Der unbewegte Beweger bewegt sich vielleicht doch

Michael Neu

In der Halle des Flughafens gab es ein großes Hallo, als sich die Turnlehrer trafen. Gemeinsam ging es zur U-Bahn und weiter in die Stadt.  Von dort führte sie der Weg zur Rudolf-Steiner-Schule Sao Paulo. Das monatliche Ausbildungswochenende fand statt.

Dieses Mal waren alle durch die Ferien erholt und freuten sich auf die gemeinsame Zeit. Es sollte ein besonderes Wochenende und eine besondere darauffolgende Woche werden. Nicht nur die Ausbildung in Bothmer-Gymnastik ging weiter.

Am Sonntag sollte der alle zwei Jahre stattfindende Bewegungskongress beginnen. Dafür übten sie schon längere Zeit an einer Aufführung.

Die Turnlehrer, die in ihrer Freizeit die Ausbildung in Bothmer-Gymnastik besuchten, wollten zeigen, was sie erlernt hatten. Manche waren sehr stolz darauf, auch aus ihrer Arbeit in ihren Schulen oder der Abendschule in der Favela etwas zu zeigen.

Voller Erwartung trafen sie in der Schule ein.

Die Herren der Security im Wärterhäuschen am Eingang zum Schulgelände wurden freudig begrüßt. Man kannte sich bereits. Der Trupp zog, beladen mit Koffern und Taschen, den Weg zur Turnhalle weiter. Auf halber Strecke trafen sie ihre Dozenten.

Diese saßen unter den strohgedeckten Hütten bei der Vorbereitung zusammen.

Jeder wurde umarmt und mit großem Hallo begrüßt. Dem westlichen Beobachter und Dozenten schwappte eine Welle von Freude, Begeisterung und Herzlichkeit entgegen.

Die Arbeit konnte beginnen. Sie stand vor allem unter dem Motto »Üben und Üben« für die Aufführung.

Manche Übung hatte sich in der Zwischenzeit von Januar bis jetzt verändert und wurde aufs Neue angelegt. Doch die Abfolgen standen und jeder kannte seinen Platz. Sie hatten die letzten Male gut geübt. Das Miteinander in der Bewegung fiel ihnen sehr leicht.

Die zwei Ausbildungstage vergingen sehr schnell.

Dann wurden die Turnlehrer gebraucht, den Congresso di movimento vorzubereiten. Jeder erhielt seine Aufgabe.

Am Sonntag Abend begann die Tagung mit dem Thema: »Menschsein durch Bewegung«.

Die Tagung richtete sich an Musik-, Eurythmie- und Turnlehrer. Jeder Tag wurde mit einem Morgenvortrag zu den Themen Bothmer-Gymnastik, Eurythmie und Musik eingeleitet. Den Abschluss bildete der Schularzt Mauro Fernandes in Zusammenarbeit mit der ehemaligen Musiklehrerin Meca Vargas.

Jeder schaute aus seinem Fachbereich auf das Tagungsthema und schilderte seine Zusammenhänge mit praktischen Beispielen. Am Abend fand dazu eine Aufführung statt.

Nach dem Morgenvortrag gab es die Arbeitsgruppen vormittags und nachmittags.  Eine Arbeitsgruppe fand fachfremd nach dem Mittagessen statt. Die tätigen Lehrer hatten die Möglichkeit, das Fach der Kollegen auszuüben.

Für die Turnlehrer war der Vortrag zur Bothmer-Gymnastik besonders spannend.

Mit dem Ausspruch des Aristoteles, »Gott ist ein unbewegter Beweger, er zieht alles an sich heran«, kommt man an die Urfragen jedes Bewegungslehrers: »Wo ist der Ursprung der Bewegung? Wo ist mein Bewegungsansatz? Worin gründen sich unsere Bewegungsimpulse? Wo wollen wir hin?«

Die Antworten zu diesen Fragen, soweit man von Antworten sprechen kann, wurden im Vortrag entwickelt und mit einigen praktischen Tätigkeiten und eigenen Bewegungserfahrungen der Zuhörer angereichert.

Die Monatsfeier gegen Schluss der Tagung war besonders beeindruckend. Die Schüler kamen am Ende ihrer Ferien freiwillig in die Schule.

Besonders zu erwähnen war die Aufführung der Schüler der Abendschule aus der Favela. Die Jugendlichen, Schüler der 11. Klasse, standen zum ersten Mal auf einer Bühne. Voll konzentriert zeigten sie 15 Minuten lang Oberstufen-Übungen aus der Bothmer-Gymnastik. Die Zuschauer waren begeistert, ihre Turnlehrer, die alles mutig eingeübt hatten, wurden für ihre Mühen sehr belohnt. Der Applaus war frenetisch.

Zum Abschluss der Tagung präsentierte sich jede Arbeitsgruppe: Körperpercussion, Akrobatik und Artistik mit Marielucia Fernandes und Alexander Neu, Kinderspiele, Bothmer-Gymnastik, Musik und Eurythmie.

Die 120 Teilnehmer sammelten viele Eindrücke und Erlebnisse, Begegnungen fanden statt, Adressen wurden ausgetauscht, viele Fotos in die sozialen Netze gestellt. Man möchte in Kontakt bleiben ...

Mit Freude wurde am Ende des Kongresses auf 2017 auf ein Wiedersehen an der Rudolf- Steiner-Schule in Cali, Kolumbien geschaut.

Der Congresso di movimento fand vom 26.-31. Juli 2015 statt.