Miteinander arbeiten – voneinander lernen

Thomas Verbeck

1994: »Miteinander arbeiten –  voneinander lernen«, zwei junge Menschen, die gerade eben erst ihre gemeinsame Zeit am Lehrerseminar abgeschlossen und den Beruf des Waldorflehrers ergriffen haben, prägen dieses Motto. Eigentlich erfunden haben sie es nicht, es kommt ihnen als Idee zugeflogen. Es ist ihrem jugendlichen Elan, ihrem Willen und ihrer Unbeirrtheit zu verdanken, dass sie sich nicht mit einem »Eigentlich sollte man vielleicht …« aufgehalten haben. Sie haben auch vermutlich niemanden gefragt, weder um Rat noch um Erlaubnis. Sie haben gemacht. Einfach so. 

»Miteinander arbeiten – voneinander lernen« könnte heute der Slogan für ein topmodernes und mit Sicherheit teures Schulberatungskonzept lauten. Viele Stichworte fallen einem direkt dazu ein: Kollegiumsbildung, Einarbeitung neuer Lehrer, soziales Miteinander, offenes Lernen … aber auch: Vertrauen, Mut, Liebe …

Bedarf und Bedürfnislage sind gleichermaßen vielfältig und undifferenziert.

Unsere beiden jungen Freunde hatten das heimelige Seminarbett, in dem sich gut gemeinschaftlich träumen lässt, getauscht mit dem, was Lehrersein ausmacht.

»Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen.« Dieser von Rudolf Steiner formulierte Extrakt war wohl eines ihrer  Grundmotive. Genauso muss die Einsicht angenommen werden, dass die Arbeit als tätige Lehrer wohl mehr verlangte, als in Einsamkeit das pädagogische Alltagsgeschäft zu bestreiten. Sie suchten den Austausch, die Anregung, die Inspiration … und hatten die Initiative.

Aus dieser vielleicht spontanen und lockeren Verabredung »wir sollten immer mal wieder miteinander arbeiten und voneinander lernen« hat sich eine sehr produktive Arbeitsform entwickelt, die seit nunmehr 25 Jahren immer wieder neu entsteht, aus Initiative und Engagement. Eigentlich funktioniert so eine selbstverwaltete Schule. Es gibt lediglich ein paar Delegationen für Organisation und Küche.

Eckpunkte der Veranstaltung sind gemeinschaftliche Materialbeschaffung (Marmor aus dem Flussbett) und Einrichten des Arbeitsplatzes (Grillplatz an der Maggia) am Sonntag sowie Verladen der Steine und Aufräumen des Platzes am darauffolgenden Freitag. Die tägliche individuelle Arbeit bekommt – abgesehen von der Sonne und ihrem begrenzten Lauf zwischen den Bergkämmen – kein äußeres Impulssignal. Unterbrochen wird sie durch gemeinsame Betrachtungen, durch eine gemeinschaftliche Mittagsmahlzeit und durch spontane Gespräche. Man könnte auch sagen: der lernende Lehrer wird »ganzheitlich« in seinem Denken, Fühlen und Wollen angesprochen. Kraftvolles »Hauen« und stilles, kommentierendes Betrachten wechseln einander ab. Wichtig dabei: die Pausen. Dann entstehen die Fragen.

Nebenbei auf Basis der gemachten Erfahrungen kristallisiert sich Bewusstsein heraus. Dem gemeinschaftlichen Austausch über pädagogische Fragestellungen sind zwei Abende gewidmet, nachdem das leckere Essen verzehrt, das Geschirr gespült und die Küche aufgeräumt ist.

Der Teilnehmerkreis wandelt sich von Jahr zu Jahr: es kommen Lehrerinnen und Lehrer, manche immer wieder, manche einmalig, künstlerisch Schaffende und immer wieder interessierte Gäste auf dem Weg zur und in die Waldorfpädagogik. Ausdrücklich eingeladen sind jedoch Studenten der Freien Hochschulen und Ausbildungsstätten. Sie sind die zukünftigen Lehrer. Sie werden die Impulse setzen für die Zukunft des handwerklich-künstlerischen Unterrichts an Waldorfschulen. Nebenbei bemerkt, führt das Steinbildhauen während der seminaristischen Ausbildung ein manchmal kümmerliches Dasein und droht leicht in der Vergessenheit zu verschwinden.

Die beiden ehemaligen Studenten des Stuttgarter Lehrerseminars Georg Steng (†) und Hans Hietel hatten seinerzeit die Idee. Wir entwickeln und tragen den Impuls weiter. Einfach so.

Lassen Sie sich begeistern.

Kontakt: Hans Hietel, Werklehrer am Parzival-Schulzentrum in Karlsruhe. Informationen und Anmeldung: h.hietel@gmx.at

Termin: 5.–12.10.2019. Fortbildungsbroschüre des Bundes der Freien Waldorfschulen. Haus: www.casaantica.ch | Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=W_-igRsgdxw&t=3s