Schüler finden ihren Lehrer. Gelungene Selbstverwaltung an der Waldorfschule Chiemgau

Mathias Maurer

Es fing gut an, dann schien es nahezu aussichtlos: Auf Initiative des Sportlehrers sollte es ein Sportabitur geben, mehr als zehn begeisterte Schüler waren mit dabei. Das Projekt lief mit praktischen und theoretischen Teilen an. Doch der Sportlehrer fiel kurzfristig krankheitsbedingt aus, die Initiative drohte zu scheitern.

Schulführung und Personalkreis zogen nach vielen Gesprächen aus Sorge, dass der Weg der Schüler zum Sportabitur nicht gesichert sei, die Reißleine. Sowohl die Einschätzung der Sportkollegen zu den Erfolgsaussichten der Schüler als auch das Wegbrechen der Hälfte der Kursteilnehmer sprachen dagegen; schließlich war auch die Finanzierbarkeit des Vorhabens noch unklar. Die Entscheidung fiel: Kein Lehrer, kein Sportabitur. Das mobilisierte die betroffenen Schüler und Eltern; sie suchten den Dialog mit den Verantwortlichen, der in Corona-Zeiten durch Fernkommunikation zusätzlich erschwert wurde. Doch die Zeit lief, es ging auf Pfingsten zu. Gibt es doch noch eine Möglichkeit, das nächste Schuljahr mit dem Abiturkurs Sport beginnen zu können? Alle Zeichen sprachen dagegen.

Eltern und Schüler waren von der Entscheidung der Schule, die per Mail informierte, brüskiert. Die Schulführung zeigte sich bereit, ein Gespräch mit der Eltern- und Schülervertretung zu führen, um »Missverständnisse« auszuräumen. Mit dabei auch eine Schlichterin. Nochmals die Empfehlung, dass doch die Schüler ins Kunst-Abitur wechseln sollten, der einige wegen der Unsicherheit tatsächlich auch nachgekommen waren. Dann, im Verlauf des vierstündigen Gesprächs – coronabedingt draußen im Garten – die Bedingungen: Wenn es bis Pfingsten klappen sollte, dann muss der Sportlehrer prüfungsberechtigt und prüfungserfahren in Bayern sein und vier Stunden pro Woche die Sportabiturienten in Prien unterrichten können.

Es schien, je geringer die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Lehrer zu finden, desto stärker engagierten sich Eltern und Schüler. Es war die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Die Initiativgruppe erhielt das Mandat der Schulführung, sich auf die Lehrersuche zu machen. Eltern und Schüler trafen sich wöchentlich per Videokonferenz, machten Pläne zur Umsetzung und starteten eine Reihe von Aktivitäten. So klapperten beispielsweise die beiden Schülerinnen Stella Koraus und Mascha Roser viele Schulen ab, loggten sich in Lehrersuche-Seiten ein, führten zahllose Telefonate und ernteten viele Absagen. Dann, einen Tag vor Ablauf der Frist: Stella spricht einen Jungen aus der Nachbarschaft an, dessen Vater Sportlehrer an einer staatlichen Schule ist. Sie nimmt mit dem Lehrer Kontakt auf, ob er nicht könnte ... und er konnte! Er habe noch Kapazitäten frei … Volltreffer.

»Im Nachhinein haben wir eines gelernt«, so ein Vertreter der Schulführung, »dass wir früher die Eltern in solche Fragen einbinden und in Dialog treten müssen, bevor wir Entscheidungen treffen.« Und auch Schülervater Georg Strauß resümiert: »Es war unglaublich, welches konstruktive Engagement die Schüler und Eltern entwickelt haben, trotz der geringen Erfolgsaussichten.« Eines zeigt die Geschichte: Selbstverwaltung heißt, (berechtigte) Positionen aus Schul(verwaltungs)sicht im Dialog mit Eltern und Schülern so beweglich zu halten, dass, wie die Schülerinnen formulierten, »Unmögliches möglich werden kann, wenn wir an einem Strang ziehen«.