In Bewegung

Vom Zauber des Anfangs. Schule entwickeln leicht gemacht

Susanne Böttger

Als eine Gruppe unerschütterlich engagierter Mütter und Väter innerhalb weniger Wochen aus einer in Insolvenz gegangenen Waldorfschule einen neuen Keim wachsen ließ, war die weitere Entwicklung noch unsicher. Die Betriebsgenehmigung des Bildungsministeriums für die Neue Waldorfschule Rendsburg ließ erst einmal durchatmen. Dann hatte die Neue Waldorfschule Rendsburg das Glück, eine Projektschule des Bundes der Freien Waldorfschulen zu werden. Von den Erfahrungen, die der Qualitätskreis mit uns gemacht hat, können andere Waldorfschulen im Aufbau nun profitieren. Wir starteten im April 2020, gegen Ende des zweiten Schuljahres, noch deutlich gebremst von Corona-Restriktionen.

Wir Lehrkräfte lernten die Intervision in Kleingruppen kennen und übten, sie im kollegialen Kreis weiterzuführen. Dazu beschäftigten wir uns mit unserer Wahrnehmung ohne Vorbehalte. Wir lernten, mit einer fragenden Haltung die Meinung unseres Gegenübers zu erkunden. Regelmäßig trafen wir uns zu Intervisionen, um allgemeine pädagogische Fragestellungen zu besprechen. Alle Teilnehmer:innen war aufgerufen, mehrmals Falldarsteller:innen zu sein. Die Bedeutung der Intervisionsarbeit wurde uns schnell klar. Sie bildet nach unserer Einschätzung einen wichtigen Baustein der von Rudolf Steiner als so bedeutsam erachteten kollegialen und pädagogischen Arbeit.

Achtmal kamen Klaus-Peter Freitag und Gebhard Nagel vom BdFWS mehrtägig zu uns, um uns im Unterricht zu begleiten und zu mentorieren sowie Nachgespräche zu führen. Alle Kolleg:innen profitierten von dieser wertvollen Unterstützung, so dass wir die Mentorierungsarbeit schulintern weiterführen können. Zudem freuten wir uns in den Projekten Portfolioarbeit, Inklusion und Arbeitspädagogik über wohlwollende Unterstützung. Bei uns waren Thomas Felmy, Sprecher der LAG, Dr. Wilfried Gabriel vom Schloss Hamborn, Bärbel Bläser von der Windrather Talschule sowie LAG-Mitglied Sabine Wellner. Mit ersten Grundlagen zur Inklusionsarbeit planen wir in der Unterstufe zu starten, um unsere Erkenntnisse zukünftig auf alle Jahrgänge unserer Schule zu übertragen.

Auch die Arbeit an unserer Schulstruktur wäre ohne die professionelle Unterstützung durch Gebhard Nagel und Klaus-Peter Freitag nicht so gut vorangekommen. Gemeinsam entwickelten wir eine Konferenzstruktur mit genauem Zeitplan. An sogenannten Zukunftstagen wurden auch Eltern und Menschen, die sich mit unserer Schule verbunden fühlen, in die Entwicklungsarbeit eingebunden. Wir erarbeiteten Geschäftsordnungen für die Schulleitung, die pädagogische und technische Konferenz, den Personalkreis und den Personalpflegekreis sowie für das Herzstück der Rendsburger Schule, die Entwicklungskonferenz, die sich aus Eltern und Lehrkräften zusammensetzt. Start dieser Konferenz war kurz nach Ostern 2022.

Da wir unsere Oberstufe mit derzeit neun Klassen noch aufbauen, hatten wir auch hinsichtlich der Abschlüsse viele Fragen. So begeisterte uns der an einigen Waldorfschulen bereits praktizierte Waldorfabschluss nach der zwölften Klasse in Form eines Abschlussportfolios. Nach dem Motto »Zeig, was Du kannst« können Schüler:innen mit Abschlussdokumentationsmappen ihre persönlichen Kompetenzprofile und Qualifikationen darstellen. So lässt sich der Zugang zu Studium und Beruf vielfach besser gestalten als es über staatliche Schulabschlüsse möglich ist. An diesem Projekt wollen wir arbeiten.

Beim abschließenden Konferenzrückblick resümierte unser Qualitätskreis, dass ein Qualitätsverfahren idealerweise erst drei Jahre nach Schulgründung starten sollte. Es sollte ein stabiles Kollegium bestehen und die ersten größeren Hürden im Schulalltag genommen sein. Eine Zertifizierung konnte für unsere Neue Rendsburger Schule nicht vorgenommen werden. Dafür hätten wir mehr Zeit und noch weitere Leistungen erbringen müssen. 

Wir freuen uns dennoch sehr, diesen Weg gemeinsam mit Gebhard Nagel und Klaus-Peter Freitag gegangen zu sein. Mehr als hundert Jahre nach Gründung der ersten Waldorfschule durch Rudolf Steiner erleben wir, welche Kraft aus dem gemeinsamen Wunsch, eine Schule zu gründen, erwächst. Wir haben gelernt, welche Bedingungen für Entwicklungsprozesse wichtig sind, nämlich Selbstwirksamkeit, eine Kultur der Anerkennung, Akzeptanz und Übernahme von Verantwortung.

Als Projektschule haben wir von enormen Hilfestellungen profitiert, die wir nicht einfach finanziell hätten ausgleichen können. Wir danken dem Qualitätskreis dafür, dass wir mit unserer Arbeit in den Intervisionsgruppen und in der Steuerungsgruppe sowie bei allen Planungen, dies im Rahmen unserer Möglichkeiten begleichen konnten. So waren wir bei unserer Abschlusskonferenz tatsächlich überrascht über das jähe Ende des zweijährigen Prozesses zum Qualitätsverfahren und auch etwas traurig. Doch wir werden weitermachen mit den Themen Inklusion und Portfolio. Die Zusammenarbeit mit Gebhard Nagel und Klaus-Peter Freitag sowie Bärbel Bläser und Sabine Wellner geht also weiter.

Allen Waldorfschulen im Aufbau empfehlen wir, diese Unterstützung durch den Bund der Freien Waldorfschulen zu suchen. Es lohnt sich!

Susanne Böttger, *1968. Bankkauffrau und Magistra Artium der Englischen, Romanischen und Slavischen Philologien. Bis 2018 tätig als Leiterin des EhrenamtNetzwerks Schleswig-Holstein, zudem Werbe- und PR-Texterin. Nach der zweijährigen Ausbildung am Waldorflehrerseminar in Kiel zur Oberstufenlehrerin für Englisch und Französisch derzeit Englischlehrerin der Klassen 4 bis 8 an der Neuen Waldorfschule Rendsburg. 

susanne.boettger@waldorfschule-rd.de

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