Schule schnuppern. Wie die Waldorfschule Erlangen künftige Eltern informiert

Anjeli Batra

An einem Samstag Ende November, nach dem Martinimarkt, öffnet die Waldorfschule in Erlangen interessierten Eltern ihre Türen und lädt sie ein, selber einen Waldorftag als Schüler zu erleben. In den Räumen der ersten Klasse begrüßt ein Klassenlehrer oder eine Klassenlehrerin der Unterstufe jedes Elternteil einzeln an der Tür. Mit einem »Guten Morgen, liebe Klasse« beginnt der Unterricht im bewegten Klassenzimmer mit dem Morgenspruch und einem rhythmischen Teil. Dann wird – wie mit den Kindern der 1. Klasse – einer der Buchstaben mit einer Geschichte und dem dazugehörigen Malen eingeführt. Nach fünfundzwanzig bis dreißig Minuten zieht die Gruppe in eines der Klassenzimmer der zweiten Jahrgangsstufe um, wo die Bänke schon etwas höher sind, doch immer noch die roten Kissen zum Sitzen einladen. Jetzt wird gerechnet – mit Klatschen, Springen oder dem rhythmischen Spannen von Fäden. Die Ein-mal-Eins-Reihen, das Gliedern des Zahlenraums oder auch das Kopfrechnen werden geübt. Danach wird die Gruppe in der dritten Klasse von einem der Fremdsprachenlehrer erwartet. Auf Englisch oder Französisch wird ein kleiner Text gelernt, vielleicht sogar in Dialogform. Dabei nimmt chorisches Sprechen einen wichtigen Raum ein.

In der Freien Waldorfschule Erlangen wird das bewegte Klassenzimmer bis zur 4. Klasse beibehalten. Doch als Besonderheit sind für die vierten Klassen bereits Schreibpulte vorgesehen, also einzelne Klapptische, die bei Bedarf vor die Bänke geschoben werden – für manche Erwachsene sicher hilfreich, wenn sie in das Formenzeichnen eingeführt werden. Die Flechtbänder, bei denen es »drunter und drüber geht«, erfordern hohe Konzentration, ganz gleich ob sie gezeichnet oder geknetet werden. In der Pause können die Eindrücke der Unterstufe verarbeitet werden, bevor mit der Eurythmie der 5. bis 6. Klasse begonnen wird, bei der es um grammatikalische Formen geht. In der darauffolgenden Unterrichtseinheit wird eines der naturwissenschaftlichen Fächer der 8. oder 9. Klasse, Biologie oder Physik, unterrichtet. Dort können die Optik und die Bewegungen der Gestirne im Hinblick auf den Doppler-Effekt behandelt werden. Den Abschluss der zweiten Tageshälfte bildet eine Einheit aus dem Deutschunterricht mit der Faust- oder der Humor-Epoche.

Voll mit neuen Eindrücken können die Teilnehmer nun nach der letzten Epocheneinheit noch Fragen an die beteiligten Lehrkräfte richten. Auch Eltern der Schule nahmen schon an dieser Fragerunde teil, um ihre Erlebnisse oder die Erlebnisse ihrer Kinder zu schildern. Wer sich noch dafür interessiert, kann sich das Gelände mit dem Schulgarten, den Kunst- und Werkräumen und dem Sportplatz anschauen.

Tag der offenen Tür

Auf diesen Schultag für Eltern folgt meist Mitte Januar ein Infoabend mit dem Thema »Erste allgemeine Informationen zur Waldorfpädagogik«. Hier erfahren Interessenten mehr über Hintergründe des bereits Erlebten.

Wenig später lädt die Schulgemeinschaft zum Tag der offenen Tür ein, an dem Unterrichte der einzelnen Jahrgangsstufen besucht werden können, durch die wahrgenommen werden kann, wie die Kinder mit den angebotenen Möglich­keiten umgehen. In einer anschließenden Monatsfeier zeigen die Schüler von der ersten bis zur zwölften Jahrgangsstufe aktuell Erlerntes aus dem Unterricht. Parallel dazu gibt es Informationsrunden für Fragen zum Quereinstieg, zu Abschlüssen und zu Besonderheiten der Waldorfpädagogik. In verschiedenen Klassenzimmern wird für jede Jahrgangsstufe Typisches gezeigt, wie Epochenhefte und Werkstücke aus dem künstlerisch-praktischen Unterricht. Die pädagogischen Mitarbeiter erläutern das Ausgestellte und beantworten Fragen zum Unterricht. Im Eltern-für-Eltern-Café können sich die Besucher bei Kaffee und Kuchen stärken und mit den Schuleltern sprechen. Am Tag der offenen Tür beginnt auch die Anmeldung für das kommende Schuljahr.

An drei darauffolgenden Seminarabenden im wöchentlichen Abstand erfahren Besucher mehr zur Klassenlehrerzeit, dem künstlerisch-praktischen Unterricht und dem Fremdsprachenunterricht. Im Anschluss an die Vorträge tauschen sich die Referenten und Zuhörer aus.

Im Mai werden auf dem »technischen Elternabend« den künftigen Schuleltern Informationen zur Schulorganisation, zur Stellung im Schulwesen, zur Finanzierung, den Schulbussen und der Mittagsbetreuung und vielen anderen Dingen angeboten. Im Eltern-für-Eltern-Abend im Juni stellen schließlich Schuleltern vor, wie sie bei der Schulorganisation und in der Schulgemeinschaft mitwirken. Der Einblick in die Kreise und Gruppen und die vielfältigen Angebote und Aufgaben in einer Waldorfschule rundet unser Informationsangebot ab.

Zur Autorin: Anjeli Batra ist Geschäftsführerin der Freien Waldorfschule Erlangen.