Muss der Berufsanfang zur Krise werden?

Gabriele Hohlmann

Waldorfeltern investieren über ihren Schulbeitrag viel Geld in die Lehrerbildung. Die intensive Ausbildung scheint neue Kollegen aber nicht davon abzuhalten, den Waldorflehrerberuf frühzeitig wieder aufzugeben. Hinzu kommt, dass aufgrund des akuten Lehrermangels viele neue Kollegen eingestellt werden müssen, die gar keine Waldorfausbildung haben. Die Berufsanfänger stehen mitunter vor Anforderungen, die selbst erfahrene Kollegen ins Wanken brächten: ein Werklehrer muss zum Beispiel ohne Werkraum unterrichten, die Musiklehrerin ohne Instrumente, das Deputat des Gartenbaulehrers ist so klein, dass er als Gärtner dazuverdienen muss. Es gibt Kollegen, die ohne jede pädagogische Ausbildung frisch von der Uni weg vor eine neunte Klasse gestellt werden.

Viele Kollegien sind nicht geübt im Umgang mit neuen Mitarbeitern. Sie haben zu hohe Erwartungen, gestehen den Anfängern keine Fehler zu. Oft ignorieren sie die Tatsache, dass die neuen Kollegen Lernende sind. Die Erfahrung der Älteren, dass Learning by Doing zum Erfolg führt, prägt die Erwartung an die neuen Kollegen. Oft genug ruft es Irritationen hervor, wenn neue Kollegen einen Anspruch auf Privatleben äußern und meinen, es gebe auch ein Leben neben der Schule.

Viele bildungsbewußte Eltern machen es Berufsanfängern nicht leicht: Sie sind in ihren Berufen kompetent, qualifiziert, kennen sich mitunter in Methoden der Problemlösung weit besser aus als die Lehrer. Ihre Ansprüche und ihr Bedürfnis, auf Schule und Unterricht Einfluss zu nehmen, müssen berücksichtigt und mit den pädagogischen Erfordernissen austariert werden. Das ist eine schwierige diplomatische Aufgabe, die Berufsanfänger oft nicht bewältigen können. Auch Eltern sind selten bereit, Lehrer als Lernende zu begreifen, die in eine neue Aufgabe hineinwachsen. Wenn es um ihre Kinder geht, hört die Nachsicht schnell auf.

Die Kinder sind nicht weniger anspruchsvoll als Eltern und Kollegen. Sie brauchen Lehrerpersönlichkeiten, die so schnell nichts umhaut, die nicht nur über fach­didaktische und methodische, sondern auch über therapeutische Kompetenzen verfügen. Beginnende Waldorflehrer sind Fragende – egal welche Art von Ausbildung sie durchlaufen haben –, und auch gestandene Kollegen verlieren angesichts der vielen Anforderungen, die sie erfüllen sollen, manchmal den Überblick. Beide Gruppen brauchen daher professionelle Hilfe.

Die fünfundzwanzig Mentoren, die derzeit für das Institut für Berufseinführung  in Nordrhein-Westfalen arbeiten, begleiten Anfänger und fortgeschrittene Kollegen individuell durch den Schulalltag. Gemeinsam mit ihnen spüren sie

Stärken und Schwächen auf und helfen ihnen bei ihrer beruflichen Entwicklung. So haben Berufseinführung und Berufsbegleitung eine nachhaltig, positive Wirkung. Diese Wirkung rechtfertigt es, die Mentorentätigkeit in allen Schulhaushalten angemessen zu berücksichtigen.

Das Institut für Berufseinführung und Berufsbegleitung in NRW (IfB) versteht sich als Dienstleister für alle Waldorfschulen. Es wird  dann beauftragt, wenn eine Schule die Berufseinführung oder Berufsbegleitung durch eigene Mentoren nicht leisten kann. Die Arbeit der Mentoren wird durch die Institutsleitung kontinuierlich evaluiert. Bisher wurden 20 Mentoren ausgebildet. Die Ausbildung umfasst sechs Wochenendmodule und eine Praxiswoche. Darüber hinaus bilden sich die Mentoren in Fachkonferenzen regelmäßig fort und beraten sich gegenseitig in ihrer Mentorentätigkeit.

Im Februar 2014 beginnt ein neuer Kurs für weitere 20 Mentoren.

Kontakt: gabriele.hohlmann@ifb-berufseinfuehrung.de | www.ifb-berufseinfuehrung.de