Leuchtturm in Asien. Waldorfpädagogen treffen sich in Emeishan/China

Petra Eimermacher

Ich nahm erstmals als Tutorin für Englisch in der Mittelstufe an dieser Konferenz teil und bin immer noch überwältigt von diesem Leuchtturm der Waldorfpädagogik.

Fast 900 Menschen – vor allem aus den asiatischen Ländern – waren bei frühsommerlichem Wetter  zusammengekommen, um gemeinsam zum Thema »Cultural Identity and Individualization in Educational Practice« zu arbeiten. Nana Goebel von den »Freunden der Erziehungskunst« und Li Zhang von der Waldorfschule Chengdu hatten dieses Treffen über ein Jahr lang genauestens vorbereitet. So erlebten wir eine perfekte Organisation – und die betraf sämtliche pädagogische Arbeitsfelder, die Verwaltung und das Management des am Flüsschen im Grünen gelegenen staatlichen Hotels.

Nach dem morgendlichen Tai Chi und dem gemeinsamen Singen mit Philipp Reubke von der Internationalen Kindergartenvereinigung gehörte die Bühne neunzig Minuten Christof Wiechert, ehemaliger Leiter der Pädagogischen Sektion am Goetheanum. Seine Vorträge begann er regelmäßig mit einer Begrüßung in chinesischer Sprache – den niederländischen Akzent nicht verbergend – zur großen Erheiterung unserer chinesischen Gastgeber. Seine Ausführungen zur kindlichen Entwicklung waren voller Schilderungen berührender und lustiger Erlebnisse aus seiner beruflichen Tätigkeit als Lehrer. Wiechert zeichnete einen Weg auf, wie anspruchsvolle Waldorfarbeit realisiert werden kann: Er appellierte an die gemeinsame Verantwortung einerseits und an die klare Aufgabe eines jeden Einzelnen und ermutigte, Brücken zur Umwelt und anderen Lehrmethoden zu bauen und unseren Überzeugungen im Spiegel der geistigen Welt treu zu bleiben. Mit seinem Vortragszyklus rundete er seine vierzehnjährige Aufbauarbeit für die asiatische Waldorfbewegung ab.

In 55 Workshops wurde Grundlegendes und Fachspezifisches aus der Kindergarten- und Schulzeit angeboten. Jedem Tutor stand ein Übersetzer oder ein Assistent zur Seite, so dass die Seminararbeit reibungslos ablaufen konnte.

Alle arbeiteten ehrenamtlich, doch uns wurde ein unbezahlbarer Schatz zuteil: Mit welcher Aufgeschlossenheit, mit welchem tiefen Interesse, mit welcher Freude und Dankbarkeit wurde zusammengearbeitet! Wie viele wunderbare Begegnungen und Gespräche bereicherten unseren Aufenthalt! In einem Bienenkorb kann es nicht bewegter zugehen!

Die Foren am späten Nachmittag und die folgenden bunten kulturellen Darbietungen aus den verschiedensten asiatischen Kulturbereichen gewährten uns einen Blick über den »Gartenzaun«. Wie flink sprangen die Thai über die wogenden Bambusstöcke, wie geschmeidig bewegten sich die Malaysier zu den Rhythmen ihrer Trommelschläge!

In den Diskussionsrunden zeigte Nana Goebel, wie viele englische »Dialekte« sie versteht! Das Mikrophon wurde blitzschnell hin und her gereicht. War das gerade Englisch? Oder Indisch? Oder Thai? Sie verstand, klärte und fasste das Gesagte mit viele Sympathie für unsere Gastgeber und Humor zusammen. Ihre unermüdliche Energie und Klarheit, ihre Freude über die fröhlich-fruchtbare Zusammenkunft waren beeindruckend.

Ein besonderes Dankeschön gebührt auch den Gestaltern des Begrüßungs- und Abendprogramms. Wir freuten uns über Gesang und Eurythmie, über ein wunderbares Flötenkonzert, die großartigen Theaterdarbietungen der »Beijing Opera« und »Der gute Mensch von Sezuan« der Schüler von Chengdu – chinesischer Perfektionismus!

Herausragend die Arbeit des Musikpädagogen von Zhuhai, eines taiwanesischen Dirigenten, der sich zu einer Mitarbeit in der Chuntong Schule entschlossen hat, weil dort, wie er ausführte, den Kindern ihre Unschuld nicht geraubt wird.

Es war beeindruckend, mit welchem Feingefühl und welcher Liebe dieser Dirigent mit den 10- bis 14-jährigen Schülern des Streichorchesters arbeitete. Auszüge aus den »Vier Jahreszeiten« von Vivaldi und aus Bizets »Carmen« bildeten den krönenden Abschluss an jenem Abend. AWTC in Chengdu 2017 – ein unvergessliches Erlebnis!