Von Berlin nach Windhoek. Elftklässler begegnen sich in Namibia

Frank Holl

Mauern werden errichtet, um Eigentum zu schützen, um Fremdes fernzuhalten. Sie bedeuten Abwehr und Ausgrenzung nach außen, aber auch Schutz nach innen. In Deutschland kennen wir ihren negativen Aspekt aus der Zeit der deutschen Teilung und spüren bis heute die Folgen, auch in den Köpfen der Menschen in Ost und West. Auch in Namibia sind vor über zwanzig Jahren Grenzen gefallen und das Land wurde unabhängig. Aber auch dort erleben die Menschen bis heute Ausgrenzung.

Im April 2011 machten sich sechs Schülerinnen, drei Schüler sowie eine Lehrerin und ein Lehrer auf den Weg nach Namibia zu ihrer Partnerschule, der Waldorf School Windhoek. Die intensive Schulpartnerschaft besteht seit Herbst 2009. Nun endlich sollten Berliner Schüler die Möglichkeit bekommen, ihre Partnerklasse kennenzulernen.

Verbunden mit dem Wunsch des Kennenlernens waren Befürchtungen, dass man nicht zueinander finden oder sich nicht verstehen könnte. Die Wahrnehmung, dass es auch innere, unbewusste Mauern geben kann, legte den Schülern das Thema der Begegnung nahe: »Walls, Fences, Borders – Protection or Exclusion?« Die Jugendlichen erarbeiteten für die 14 Projekttage eine Reihe inhaltlich und methodisch unterschiedlicher Aktivitäten: Es standen Exkursionen in die Stadtteile Windhoeks, einschließlich Katuturas, des großen Township der schwarzafrikanischen Bevölkerung der Hauptstadt, auf dem Programm. Dabei erlebten die deutschen Schüler extrem unterschiedliche Lebensbedingungen: Mit Elektrozäunen und Sicherheitsanlagen eingezäunte Villen und notdürftig aus Karton und Wellblech zusammengeschusterte Notbehausungen der Zuwanderer. Dies führte zur lebhaften Diskussion über die Frage der gerechten Verteilung von Wohlstand in Namibia, aber auch in der gesamten Welt. Eine weitere, mehrtägige Exkursion führte zur biologisch-dynamisch bewirtschafteten Farm Krumhuk südlich von Windhoek. Dort konnten die Schüler den Arbeitsalltag der Farmbewohner miterleben.

In einem Arbeitseinsatz half die Gruppe, Böden vor Erosion zu schützen. Nach außergewöhnlich starken Regenfällen in diesem sonst sehr trockenen Land drohen die meist sandigen Böden, von den Regengüssen und Fluten weggeschwemmt zu werden. Unter Anleitung von namibischen Landwirtschaftsstudenten machte sich die Berliner Gruppe an die Arbeit, um mit Buschwerk die bereits sichtbaren Erosionsrinnen zu verstopfen und damit einer Ausweitung der Bodenschädigung entgegenzuwirken.

Während des Aufenthalts an der Waldorf School Windhoek gaben die deutschen Schüler Workshops zum Thema »Berliner Mauer« und und die namibischen zum Thema »Vielfalt der Kulturen in Namibia«. Die Deutschen staunten, wie groß die Vielfalt an Kulturen innerhalb der Klassengemeinschaft sein kann – ein Spiegelbild der Vielfalt Namibias als »rainbow nation«.

Weitere Highlights waren die künstlerischen Aktivitäten beider Schulklassen, unter anderem bei gemeinsamer Eurythmie, einem Trommelworkshop und dem Einstudieren und Singen deutscher und namibischer Lieder. Eine bleibende Erinnerung an diese Reise ist der Bau von zwei Eingangsmauern vor dem Schulgelände, die durch ihre schön gestalteten und einladenden Formen nicht ausgrenzen, sondern Besucher der Waldorfschule willkommen heißen sollen. Das Projekt konnte dank der großzügigen Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit aus Mitteln des Entwicklungspolitischen Schulaustauschprogramms (ENSA) verwirklicht werden. Ein Gegenbesuch der namibischen Klasse ist für 2012 bereits in Vorbereitung.