Was macht Waldorf in Europa? Der European Council for Steiner Waldorf Education (ECSWE)

Richard Landl

Zusammenarbeit innerhalb der europäischen Waldorfschulen

Ein wesentlicher Teil der Aufgaben, die sich ECSWE gestellt hat, besteht darin, sich innerhalb der Waldorfschulen länderübergreifend zu informieren, zu beraten und zu helfen, ferner die politische Arbeit der Waldorfschulen in den Mitgliedsländern durch Teilnahme an Verhandlungen mit Ministerien zu unterstützen. So war es zum Beispiel in diesem Jahr möglich, bei unserer letzten Konferenz in Rijeka, Kroatien, die dortige Schule bei einem Gespräch mit dem Bürgermeister über ein neues Schulgebäude zu begleiten. Ein weiteres Gespräch im Ministerium in Zagreb zu Fragen der Finanzierung Freier Schulen konnte ebenfalls positiv begleitet werden.

In einer dramatischen Situation bei einigen englischen Waldorfschulen, die in ihrer Existenz bedroht sind, wandte sich der ESCWE mit unterstützenden Briefen an das Bildungsministerium.

Aktivitäten im EU-Parlament

Im vergangenen Jahr wurden vom europäischen Parlament zwei wichtige Dokumente zu Bildungsfragen mit großer Mehrheit beschlossen. In beiden Fällen war es ECSWE mit Unterstützung weiterer Nicht-Regierungsorganisationen möglich, für die Waldorfbewegung wichtige Gesichtspunkte einzubringen. 

Der erste Report berichtete »Über die Modernisierung des Bildungswesens in der EU«.

Es sollen einige von uns angeregte Passagen aus dem Dokument zitiert werden.

»..., dass zum Recht auf Bildung die Wahrung der Freiheit zur Gründung von Lehranstalten unter gebührender Achtung der demokratischen Grundsätze sowie das Recht der Eltern gehören, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen, weltanschaulichen und erzieherischen Überzeugungen sicherzustellen;

... empfiehlt im Hinblick auf eine größere Inklusivität und zur Gewährleistung der freien Bildungswahl öffentlichen und privaten gemeinnützigen schulischen Einrichtungen jeder Art und aller Bildungsstufen angemessene finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen.

... macht darauf aufmerksam, dass sich erwiesen hat, dass die Gewährung von mehr Autonomie für Schulenin Bezug auf Lehrpläne, Bewertung und Finanzierung zu besseren Schülerleistungen führt.

... hebt hervor, dass altersgerechte IKT (Information, Kommunikation, Technologie) – und Medienlehrpläne notwendig sind, bei denen die Entwicklung und das Wohlergehen der Kinder berücksichtigt werden, und betont, dass sowohl eine verantwortungsvolle Nutzung als auch kritisches Denken wichtig sind;

... erwartet, dass der Aktionsplan für digitale Bildung die Mitgliedstaaten und Bildungseinrichtungen dabei unterstützt, beim Lernen, im Unterricht und für die Bewertung aktuelle Technologien verstärkt und wirksamer einzusetzen, die dem jeweiligen Alter und dem Entwicklungsstand angemessen sind

Der zweite Report hatte zum Thema: »Bildung im digitalen Zeitalter: Herausforderungen, Chancen und Erkenntnisse für die Gestaltung der EU-Politik«.

Auch daraus seien einige Passagen zitiert:

»... in der Erwägung, dass die übermäßige Nutzung von technologischen und digitalen Geräten wie Computer und Tablets zu Problemen in Bezug auf die Gesundheit und das Wohlbefinden, einschließlich Schlafmangel, Bewegungsmangel und Abhängigkeit, führen;

... in der Erwägung, dass die Beherrschung grundlegender horizontaler Kompetenzen, wie etwa mathematische Fähigkeiten, kritischem Denken und Kompetenzen in sozialer Kommunikation, eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass digitale Fertigkeiten und Kompetenzen erworben werden können;

... betont, dass es zwar die Notwendigkeit von mehr digitalen Kompetenzen anerkennt, die Auswirkungen digitaler Technologien auf die Bildung derzeit aber nur schwer bewertet werden können, was bedeutet, dass es entscheidend ist, die neurologische Erforschung der Auswirkungen digitaler Technologien auf die Entwicklung des Gehirns zu berücksichtigen.

... betont, dass Lehrkräfte und Ausbilder im Mittelpunkt der digitalen Umgestaltung stehen sollten und deshalb selbst einer angemessenen Anfangsvorbereitung und kontinuierliche Schulung bedürfen, die Module zu altersgerechten und an den Entwicklungsstand angepassten Unterrichtsmethoden umfassen muss

... betont den hohen Stellenwert der Autonomie der Schulen für die Verwirklichung von Innovation im Bildungswesen.«

Diese Dokumente ermöglichen den nationalen Vertretern der Waldorfbewegung, in ihren politischen Verhandlungen auf die Grundlagen des EU-Parlaments zu verweisen, die mit jeweils großen Mehrheiten von den 28 Mitgliedstaaten beschlossen worden sind. Auf diese Weise kann deutlich gemacht werden, dass es sich nicht nur um Anliegen der Waldorfbewegung handelt, sondern um einen Konsens in der EU.

Erasmus + Projekt

Ein zentrales Projekt von ECSWE wird durch die Europäische Union finanziell gefördert. Der Projekttitel ist: »Zukünftige Fähigkeiten: Zum Erreichen der Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert durch effektives und innovatives Lernen, Lehren und Leistungsbewertung.« Die Ausgangsfrage zu diesem Antrag, den wir zusammen mit der Learning for Well-being Foundation gestellt haben, ist, sich für andere Leistungsnachweise als nur Tests, insbesondere zentralisierte Tests, einzusetzen. Hier spielt die formative Leistungserfassung eine zentrale Rolle, die eine eigene Einschätzung der Schüler einbezieht, wie es bei der Portfolio-Methode der Fall ist. 

Waldorf100 – Festival in Brüssel

Anlässlich des großen Jubiläums der Waldorfbewegung wird in Brüssel unter dem Titel »The art of education: Empowering our children to shape their future« eine festliche Veranstaltung am 7. November 2019 stattfinden. Die Gäste erwartet ein vielfältiges Programm mit Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Arbeitsgruppen, künstlerischen Beiträgen und kreativen Übungen für die Zuhörer. 

Näheres unter: http://ecswe.eu/event/waldorf-100-brussels-conference/