Wartezeiten sinnvoll gestalten. Die Kinderwerkstatt in Bochum

Brigitte Tigges-Knappstein, Monika Hoffmann, Isabella Lustig

In der »Überbrückungszeit« zwischen Unterricht und Zuhause entstand für uns Pädagoginnen ein Freiraum, in dem wir ganz elementar fragen konnten: Was brauchen die Kinder, wenn sie zu uns kommen? Welche Bedürfnisse haben die einzelnen Kinder nach einem erfüllten Schulvormittag und wie können wir diesen Bedürfnissen am besten gerecht werden? Als Antwort schufen wir verschiedene »Bewegungsräume«. Da die Bewegung mit den Händen dabei einen großen Raum einnimmt, haben wir vor einigen Jahren unsere Warteklasse in »Kinderwerkstatt« umbenannt.

Was geschieht in der Kinderwerkstatt?

Fangen wir bei den Arbeiten mit den Händen an. Sowohl Jungen als auch Mädchen arbeiten gerne mit den verschiedensten Materialien. Wir versuchen dabei an die alten handwerklichen Künste der Wollverarbeitung (Waschen, Kardieren), des Webens, Flechtens und Nähens anzuknüpfen. Mit farblich schönen, qualitativ guten, oft von Eltern gespendeten Materialien entstehen kleine Kunstwerke und Kostbarkeiten wie bunte Bommel, Duftkissen, Taschen, mit Perlen gewebte oder geknüpfte Armbänder, gewebte kleine Teppiche und Schals. Auch im »Brettchenweben« haben wir uns eine Zeitlang erprobt und es sind wunderbar gemusterte Bänder entstanden. Oft »werkeln« wir neben den Arbeiten mit Stoff und Fäden auch etwas Jahreszeitliches aus Papier, Pappe, Ton oder Holz. Es entstehen schöne »Schätze«, dennoch ist das Ergebnis nicht das Wichtigste, sondern der Weg dorthin. Es ist, als würden die Kinder geradezu eine Sehnsucht nach diesen Tätigkeiten haben. Oft tauchen sie wie träumend in ihr Tun ein, kommen durch ihre selbst gewählte Arbeit und die Freude daran »zu sich«, finden ihre Mitte. Der Sinn für das Schöne wird dabei lebendig, die Kinder erleben sich selbst als gestaltend. Wie nebenbei schulen sie ihre Feinmotorik, die Auge-Hand-Koordination, die räumliche Vorstellungskraft, Konzentration und das Durchhaltevermögen – alles Lernvoraussetzungen.

Das Kind lebt sich vor allem spielend in die Welt hinein und dies mit Freude. Rollenspiele bieten dazu eine besondere Gelegenheit, z.B. in unserem Kaufladen, im Spielhaus auf der Empore, am Mal- und Spieletisch oder in der Bauecke. Für den Kaufladen filzte uns eine 8. Klasse mit ihrer Lehrerin das gesamte Obst- und Gemüseangebot und überreichte es uns als Geschenk! Sogar Spiegeleier, Hamburger, Pommes und Pizza befinden sich im gefilzten Sortiment, so dass auch ab und zu ein Restaurant eröffnet wird. In der Bauecke entstehen durch unterschiedlich geformte Bausteine abenteuerliche, manchmal wendeltreppenartige Wolkenkratzer, Bahnhöfe und Tiefgaragen. Viele unserer Kinder spielen auch gerne draußen an der frischen Luft, bei jedem Wetter. Unser vielfältig gestaltetes Außengelände kommt ihnen in ihrem Bewegungsdrang entgegen. Sie können nach Herzenslust klettern und buddeln. Sie springen Seil, spielen Ball oder fegen ihren Schulhof. Bei uns in der Rudolf-Steiner-Schule Bochum-Langendreer befinden sich – als Besonderheit – die Regelschul- und Förderklassen unter einem Dach. Auch gibt es seit drei Jahren eine »Brückenklasse« für die Kinder, die dem Kindergartenalter zwar entwachsen, aber doch noch nicht schulreif sind. Dadurch besuchen Kinder aller drei Bereiche unsere Kinderwerkstatt. Durch das tägliche, selbstverständliche Miteinander entstehen gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung und klassenübergreifende Freundschaften. Für die Zukunft stellen wir uns eine offene Kinderwerkstatt vor, die auch zur Schülerwerkstatt werden könnte. Hier wäre dann genügend Freiraum für unsere älteren Schüler, um bis in den frühen Nachmittag hinein zu werken, Gesellschaftsspiele zu spielen oder miteinander zu reden.

Möglicherweise gibt es ja bereits Ähnliches an anderen Schulen. Über einen Austausch würden wir uns sehr freuen!

Kontakt: E-Mail: info@rss-bochum.de