Die Schule in Sofia

Vessela Elenkova

Wir liebten unsere Erzieherinnen und Doktor Todor, den »Bach­blüten-Therapeuten« des Kindergartens. Wir hatten jeden Monat Elternabende, und versuchten eifrig, das Gelernte und die neuen Einsichten zu Hause umzu­setzen. Wir arbeiteten im Garten, bereiteten Kuchen für Feste zu, halfen bei der Instandhaltung der Räumlichkeiten. In einem posttotalitären osteuro­päischen Land war das eine große Neuigkeit, und es fühlte sich so warm an, so freundlich, so gemeinschaftlich, so ... lohnenswert.

Doch die Kindergartenzeit war schnell vorüber, und wohin sollten wir danach mit den Kindern gehen? Jeder weiß, was für ein wichtiger Abschnitt der Schulanfang und wie entscheidend die Figur des ersten Klassenlehrers ist. Also starteten wir eine Initiative zur Gründung einer Schule. Und wir müssen wirklich sehr enthusiastisch gewesen sein, denn jetzt, wenn ich auf zehn Jahre zurückblicke, frage ich mich, wie wir das geschafft haben. Aber indem ich das schreibe, wird mir klar, ich würde es wieder tun, wenn sich die Chance nochmals böte.

Wir begannen damit, uns regelmäßig zu treffen und Pläne zu schmieden. Wir führten Gespräche mit dem Bildungsministerium. Wir machten uns auf die Suche nach einem geeigneten Gebäude. Eine Lehrergruppe wurde gegründet, um an einem Waldorflehrplan zu arbeiten – der damals noch ganz anders aussah als der nationale. Sogar eine Fortbildungswoche wurde organisiert, mit Jan Net aus den Niederlanden. Er hatte den ersten zwölfwöchigen Einführungskurs in Waldorfpädagogik gegeben, aus dem der erste Waldorfkindergarten in Bulgarien hervorging, der uns einst zusammenbrachte ...

Doch kurz vor Beginn des Schuljahres spaltete sich die Initiative, und wir standen vor der ersten großen Krisenentscheidung: Sollten wir inoffiziell beginnen, um unseren Kindern eine Waldorfschule zu ermöglichen? Oder sollten wir sie in eine staatliche Einrichtung schicken und uns darauf konzentrieren, einen inspirierenden Lehrer zu finden? Was war das wirkliche Bedürfnis der Kinder? Und was diente dem Gemeinwohl? Sollten wir unseren eigenen Interessen nachgehen, oder sollten wir uns für die Stärkung des Vertrauens in unsere staatlichen Institutionen einsetzen, indem wir uns an die Gesetze hielten und versuchten, eine »echte Waldorfschule« zu schaffen? Bis heute kenne ich die Antwort nicht, aber die Mehrheit entschied sich für die zweite Option. Ja, wir fanden eine sehr inspirierende Lehrerin, Nelly Andonova, sie liebte unsere Sache und begann uns zu helfen.

Wir begannen zu arbeiten. Es ist wirklich seltsam, das heute so zu sagen, denn unsere Arbeit bestand darin, dass wir uns einmal pro Woche trafen und diskutierten (und Träume teilten), was wir tun könnten, wie wir unser Vorhaben finanzieren könnten und wie wir Unterstützer für unsere Sache gewinnen könnten – Eltern und Lehrer, die bereit waren, sich zu engagieren. Drei Waldorfmütter arbeiteten hart daran, alle notwendigen Papiere zu beschaffen, und der Rest – zu diesem Zeitpunkt waren wir gerade mal sechs Personen – half mit dem, was er konnte. Wir hatten nicht das Geld, aber wir hatten die Energie, die Zeit und die Bereitschaft, etwas zu tun. Wir waren einer Meinung. Und wir hatten die Sympathien des Kindergartens »Goldenes Korn« und der Anthroposophischen Gesellschaft Bulgariens. Wir mieteten einen Raum im genannten Kindergarten und ließen ihn so herrichten, dass er den staatlichen Anforderungen an eine Schuleinrichtung entsprach. Wir luden Christoph Johannsen von der Internationalen Assoziation Osteuropäischer Initiativen (IAO) ein, um uns bei der Organisation von Unterricht und Verwaltung zu unterstützen. Mit der großzügigen Hilfe der Software AG hatten wir unsere Miniatur-Ein-Raum-Schule für das erste Schuljahr fertig, die mit drei Schülern beginnen sollte, zwei in der ersten und einer in der zweiten Klasse.

Einige Leute gingen, neue Leute kamen. Eine Schule zu leiten, ist nicht so einfach, wie es scheint, und all die Entscheidungen, die getroffen, all die Bedürfnisse, die erfüllt werden mussten, stellten Ausdauer und Einfallsreichtum ständig auf die Probe. Und doch erinnern sich die wenigen Eltern noch an die heiligen Momente, die sie ganz am Anfang teilten, die Kämpfe, die längst vergessen sind. Im Jahr 2012 beschlossen die Schule und der Kindergarten »Goldenes Korn«, gemeinsam in die Stadt zu ziehen. Eine massive Kampagne wurde organisiert, um genügend neue Familien anzulocken, damit die Miete in einem wunderbaren Haus in einer ruhigen Wohngegend in der Nähe des Zentrums bezahlt werden konnte. Alle notwendigen Papiere waren vorhanden (Papiere sind in einem postkommunistischen Staat wie dem unseren ein besonderes Stichwort). Alles schien sich reibungslos zu entwickeln ... bis zu dem Tag, an dem die Schule und der Kindergarten in einen großen Zwist gerieten – und ihren Konflikt nicht lösen konnten. Es dauerte Jahre, bis er behoben war, und erst 2015 begannen die beiden Einrichtungen wieder zusammenzuarbeiten.

Die Schule gründete nach dem Bruch mit dem »Goldenen Korn« einen eigenen Kindergarten. Es war schwierig, Rollen und Verantwortlichkeiten festzulegen, schwierig, Lehrer zu finden, schwierig, Regeln aufzustellen. Eine Schulgemeinschaft aufzubauen, ist ein enormer Aufwand. Geld war nie genug da, es war nicht einfach. Dann, im Jahr 2016, wurde in Bulgarien ein neues Bildungsgesetz verabschiedet, und die Waldorfschule fand sich in einer neuen Position wieder: Sie wurde plötzlich als neue Hoffnung gesehen, als Trägerin einer gesunden und effektiven pädagogischen Tradition, als wertvoller Beitrag zum staatlichen Bildungssystem, als Drehscheibe für Kultur und Kreativität ... Nach einem solchen Ideal strebt das Team, wohl wissend, dass es nicht so einfach ist, wie man sich ein Ideal vorstellt. Wir organisierten einen neuen Kurs für Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen. Im Jahr 2019 zog die Schule dann in ein größeres Gebäude um. Die Zahl der Kinder wuchs auf 100, es wurden Kunstnachmittage für Kinder aus allen Schulen der Stadt eingerichtet. Ab 2021 erhält die Schule staatliche Mittel und ist nun eine voll funktionsfähige Einrichtung, die immer noch mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat – den Schwierigkeiten von heute, die wachsen.

Teil der weltweiten Waldorf-Familie zu sein, ist jedenfalls eine besondere Erfahrung.

P.S. Die Waldorfschule Sofia ist noch immer auf der Suche nach einer Partnerschule und freut sich über jeden Kontakt.

Zur Autorin: Vessela Elenkova ist Mitgründerin des ersten Waldorfkindergartens in Sofia und der Waldorfschule Sofia, arbeitete in der Administration der Schule und war als Fachlehrerin für Bulgarisch und Englisch und freie Literaturübersetzerin tätig.