gemeinsame Auswertungsgespräche

Die Wahrnehmungen des Duos werden im Anschluss von den beiden Beteiligten mindestens einmal pro Woche gemeinsam reflektiert. Hierbei werden individuelle Erfahrungen gemacht, die die Grundlage für eine intensive, konstruktive Auseinandersetzung bieten können. Neben den Fragen, die aus den Situationen im Team-Teaching entstehen, gibt es noch weitere Felder, die hier behandelt werden. Diese sind zum Beispiel:

  • Welche Fortschritte macht der Trainee?
  • Welche Lernschritte stehen nun für ihn an?
  • Welche Einseitigkeiten zeigen sich bei ihm?
  • Wie gelingt es dem Ausbildungsbegleiter, mit den neuen Situationen umzugehen?
  • Welche Einseitigkeiten haben sich in der Vergangenheit bei ihm entwickelt?
  • Werden die unterschiedlichen Wahrnehmungen genutzt, um für die Kinder angemessene Situationen herzustellen?
  • Welche Situationen sind für alle Kinder, für bestimmte Kindergruppen, für einzelne Kinder angemessen?

Intervision ist obligatorisch

Dieses gemeinsame Arbeiten kann auch zu Einseitigkeiten führen. So kann ein dominanter Trainee das Feld bestimmen und ein lebendiges Miteinander erschweren. Oder es mag einen erfahrenen Kollegen geben, der auf seinen Erfahrungen beharrt. Damit diese Situation lebendig und flüssig bleiben kann, wird im Rahmen der LiP die Intervision eingesetzt. Mit ein oder zwei anderen Kollegen zusammen können Einseitigkeiten bemerkbar werden. Dabei ist es wesentlich, dass die Menschen dafür geschult sind. Ein »normales« Gespräch unter Kollegen bietet oftmals nicht den richtigen Rahmen für diese wichtige Aufgabe. Durch ein methodisch geführtes Vorgehen können Einseitigkeiten besser erkannt und besprochen werden. Die Treffen der Intervisionsgruppe finden im Laufe der Ausbildung regelmäßig statt. In den 15 Monaten der Ausbildungszeit sollten 10 bis 15 Treffen stattgefunden haben.

Die Module – ein Begegnungsraum

Die Ausbildungsbegleiter durchlaufen eine drei- bis vierjährige Selbstausbildung, in der sie mindestens 12 Module besuchen. Auf diesen Präsenzveranstaltungen werden sie von den Trainees begleitet, damit die dort angeleiteten Übungen von beiden als Team erprobt werden können. Im Mittelpunkt eines Moduls steht dabei immer ein Thema der Erwachsenen-Pädagogik: das selbstverantwortliche, kooperative Lernen, allgemeine Lernprozesse, die Transaktionsanalyse, die Kommunikation und andere Themen. Dabei ist jedes Modul bereits so aufgebaut, dass die Form des Moduls den Inhalten entspricht. Neben dem Vermitteln und Erüben der Methoden ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Module, dass gemeinsam auf die unterschiedlichen Ausbildungssituationen und -erfahrungen geblickt wird. Hier ergeben sich vielfach Anregungen für eigene Projekte und neue Herangehensweisen. Treffen sich doch auf einem Modul jeweils um die 15 bis 24 Menschen, die sich auf diesem Gebiet selber ausbilden und dabei unterschiedlichste Erfahrungen gesammelt haben. So sind die gemeinsamen Gespräche und der Austausch ein wesentliches Mittel, um die Möglichkeiten des Team-Teachings auszuloten und weiterzuentwickeln. Durch diese immer noch ungewohnte Selbst-Ausbildung erschließen sich viele neue Erfahrungshorizonte – und dies schon während der Ausbildungszeit. So haben die Lehrer-Trainees schon positive Erfahrungen mit der Arbeit im Team gemacht, die sie in ihrem Lehrerdasein handhaben und weiter entwickeln können. Die Ausbildungsbegleiter wollen diese Erfahrungen nicht mehr missen und nehmen immer wieder neue Trainees, um nicht mehr allein in der Klasse arbeiten zu müssen. Unterrichten im Team kann eine Antwort auf die Fragen sein, die die heutigen Kinder an uns als Lehrer stellen.

Weitere Informationen auf lehrerbildung-praxis.de

Zum Autor: Axel Langwost ist Waldorflehrer für Mathematik, Physik, Informatik und Freien Religionsunterricht an der Waldorfschule Hildesheim, Ausbildungsbegleiter im Rahmen der Lehrerbildung in der Praxis (LiP) verantwortlich für die LiP in Niedersachsen/Bremen und Schwerin.