Ausgabe 05/25

Von morgens bis abends Ben

Zora Petterson


Von Vorpubertät habe ich schon gehört und auch, dass diese immer früher beginnt. Doch als meine neunjährige Tochter plötzlich nur noch über einen Jungen aus ihrer Klasse spricht, denke ich verdutzt: «Auweia, geht das jetzt schon los?» Also habe ich mich schlau gemacht: Tweens nennt man die Kinder in der Pubertät light. Die Herleitung: Kids between Teens. Tja, damit hatte ich irgendwie noch nicht gerechnet. Bin gespannt, ob das bei meinem siebenjährigen Sohn dann in zwei Jahren auch schon losgehen wird.

Seit Tagen und Wochen geht es mal stündlich, mal wöchentlich um diesen einen Jungen. «Mama, der Ben hat mich schon mal auf die Backe geküsst», erzählt mir Lina und grinst. «Mein Herz hüpft richtig, wenn ich mit Ben spreche oder wenn wir in der Pause spielen. Hoffentlich dürfen wir heute wieder gemeinsam auf dem Pausenhof spielen. Meinst Du, ich bin verliebt?», fragt mich Lina beim Abendessen. Ich blinzle sie an und lächle. Lina setzt nach: «Aber nicht schlimm. Nur ein bisschen.» Abends steht Lina vor ihrem Kleiderschrank. «Mama, ich möchte das türkisfarbene Kleid mit der großen Blume morgen anziehen», ruft sie aus ihrem Zimmer. Im Bad braucht sie nun länger als sonst, denn alles muss perfekt sein. Die Haare schön gebürstet und ein Haarspängchen rein, das Gesicht eingecremt, Lippenpflege nicht vergessen – ein Blick in den Spiegel. Und dann rennt Lina zur Haustüre und kann es kaum erwarten, in die Schule zu gehen.

Ben, Ben, Ben – von morgens bis abends.


«Mama, in meinem Bauch kribbelt es so. Kennst du das auch», fragt mich Lina. «Meinst du, dass es sich so anfühlt, als würden lauter Schmetterlinge im Bauch herumflattern?» Lina lacht. Ihre Augen strahlen. Sie nickt eifrig: «Ja, genau so.» Ich muss schmunzeln und denke mir: Mein Töchterchen wird groß. Sie ist voller Glücksgefühle, Freude und Aufregung. Sie entdeckt sich und die Welt um sie herum ganz neu. Nahezu täglich erzählt sie, was Ben alles gemacht hat und ob er sie angesehen hat. Zuhause sitzt sie in ihrem Zimmer und malt. Viele Bilder. Darauf sind stets Ben und sie zu sehen. Sie lachen sich darauf an, spielen zusammen, in einem Herz stehen ihre beiden Namen. Auf einem anderen Bild hat sich Lina allein gezeichnet mit lauter bunten Schmetterlingen im Bauch und um sie herum. Für ihre beste Freundin Adele malt sie auch ein Bild. Darauf ist Adele mit ihrem Schwarm zu sehen.

Und dann gibt es die Tage, da interessiert sie sich gar nicht für Ben. Dann zählen wieder wie gewohnt nur ihre Freundinnen.

Kommentare

Es sind noch keine Kommentare vorhanden.

Kommentar hinzufügen

0 / 2000

Vielen Dank für Ihren Kommentar. Dieser wird nach Prüfung durch die Administrator:innen freigeschaltet.