»Orpheus und Eurydike« in Sekem. Ein interkulturelles Projekt vernetzt Orient und Okzident

Martina Dinkel, Angelika Lütkenhorst

Zur westeuropäischen und arabischen Kultur sollte sich auch eine osteuropäische Kultur gesellen. Mit der Freien Waldorfschule Tiflis in Georgien war rasch der kongeniale Partner gefunden. Orient und Okzident – vier Länder – drei Sprachen – drei Schriften. Nun galt es, die Begegnung zu gestalten! An allen Orten wurde kräftig geprobt und im März kamen alle Teilnehmer zu einer gemeinsamen Probenwoche in Schönau an der Triesting zusammen. Sie gestalteten dann zwei wunderbare Aufführungen in Schönau und eine in Graz. Dann ging es weiter nach Ägypten!

Dort kam »Orpheus und Eurydike« von W. Gluck in der SEKEM-Schule und in der Heliopolis Academy in Kairo zur Aufführung. Die Oberstufe der Rudolf Steiner Schule in Österreich, ehemalige Schüler der Rudolf Steiner Schule Hamburg-Nienstedten in Deutschland, Schüler und Lehrer der SEKEM-Schule sowie Mitarbeiter von SEKEM in Ägypten bildeten ein stattliches Ensemble von fünfzig Personen. Trotz der Länge des Stücks von gut eineinhalb Stunden und der deutschen Aufführungssprache wurde das Stück für die »ägyptischen Ohren« nie zu lange. Die Musik, von Jugend­lichen gesungen und gespielt, farbenfrohe Kostüme und energische, feurige Tänze, faszinierten das ägyptische Publikum und sorgten für eine begeisterte, aufmerksame und freudig-gespannte Atmosphäre. Vor allem die Teilnahme und Integration der »ägyptischen Sängerinnen und Sänger« erregte Bewunderung der Mitschüler und Kollegen. Lange Zeit wurde das Stück in Ägypten geübt und fünf ägyptische Schüler und Lehrer konnten dank der großzügigen Unterstützung und Finanzierung der österreichischen Freunde zu den Aufführungen nach Österreich fliegen.

Friederike Hansen hat es in genialer Weise verstanden, die ägyptischen Mitwirkenden einzugliedern und zu begeistern. Ihrer großen Initiativkraft und ihrem enthusiastischen Einsatz in der Kooperation mit SEKEM, ist zu verdanken, dass diese Reise für die Jugendlichen ein unvergessliches Erlebnis wurde. Besonders die Eiseskälte, die in diesen Tagen in Österreich herrschte, und der viele Regen waren etwas, was die ägyptischen Schüler noch nie erlebt und gesehen hatten. Aber auch die Erfahrung im Umgang mit der Musik machte die Unternehmung zu einem Höhepunkt. »Wir erlebten eine ganz andere Musik als in Ägypten«, äußerte eine Schülerin. Es wurden viele Freunde gewonnen und die gemeinsamen Ausflüge nach Kairo und in die Wüste verstärkten das freundschaftliche Band. Das Ziel, eine Begegnung verschiedener Kulturen, wurde bei diesem Projekt erfolgreich verwirklicht. In dem gemeinsamen musikalischen Tun wurde deutlich, wie besonders die Musik das Verstehen und die Toleranz der verschiedenen Kulturen fördert und einen Raum schaffen kann, der den Jugendlichen einen neuen, offeneren Umgang mit sich selbst und anderen ermöglicht.