Go for humans, not robots. Erziehungskunst als Zukunftsaufgabe Europas

Ellen Niemann

Etwa 170 Teilnehmer fanden sich im Royal Flemish Theatre zum Thema »The Art of Education – empowering our children to shape their future« ein.

In seiner Eröffnungsrede betonte ECSWE-Präsident Richard Landl, dass es unsere Aufgabe sei, den Zukunftsimpulsen der nächsten Generation Raum zu geben. Der ganzheitliche Ansatz in der Pädagogik sei die maßgebende Perspektive für eine Bildung, die die Impulse der neuen Generation auffangen und ernst nehmen will.

Aus den Niederlanden war Gert Biesta mit dem Vortrag »Trying to be at home in the world« zu Gast. Der Autor des Buches The Beautiful Risk of Education (2014) stellte die Bildungsfrage zunächst in den Kontext der jeweiligen Zeit: Von der Suche nach Perfektion im alten Griechenland über die Ausbildung einer allgemeinen Lesefähigkeit bis zum Recht auf Bildung. Heute, in Zeiten von PISA und Leistungswettbewerb, sollten wir erneut fragen, was Bildung für uns sein soll. Wir müssten, so Biesta, aus unserer eigenen Identität heraus lernen und dürften uns nicht zum Objekt politischer oder wirtschaftlicher Interessen machen lassen. Die Bildungsfrage heute sei die Frage nach dem Ich. Die Ausbildung des Ich als Beeinflusser der Umwelt sei der entscheidende Faktor für eine gesunde Entwicklung im Weltgeschehen. Wie sehr wir uns dagegen von außen beeinflussen lassen, zeige der Eingriff der Wirtschaft in unsere Bedürfnisse. Biesta sprach vom »age of instant gratification«, der Befriedigung von Wünschen, die nicht unseren wirklichen Bedürfnissen entsprechen. Wie können wir erkennen, was wir wirklich brauchen? Um uns mit dieser Frage zu beschäftigen, müssen wir den Mut haben, Räume zu schaffen und Zeit freizusetzen. Es sei an den Schulen, sich dieser Herausforderung anzunehmen.

Im anschließenden Podium diskutierten Teilnehmer aus Finnland, der Schweiz, Schottland und Großbritannien darüber, wie Bildung zukünftig aussehen könnte. Am Beispiel der Bildungsreform in Finnland stellte Irmeli Halinen dar, wie das Lernen durch Einbeziehung von Umweltfragen und Nachhaltigkeit sowie fächerübergreifendes Lernen wieder sinnvoll werden kann. Dazu gehöre auch der Respekt vor der Einzigartigkeit jedes Schülers. In diesem Punkt sei viel von den Waldorfschulen zu lernen. Peter Gallin aus der Schweiz hob hier das Prinzip des Dialogischen Lernens hervor: weg vom Blick auf Defizite, hin zum Entwicklungsweg.

Europa im Blick

Einem Austausch in Arbeitsgruppen folgte ein Feedback von ehemaligen Waldorfschülern, die an den Diskussionen teilgenommen hatten. Ihre Forderung: Gebt uns ein Mitgestaltungsrecht und die Möglichkeit, das Lernen so zu lernen, dass jeder sich gesehen und wertgeschätzt fühlt. Auch beim Thema Medienkompetenz zeigten sie Haltung: »Go for humans, not robots«.

Das »Policy Panel« mit Michael Teutsch, Referatsleiter aus der Generaldirektion Bildung der Europäischen Kommission, Arjana BlaŽic´ aus dem Bildungsministerium in Kroatien sowie Julie Ward, Mitglied des EU-Komitees Kultur und Bildung zeigte: Der Weg zu einem wirklich freien Bildungswesen ist noch weit und eine Abkehr von normierter Leistungsbeurteilung wird noch Zeit und Überzeugungskraft brauchen.

Der European Council for Steiner Waldorf Education (ECSWE) ist der Zusammenschluss von Waldorfschul-Verbänden aus 26 Europäischen Ländern und repräsentiert 775 Waldorfschulen. Mit einer offiziellen Vertretung in Brüssel zeigt der ECSWE Präsenz und Aktivität auf der Ebene der Europäischen Bildungspolitik. Die Organisation setzt sich vorrangig für ein freies Schulwesen ein, eine Vollfinanzierung freier Schulen durch die öffentliche Hand, entwicklungsgemäße Medienpädagogik und eine alternative, nicht-standardisierte Leistungsbeurteilung.