Mehr als nur ein warmes Klassenzimmer – wie Nachhaltigkeit erfahrbar wird

Gisela Mücke

Braucht eine Schule eine neue Heizung, sind der Hausmeister und der Vorstand gefragt. Sie rechnen und vergleichen und nach Möglichkeit sparen sie. Sie schauen in die Zukunft, um die Verfügbarkeit der Brennstoffe abzuschätzen. Und natürlich soll es auch irgendwie »ökologisch« sein oder mit einem schönen, erstaunlich deutschen Wort: »nachhaltig«.

Nachhaltig heizen – kann das eine Schule? Ist die »weiße Energie« aus Wind und Sonne für eine Schule, die das Geld der Eltern verbaut, noch zu teuer und wird die schwarze Energie aus Kohle, Öl und Gas oder die pechschwarze Kernenergie abgelehnt, fällt der Blick auf die »Graue Energie«. Dazu zählt das Heizen mit Holz oder Holzprodukten. Es ist CO2-neutral, erzeugt also in etwa so viel CO2, wie der Baum der Luft zum Wachsen entnommen hat. Man nutzt die Sonnenenergie, die der Baum zeitlebens durch Photosynthese eingefangen hat. Mehrere große Schulgebäude durch Brennholzscheite zu heizen, verbietet sich auf Grund des Personalaufwandes von selbst. Bleibt das Heizen mit Holzpellets oder Hackschnitzeln. Pellets werden aus Sägemehl gepresst, ein Vorgang, der zusätzlich Energie verschlingt. Hackschnitzel kommen direkt aus dem Wald, wo sie mit mobilen Häckslern aus Ast- oder Totholz gewonnen werden.

Ein pädagogisches Großprojekt entsteht

Unsere Schule ist von ihrer Lage her privilegiert: Auf dem Lande gelegen, mitten in einem Landschaftsschutzgebiet, von Wäldern, Feldern und Weiden umgeben. Da lag es nahe, sich für eine Hackschnitzelheizung zu entscheiden. Kurze Transportwege des Brennstoffs, regionale Anbieter sowie eine mittlerweile erprobte Heiztechnik – unter diesen Umständen versprachen die 300.000 Euro eine sichere Investition in die Zukunft zu sein.

War aus diesen günstigen Rahmenbedingungen nicht noch mehr zu machen? Die Schule ist in erster Linie ein Lernort. Ließe sich an einer solchen neuen Heizung nicht ein Kristallisationspunkt finden, um den sich für alle Jahrgangs­stufen Lerninhalte und Erlebnisse gruppieren könnten? Kurz: Könnten nicht Herz, Kopf und Hand vom Thema »Heizung« oder besser »Nachhaltigkeit« ergriffen werden? In der Unterstufe geht es im projektbezogenen Unterricht vor allem darum, die Natur zu erleben. Das Erleben der Natur, der Jahreszeiten, das Staunen und Entdecken bilden den Kern der projektbezogenen Unterrichtsthemen. In der Mittelstufe sind wir tatkräftig und engagieren uns für den Natur- und Umweltschutz. In der Oberstufe durchdringen wir gedanklich die Zusammenhänge, berurteilen Sachverhalte und forschen, bis hin zum Auswerten von Messer­gebnissen.

Die »Bundesstiftung Umwelt« steigt mit ein

Die Eltern halfen kräftig mit, unser großes Projekt »erfahrbare Nachhaltigkeit« auf den Weg zu bringen. Als dann noch die »Deutsche Bundesstiftung Umwelt« (DBU) dieses Bildungsprojekt für förderungswürdig befand, gab es keine Hindernisse mehr, es auch in die Tat umzusetzen. Viele Kollegen waren zunächst skeptisch. Auf den ersten Konferenzen zu diesem Thema waren zurückhaltende Kommentare zu hören. Unsere DBU-Betreuerin machte uns jedoch schnell klar, dass das Projekt »Heizung« tatsächlich nur der Kristallisationskern war, um den sich die verschiedenen Themen zur Nachhaltigkeit gruppierten.

Inhaltlich entpuppte sich das Thema »Heizung« als idealer Kreuzungspunkt der Themen Wärme und Holz. Immer mehr Aktivitäten entwickelten sich in diesen Kontexten. So entstand auf dem Schulgelände ein umfangreicher Baumlehrpfad, mit etwa 50 Bäumen und ausführlichen Begleittexten.

Dieser ist Teil eines öffentlichen Wanderweges, der über unseren Schulhof führt. Auf diese Weise wird nicht nur die Elternschaft und der Schulumkreis einbezogen, sondern auch die weitere Öffentlichkeit. Genau das ist eine weitere tragende Säule des Projekts: Der Nachhaltigkeitsgedanke soll ausstrahlen. Zu diesem Zweck haben wir auch eine Website eingerichtet, auf der interessierte Menschen alle Informationen rund um unser Bildungsprojekt ein­sehen können.

Waldbauern und Förster sind nachhaltig dabei

Zwei Gruppen, die nicht zur Schule gehören, sind fest in das Projekt integriert. Zum einen die örtlichen Waldbauern: Einer von ihnen liefert uns vertraglich geregelt Hackschnitzel. Ein Kooperationsvertrag mit der Gemeinschaft der Waldbauern beschreibt das gemeinsame primäre Ziel nach- ­haltiger Waldpflege und sichert die langfristige partnerschaftliche Zusammenarbeit. In den Verträgen ist festgehalten, dass sich der Preis nicht am Heizöl, sondern an der Kostendeckung orientiert.

In der Heizperiode muss unser Hackschnitzelsilo ein- bis dreimal wöchentlich aufgefüllt werden. Trotz dieser arbeitsintensiven Versorgung, ist für uns das Heizen mit Holz billig. Die Schule zahlt pro Jahr rund 10.000 Euro weniger, als wenn sie mit Öl heizen würde. Die Forstwirte sind auch in den Bildungsteil des Projektes einbezogen. Bei Waldeinsätzen der Schüler stehen sie für Fragen zur Verfügung, während diese ihre Flächen aufforsten. Der Lieferant beteiligt sich an Heizungs-Demonstrationen, indem er einlädt, seine Trocknungsflächen zu besichtigen, den Besuchern Rede und Antwort steht und auch mal seinen Häcksler vorführt. Unser guter Kontakt zu den Forstwirten ist auch deshalb besonders erfreulich, weil unsere Schule – einmalig für eine Waldorfschule – vor vierzig Jahren aus der Bauernschaft heraus gegründet wurde: Diese wollte ihre einzügige Dorfschule behalten, die geschlossen werden sollte. Aus diesem Impuls ist im Lauf der Jahrzehnte eine zweizügige Waldorfschule mit mehr als 500 Schülern erwachsen, die als unmittelbarer Hackschnitzelabnehmer ein wenig an Wirtschaftskraft zurückgeben kann.

Lokal handeln, global wirken

Die zweite Gruppe, die durch das Projekt mit der Schule verbunden ist, besteht aus den Heizungstechnikern und Ofenbauern der Handwerkskammer Osnabrück/Emsland, denen unsere Heizung als Anschauungsobjekt dient.

Sie können sich in einem kleinen Unterrichtsraum direkt an der Anlage jederzeit unabhängig vom Schulbetrieb aus­tauschen. Auch kleine Ausstellungen und Messauswertungen sind möglich. Schon zweimal haben hier Meisterschüler mit unseren Oberstufenschülern über Fragen der Berufswahl gesprochen. Mit unserem Bildungsprojekt bewerben wir uns an Ausschreibungen wie der UN-Dekade zur Nachhaltigkeit oder dem Focus-Projekt »Grüne Schule«. Außerdem sind wir Mitglied im Verband der Regionalbewegung und werden in diesem Rahmen einen jährlichen Aktionstag zur Nachhaltigkeit anbieten.

Vor unserem großen Saal ist die schwere, 200 Jahre alte Baumscheibe einer Eiche befestigt. Die Schüler haben auf den Jahresringen die Erfindungen der letzten 200 Jahre markiert. Diese belasten alle irgendwie unseren Planeten durch Abgase oder Strahlen, durch Abfall oder Giftstoffe. Unsere Heizung wird für unsere Schüler ein Exempel für das Bemühen, diese Belastungen möglichst gering zu halten, ein erfahrbares Beispiel für Nachhaltigkeit. Allein deshalb lohnt sich der Aufwand.

Links:
www.erfahrbare-nachhaltigkeit.de
www.dbu.de
Freie Waldorfschule Evinghausen