Schultheater

Hinterm Rampenlicht

Tina Hoffmann
Ulrike Werner

Es ist der letzte Schultag vor den bayerischen Sommerferien. Auf dem Schulgelände herrscht kontrollierte Festivalstimmung: Klassen sitzen kohortenweise auf Bänken und Picknickdecken zusammen, Lehrer:innen fächeln sich Luft ins Gesicht und auf einer kleinen Anhöhe geht die moderierende Kollegin in Position. Coronabedingt findet die traditionelle Ferienverabschiedung im Freien statt. Das stellt alle Akteure vor Herausforderungen, denn die Akustik unter freiem Himmel ist nicht besonders gut. Heute aber ist es kein Problem. Ein kurzes Nicken in Richtung eines kleinen, weißen Pavillons, und schon kann die versammelte Schulgemeinschaft die Lehrerin über aufgestellte Lautsprecherboxen gut verstehen. Unter dem Pavillon sitzen zwei Mitglieder des Bühnen- und Beleuchterteams und steuern über ein Mischpult Mikrofone und Lautstärke. Die Szenerie ist nur ein Beispiel für viele Veranstaltungen, die ohne das Zutun des Bühnen- und Beleuchterteams der Schule deutlich schwieriger oder gar nicht zu realisieren wären. In Zeiten von Corona war das Team besonders gefordert. So wurden das Theaterstück und die Präsentation der Jahresarbeiten der zwölften Klasse sowie der Eurythmie- und Musikabschluss live von der Bühne in die Wohnzimmer der Schulgemeinschaft gestreamt. »Das war auch für uns neu«, berichtet Matthias Obermüller, der bis zum letzten Jahr im Bühnen- und Beleuchterteam gearbeitet hat. Nun ist er in der 13. Klasse und bereitet sich auf das Abitur vor. »Bis zur Pandemie haben wir noch nie mit Videokameras gearbeitet«, erzählt er. »Auch Ton kommt selten zum Einsatz, denn schließlich soll an der Schule so wenig wie möglich aus der Konserve kommen.« Während Corona war das nicht immer zu halten. Für das Live-Streaming des Zwölftklassstücks waren vier Kameras im Einsatz. Zwei Schüler:innen bedienten zwei stationäre Kameras im Saal, zwei weitere waren mit beweglichen Kameras am Bühnenrand im Einsatz. Die Bildregie im Technikraum hinter der Bühne empfing vier Live-Bilder und schnitt zwischen den Perspektiven hin und her. »Für die Zuschauer zu Hause am Bildschirm ergab sich dadurch ein sehr lebendiger und professioneller Eindruck«, berichtet ein Vater aus der Klasse. »Man fühlte sich wie mitten im Geschehen.« Damit auch der Ton stimmte, hatten die Schüler unzählige fein abgestimmte Mikrofone vor der Bühne, an der Decke, in den Seitengassen und über den Nebenbühnen installiert. Die Mikrofone, Musik und Soundeffekte steuerte ebenfalls das Bühnenteam. Auch die Streamingtechnik hatten die Schüler im Griff. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Arbeit des Bühnen- und Beleuchterteams ist – wie der Name schon sagt – die Lichtinszenierung auf der Bühne bzw. im Saal. »Am meisten Spaß macht es, wenn wir selbst künstlerisch tätig werden können«, sagt Jakob Schloßbauer, ebenfalls Abiturient und bis letztes Jahr festes Mitglied im Beleuchterteam. »Wir verstärken das, was auf der Bühne passiert, zum Beispiel durch die Richtung des Lichts, die Farbe und die Intensität.« Sobald der Ablauf einer Vorführung steht, überlegt das Team zusammen mit den Akteuren, welche Lichtstimmung für jede Szene passend ist. Für manche Szenen sind sogar mehrere Lichtstimmungen notwendig. Einmal festgelegt, wird jede Lichtszene gespeichert. So entsteht Szene für Szene ein komplettes Lichtkonzept. Während der Aufführung selbst kommt bei den Beleuchtern aber kein Lampenfieber auf. »Wir haben ja alles vorbereitet«, sagt Matthias Obermüller. Aufmerksamkeit ist dennoch gefordert. Für die Lichtinszenierung beim Eurythmieabschluss braucht es zum Beispiel Beleuchter, die Noten lesen können. »Einer liest die Partitur mit, während der andere zum richtigen Zeitpunkt die nächste Lichtstimmung einsteuert«, verrät Matthias. Bevor auf der Bühne aber überhaupt das Licht angehen kann, muss aufgebaut werden. Über Klettergurte gesichert montieren die Schüler bis zu 32 Kilogramm schwere Scheinwerfer an der Empore oder an Traversen über der Bühne. Sicherheit spielt hier eine wichtige Rolle, deshalb finden regelmäßig Sicherheitsschulungen statt. Auch die technische Ausrüstung wird einmal im Jahr geprüft. »So geben es die Vorschriften zur Unfallverhütung vor«, sagt Jakob Schloßbauer und ergänzt: »Insgesamt gibt es viele Regeln zu beachten.« Vermittelt werden sie in den sogenannten SAUP-Schulungen für »Sachkundige Aufsichtspersonen«.

Die Schüler:innen investieren viel Zeit und Engagement in die Bühnen- und Beleuchterarbeit. Auch an Abenden oder Wochenenden trifft man sie häufig in der Schule, denn neben den schulischen Events setzen sie auch andere Veranstaltungen ins rechte Licht, zum Beispiel die Konzertreihe der Heimatgemeinde Gröbenzell. Sie nutzt gerne den Schulsaal und das technische Knowhow der Schüler. Mitglieder des Bühnen- und Beleuchterteams treffen sich vorab mit den Künstlern, besprechen ihre Wünsche und sind dann auch während der Konzerte im Einsatz. »Die vielen Aufführungen auf unserer Bühne wären ohne das Können der Schüler, das meines inzwischen weit überschreitet, nicht möglich«, stellt Reinhard Penzel, Eurythmielehrer und SAUP-Betreuer fest: »Meinem Eindruck nach kommen die drei bis vier Jahre, in denen die Schüler sich intensiv mit Veranstaltungstechnik beschäftigen und von den älteren Schülern eingelernt werden, fast einer Ausbildung gleich.« An der Gröbenzeller Schule kommen einige günstige Faktoren zusammen. Detlef Ludwig, Geschäftsführer des Waldorfschulvereins Gröbenzell, bemerkt dazu: »Eine sehr stabile Schülergruppe gibt ihr Wissen an die jeweils Jüngeren weiter. Das funktioniert völlig selbstständig, Generation für Generation. Aufgrund guter Beziehungen in der Elternschaft zu einem Veranstaltungstechnikunternehmen müssen unsere Schüler auch nicht bis zur Generalprobe warten, um Scheinwerfer und andere Ausrüstung auszuleihen. Sie können von Beginn an mit dem Profiequipment arbeiten.« Und was sagen die Schüler? »Als Mitglied im Bühnen- und Beleuchterteam lernt man, Verantwortung zu übernehmen und effektiv mit anderen zusammenzuarbeiten. Das kann man auch nach der Schule überall gebrauchen«, so Jakob Schloßbauer.

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