Kuba – außen und innen

Johannes F. Brakel

Varadero – dort waren wir ebenfalls vor einigen Tagen gewesen, wenn auch nur für einige Stunden. Auf dem Hinweg hatte uns der Besitzer des klapprigen Moskwitsch erklärt, dass der Zugang zu dieser Halbinsel gesperrt sei und er seine Zugangsberechtigung als Taxifahrer bei der Polizei vorweisen müsse. Meine kubanische Begleitung müsse sich bei der Kontrolle als Touristin ausgeben, die kein Wort Spanisch verstünde. Als Kubanerin würde sie nicht durchgelassen, sondern auf der Polizeistation festgehalten.

Mit diesen Informationen und seiner Hilfe erreichten wir ziemlich angespannt den berühmten Strand, konnten ihn aber nicht so recht genießen, sondern schreckten bei jedem plötzlich auftauchenden Uniformierten zusammen – auch wenn sie sich schließlich als Wächter von Privatstränden erwiesen. Als Ausländer war ich zwar etwas geschützt. Aber ein Kubaner würde für eine solche Übertretung verhaftet. Und über die kubanischen Gefängnisse hatte ich schon zu viel gelesen.

»Ja, und das Essen ist so gut und reichlich und auch nicht teurer als in Deutschland«, fuhr Herr Meyer fort. Wir saßen gemeinsam an einem Holztisch im Freien während der Mittagspause auf diesem organisierten Reitausflug zu einem Wasserfall im Gebirge.

Jetzt musste ich auch einmal einen Beitrag zum Gespräch leisten: »Ja, gestern Abend haben wir auch sehr gut gegessen, in einem etwas außerhalb der Stadt gelegenen, nur für Ausländer mit Dollar zu bezahlenden Restaurant. Der Taxifahrer, der uns hingebracht hatte, fuhr ein winziges, aber ihm gehörendes Auto. Das Geld hatte er in Venezuela und Brasilien verdient, wo er als Arzt für 400 Dollar im Monat gearbeitet hatte. Jetzt arbeite er im hiesigen Krankenhaus – tagsüber. Abends fahre er Taxi. Damit verdiene er etwa 110 Dollar im Monat. Denn sein Gehalt als Arzt betrage nur 60 Dollar im Monat – immerhin doppelt so viel wie ein normaler Staatsbeamter. Wir hatten am Vorabend zu zweit also den Monatslohn eines Arztes verspeist.«

Herr Meyer hatte verunsichert zugehört. Doch jetzt brach es entschieden und empört aus ihm heraus: »Das glaube ich nicht! Davon kann man ja nicht leben!« Nicht leben – ja! Aber auch nicht sterben! Denn der kubanische Staat verordnet jedem seiner Bürger die »Libretta« – ein Heft, in dem für jeden Monat eingetragen wird, wieviel Reis, Mehl, Eier usw. er zu kaufen berechtigt ist – zu subventionierten Preisen. Die Familie, bei der ich zu Besuch war, hatte mir ihre Libretta gezeigt. Obst und Gemüse waren nicht dabei, aber ein halbes Hühnchen – als einzige Fleischportion in diesem Monat.

Herrn Meyers Gesicht hatte sich verfinstert. Er wandte sich wieder seinem Salat zu. Unser Gespräch war beendet.

Ich hätte ihm gerne noch von der Zimmerdecke meiner Gastgeber erzählt, die bis auf das verrostete Eisengeflecht heruntergebrochen war und von der Unmöglichkeit, einen oder zwei Sack Zement privat und legal zu kaufen. Aber vielleicht hätte es Herrn und Frau Meyer ihre schönen Ferien verdorben – oder doch nur ihre Vorstellungen von schönen Ferien?

Zum Autor: Johannes F. Brakel ist Lehrer für Biologie, Chemie und Erdkunde an der Rudolf Steiner Schule Hamburg-Wandsbek. Auf seinen zahlreichen Exkursionen beschäftigt er sich eingehend mit der Tier- und Pflanzenwelt sowie mit den geografischen und kulturellen Besonderheiten der bereisten Regionen.