Von München über die Alpen nach Venedig

Tina Hoffmann

506 Kilometer zu Fuß oder zuweilen auch mit dem Fahrrad haben die Schüler zurückgelegt, seit sie vor fünf Jahren als Drittklässler von ihrem Schulhaus in Gröbenzell losmarschiert sind. Das Ziel Venedig lag damals noch in weiter Ferne, heute ist es greifbar nah.

»Wir sind sehr froh und stolz, dass wir es so weit geschafft haben«, sagt die Klassenlehrerin, die das Projekt 2014 initiiert hat. Bei insgesamt knapp 600 Kilometern und 12.000 Höhenmetern gibt es zahlreiche Momente, die an die Substanz gehen und Kinder wie Begleiteltern lehren, den »inneren Schweinehund« zu überwinden und die motivierende Wirkung von Teamarbeit zu schätzen. »Die Kinder erfahren, dass man alles schaffen kann, wenn man will und Menschen hat, die einen unterstützen«, fasst Haller-Murr das pädagogische Motiv des Projekts zusammen. Zudem stärkt es die soziale Kompetenz, da sie lernen, aufeinander acht zu geben, umsichtig zu sein und den Schwächeren zu helfen. »Wir arbeiten viel im Sozialen, aber die Alpenüberquerung toppt alles«, sagt die Lehrerin. »Die Kinder erleben, wie Gemeinschaft und Zusammenhalt funktionieren. Es sind keine Rollenspiele, kein Vortrag, alles ist echt. Auch die Natur spielt bei dem Projekt eine große Rolle.« 

Haller-Murr: »Man kann nur schützen, was man liebt. Und um etwas zu lieben, muss man es kennen.« Nicht in den lieblichen Garten, sondern in die Urgewalt der Berge wollte sie die Kinder führen. »Hier kann man die Stellung des Menschen im Ökosystem ganz gut verorten.«

Den schwierigsten Teil der Wanderung haben die Schüler geschafft. Den Alpenhauptkamm hat die Klasse vor zwei Jahren auf der Etappe von Sölden nach Vernagt überquert. Nach den anstrengenden Bergetappen liegen nun die letzten vergleichsweise leichten 90 Kilometer vor ihnen. Diese legen sie im Mai 2020 auf der letzten Etappe von Ponte delle Priula nach Venedig zurück. Dort verbringen sie noch drei Tage gemeinsam, was gleichzeitig die Achtklassfahrt und das Ende ihrer gemeinsamen Zeit mit ihrer Klassenlehrerin ist.

Auch bei den Eltern stieß das Projekt auf Gegenliebe. Als Haller-Murr die Idee der Alpenüberquerung bei einem Elternabend im Jahr 2014 vorstellte, bildete sich ein Kernteam, das die Etappen organisierte, also den Bustransfer hin und zurück, die Übernachtungen, die Versorgung und auch das Vorwandern der Streckenabschnitte. Zwei Elternteile teilen sich die ärztliche Begleitung, ein Vater kümmert sich um die Finanzen, zwei Mütter um Spenden und Öffentlichkeitsarbeit, und ein Vater hat dem Projekt mit dem »Klasse-Bergsteiger«-Logo sogar ein eigenes Gesicht gegeben. Um das Projekt zu finanzieren, hat sich das Organisationsteam eine originelle Idee einfallen lassen: Für jeden Kilometer der Alpenüberquerung hat die Klasse Ansteck-Buttons produziert. Je nach Schwierigkeitsgrad kosten diese unterschiedlich viel: fünf Euro für einen flachen Kilometer, zehn Euro für bergig, 20 Euro für steil und 50 Euro für einen »endsteilen« Kilometer.

Weitere Informationen: www.klasse-bergsteiger.de

Zur Autorin: Tina Hoffmann ist Schülermutter von drei Kindern an der Rudolf-Steiner-Schule Gröbenzell. Sie arbeitet im Öffentlichkeitskreis der Schule und kümmert sich im Organisationsteam der Alpenüberquerung um Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.