Arbeit am Wortgewissen

Gabriele Ruhnau

Bereits 2007 während der Tagung des Bundes der Freien Waldorfschulen in Greifswald traf sich eine Gruppe in der Pädagogik tätiger Sprachgestalter. Mit Heinz Zimmermann gemeinsam entstand der Impuls zu einer Arbeitstagung für Lehrer, Sprachgestalter und Theaterpädagogen, die 2009 zu Pfingsten in Witten/Annen stattfand. Mittlere und kleinere Arbeitstreffen folgten in den Jahren 2011 und 2013 in Witten und Wuppertal.

Im Herbst 2013 kam es durch die Initiative von fünf Kollegen zu einer ersten Begegnung zwischen Claus-Peter Röh und Florian Osswald, den Leitern der Pädagogischen Sektion am Goetheanum. Anlass für das Gespräch war einerseits das zunehmende Erleben des Niedergangs der Wortkultur in der Gegenwart und andererseits das Anliegen, erneut den Dialog mit Menschen zu suchen, welchen es besonders für die Pädagogik am Herzen liegt, an die spirituellen Impulse anzuknüpfen, die Rudolf Steiner zur Belebung der Sprachkultur gegeben hat.

Das war der Auftakt für die Kolloquien, die seither im Frühjahr und Herbst unter dem Motto »Pädagogik und Sprache« stattfinden. Zwanzig Menschen aus den Arbeitsfeldern Pädagogik, Therapie, Lehrerbildung und Kunstausbildung für Sprachgestaltung und Dramatische Kunst aus der Schweiz und Deutschland wurden geladen. Eine Kerngruppe von neun Menschen garantiert die Kontinuität. Silke Kollewijn von der Sektion für Redende und Musizierende Künste und Claus-Peter Röh von der Pädagogischen Sektion halten in Dornach die Fäden zusammen.

Das erste Treffen diente einer Standortbestimmung. Viele Fragen kamen auf. Was brauchen die Kinder? Was brauchen die Erwachsenen? Hat der Missbrauch der Kraft des Wortes in der Zeit des Nationalsozialismus das Wort-Gewissen sensibilisiert? Weckt das Erleben von Sprachkraft Angst vor Überwältigung durch fremden Willen? Wo liegen die wirklichen Ursachen für den Abbau der Sprachgestalterstellen in den Waldorfschulen? Hier ist auch ein selbstkritischer Blick auf die eigene Arbeit notwendig.

Kunst braucht Zeit!

Reicht das in den Lehrerbildungen anfänglich Erworbene für die langjährige Berufspraxis, wenn es keine Kollegen an den Schulen mehr gibt, mit denen die Lehrer selbst immer wieder an der Kunstfertigkeit ihres sprachlichen Ausdrucks arbeiten können? – Reichen die Kompetenzen der ausgebildeten Sprachgestalter und Schauspieler, um der Fülle der im Lehrerberuf erforderlichen Fähigkeiten gerecht zu werden?

Es kann sich nicht darum handeln, Sprache oder Sprachgestaltung neu zu erfinden, aber was offensichtlich Not tut, ist ein neuer Blick, ein anderer Umgang mit dem Wort. Wie und wodurch kann es uns gelingen, wahrzunehmen, was in der Gegenwart für die Zukunft notwendig sein könnte? Am Ende des ersten Treffens wurde deutlich, dass es gilt, die Wahrnehmung in Bezug auf alle Wirkungsfelder von Sprache zu schärfen.

Daraus entwickelte sich der Stil der Zusammenarbeit: Unter Anleitung Einzelner wurde geübt, individuell Erlebtes wurde ausgetauscht. Bewegungsübungen, Gebärden­arbeit, Umgang mit ausgewählten Sprachübungen, Arbeit an Texten, Dichtungsübungen, unterschiedlich aufgebaute methodische Wege der Erarbeitung konnten als bereichernd, anregend und vertiefend erlebt werden. Aus diesen Erfahrungen heraus, die viele neue Aspekte erschlossen haben, möchten wir jetzt in einem erweiterten Kolloquium in Austausch mit den Lehrern treten – mit Klassenlehrern, Fachlehrern und Oberstufenlehrern – einfach mit allen Pädagogen!

Das nächste erweiterte Kolloquium findet vom 12.–14. Mai 2017 statt unter dem Titel: »Miteinander voneinander lernen – Menschenkunde und Dichtung«. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.

Kontakt: Claus-Peter Röh, E-Mail: claus-peter.roeh@goetheanum.ch oder Gabriele Ruhnau, E-Mail: gabrieleruhnau@web.de