10 Jahre Extrakurse

Erziehungskunst | Frau Schram, was hat Sie und Ihre Kolleginnen veranlasst, im Förderbereich etwas zu unternehmen?

Beate Schram | Förderlehrer stehen im Förderbereich einer Schule oft allein da. Der Austausch mit Fachkollegen ist selten möglich und wäre doch so wünschenswert und hilfreich! Denn jedes Kind, das zu uns kommt, bringt neue Fragen mit sich; und unser alltägliches Tun kann dazu führen, dass sich Routine oder auch Fehler einschleichen. Eine fachliche Begegnung als Korrektiv, das Lernen von neuen Übungen oder ein neuer Impuls für die menschenkundliche Grundlage kann dabei sehr wohltuend wirken.

EK | Wie sieht die Situation an den Waldorfschulen aus? Haben Sie den Eindruck, dass aus finanziellen Gründen immer weniger Förderlehrer an Waldorfschulen arbeiten, wo doch der Bedarf eher zunimmt?

BS | Ja, das trifft zweifellos zu. Meiner Meinung nach ist es aber die momentan dringlichste pädagogische Aufgabe, Konzepte für die besonderen Kinder zu entwickeln, die zu uns kommen. Die Einsparungen im Förder- und Therapiebereich holen uns und die Kinder später ein und verhindern, dass rechtzeitig Unterstützung und Nachreifung stattfinden können. Das ist natürlich vorwiegend für die betroffenen Kinder sehr bedauerlich, belastet aber auch die Klassenlehrer oft über ihre Grenzen. Bei geringer Stundenanzahl kann es Sinn machen, dass die Förderlehrerin oder der Förderlehrer sich auf eine Klassenstufe konzentriert und dort möglichst alle Schüler erfasst, die Bedarf haben, und gründlich mit ihnen arbeitet. So kann eine Art Fundament gebildet werden für die weitere Entwicklung.

EK | Wie sind die Förderlehrer an den Waldorfschulen integriert? Gehören Sie zum Kollegium, sind sie festangestellt oder arbeiten sie überwiegend als Externe auf selbstständiger Basis?

BS | Das ist von Schule zu Schule verschieden. Überwiegend sind sie angestellt, jedoch oft mit einem sehr kleinen Deputat im Verhältnis zur Schülerzahl. Wenn an einer doppelzügigen Schule eine Förderlehrerin oder ein Förderlehrer 15 Stunden pro Woche zur Verfügung hat, so ist ihr Wirkungsbereich sehr eingeschränkt und deckt in keiner Weise den vorhandenen Bedarf. Wie der einzelne Förderlehrer integriert ist, hängt meist davon ab, wie er sich positioniert. Wichtig ist dabei die kollegiale Zusammenarbeit. Klassenlehrer wissen oft sehr wenig über die konkrete Förderarbeit und sind dankbar, wenn sie von dort Unterstützung und Anregung bekommen.

EK | Es kommen zu Ihren Fortbildungen immer mehr Klassen- und Fachlehrer. Woran liegt das?

BS | Vermutlich daran, dass es uns ein Anliegen ist, die Zusammenarbeit zwischen Klassen- oder Fachlehrern und dem Förderbereich anzuregen. Die Tendenz, dass uns von den Klassenlehrern immer mehr Kinder zur Einzelförderung übergeben werden, hat, meiner Meinung nach, keine Zukunft; nicht nur aus den genannten finanziellen Gründen. Es ist uns ein Anliegen, dass der lebendige Dialog zwischen Klassen- und Förderlehrern in Zukunft zum Schulalltag gehört.

Dazu ist zunächst eine gemeinsame Sprache notwendig, die in unseren Seminaren langsam entstehen kann und dann im günstigsten Fall zu gemeinsamer Arbeit im Klassenzimmer führt. Die Blickweisen von Klassen- und Förderlehrern sind zunächst konträr. Der Klassenlehrer setzt die Lerninhalte ein, um die Entwicklung des einzelnen Kindes zu impulsieren und zu begleiten. Der Förderlehrer stellt die Frage nach dem Verlauf der allgemeinen kindlichen Entwicklung, die im Idealfall Lernvoraussetzungen schafft. Beide Ansätze können sich mit gegenseitigem Bemühen äußerst fruchtbar ergänzen. Besonders die Zweitklassuntersuchung ist ein gutes Übungsfeld, sich über diese beiden gegensätzlichen Herangehensweisen auszutauschen und zum Wohl des Kindes einzusetzen.

EK | Wie entwickelte sich Ihre Initiative?

BS | Wir wollten einen Rahmen für weiterführende Fortbildungen schaffen. Zunächst fanden zweimal jährlich Treffen zu förderpädagogischen Themen in kleinem Kreis statt. Zwischen den Veranstaltungen waren die Initiatorinnen auf der Suche nach den passenden Inhalten, geeigneten Dozenten und der richtigen Form. Aus diesem ersten Keim wuchs ein zartes, aber widerstandsfähiges Pflänzchen. In den letzten Jahren hat sich eine treue Dozentengruppe zu uns gesellt, sodass das Angebot auf drei Veranstaltungen pro Jahr erweitert werden konnte. Mit wachsender Teilnehmerzahl verlangten unsere Treffen nach einer rechtlichen Form, die auch nach außen wirksam werden konnte. So wurde die Extrakurse GbR gegründet, die von sechs engagierten Förderlehrerinnen ehrenamtlich betrieben wird.

EK | Wie sind die Pläne für die Zukunft?

BS | Mit unserem zehnjährigen Jubiläum ging ein weiterer wichtiger Entwicklungsschritt einher: Wir werden unser bisheriges Nest in Überlingen verlassen. Unsere Seminare werden in Zukunft an der Tübinger Freien Waldorfschule stattfinden. Auch dort wollen wir unser Ziel verfolgen, inhaltlich breit gefächerte, kostengünstige Fortbildungen mit menschenkundlichem Schwerpunkt anzubieten und eine Plattform zu schaffen für gemeinsames Lernen und fachlich-zwischenmenschlichen Austausch. Wir freuen uns darauf, neben unseren treuen Teilnehmern noch viele neue Kollegen dort begrüßen zu können!

Das Gespräch führte Mathias Maurer.

www.extrakurse.de