Woodie’s creations

Elrisha Ochurus, Magareth Nuru-Khom, Emanuela Kaxuxuena, John Nanghonda

Die Waldorfschule Windhoek durchläuft, wie viele Waldorfschulen weltweit, auf Grund von COVID-19 eine existenzielle Krise. Umso erfreulicher ist es, wenn in solchen Zeiten Initiativen ergriffen werden und Neues entstehen kann, wie die Schülerfirma »Woodie’s Creations« zeigt.

Die Schüler haben sich die Mühe gemacht, über ihre Firma einen Artikel in deutscher Sprache zu schreiben. Zu Beginn des Corona-Lockdowns, nach einigen langweiligen Tagen vor dem Fernseher und dem Smartphone, traf ich, Elrisha, meine Freundin Magareth, der es ebenso erging wie mir. Wir überlegten, was wir Sinnvolles tun und dabei vielleicht auch etwas Geld verdienen könnten. Weil unser Werklehrer, Erich Kunderer, meist in der Schulwerkstatt anzutreffen ist, riefen wir ihn an und vereinbarten Zeiten, in denen wir dort arbeiten könnten. Wir fingen an, kunstvolle Bürsten zu produzieren, eine Arbeit, die wir recht selbstständig tun konnten, weil wir sie schon aus dem Werkunterricht der siebten und achten Klasse kannten. Nach wenigen Tagen und einigen fertigen Tischbesen bekamen wir das Angebot, unsere Produkte auf dem bekannten Windhoeker Green Market zu verkaufen (Bild 1). Am darauffolgenden Samstag gingen wir hin, arbeiteten dort weiter und spürten das Interesse der Menschen an unserem Tun. Wir verkauften einiges und beschlossen noch vor Ort, damit weiter zu machen.

In den folgenden Wochen kamen immer mehr Anfragen, wir brauchten Unterstützung; Emanuela und John stießen dazu. Wir beschlossen, eine eigene Firma zu gründen, weil wir merkten, dass weit mehr zu tun ist, als nur zu produzieren. Wir kauften Werkzeuge und Materialien ein, hierfür ließen wir uns Angebote von Firmen schicken. Kunden fragten nach Flyern und Visitenkarten, sodass wir auch auf diesem Gebiet kreativ wurden und in Kopierläden das Material druckten. Wir suchten nach Strukturen, unsere Finanzen selbst zu verwalten. Inzwischen haben wir Kontakt zu Firmen aufgenommen, die uns möglicherweise als Sponsoren unterstützen.

Wir realisierten, dass die Wünsche der Kunden uns am allermeisten vorwärtsbringen: Sie kommen mit Ideen und wir sagen NIE nein! Das fordert uns heraus, Neues zu erforschen und auszuprobieren – notfalls muss unser Werklehrer uns aus der Patsche helfen. Es kommen immer mehr Menschen, die uns bei der Arbeit über die Schultern schauen und uns helfen möchten. Darüber hinaus betreuen wir die Kinder der Besucher mit Spielen, Tonarbeiten und Basteln.

Die Schülerfirma der Waldorfschule Windhoek besteht inzwischen aus zehn Schülern der Klassen 6 bis 11, wobei auch schon ein Schüler von außerhalb teilnimmt. Regelmäßig am Nachmittag, außerhalb der Unterrichtszeit, teilen wir die gesamte Arbeit untereinander auf und führen die Aufträge aus. Manche unserer Projekte finden Unterstützung durch die »normalen« Werkklassen mit dem Werklehrer, wobei uns bewusst ist, dass auch sie von unseren Einnahmen profitieren sollen, sei es durch die Mitbenutzung unserer Werkzeuge und Materialien, oder dadurch, dass wir sie mit von uns vorbereitetem Schmuck beschenken. Manchmal haben wir das Gefühl, dass wir immer mehr mit der Welt zusammenwachsen: Touristen aus Übersee kaufen Produkte bei uns, wir ordern Maschinen und Materialien aus Südafrika oder Europa. Und was uns ganz besonders gefällt, ist der Umstand, dass mehr und mehr Menschen in Namibia auf uns aufmerksam werden und uns helfen, dass aus dem Ganzen eine Erfolgsgeschichte werden kann.

Klaus von Ludwiger ist Fremdenführer und in dieser Zeit nahezu ohne Arbeit; er unterstützt einen Kindergarten im Township Katutura. Er sah uns bei der Arbeit zu, erzählte von der Situation dort und davon, dass die Hälfte der Kinder zu Hause bleiben müsste, weil das Platzangebot zu gering sei. So kamen wir auf die Idee, mit einigen weiteren Schülern aus der Oberstufe ein neues Gebäude für die Kinder zu bauen (Bild 2 und 3).

Michael Pohl verpasst keinen Green Market und bringt uns Dinge mit, die wir verkaufen dürfen. Er kommt jeden Mittwochnachmittag zur Schule, um uns zu helfen. Auch er ist Fremdenführer und kennt Namibia und seine reichhaltige Kultur. Er zeigt uns traditionelle Handwerkstechniken und unterstützt uns in unserem Bestreben, möglichst die handwerklich-künstlerischen Aspekte lebendig zu erhalten. Seine Frau Elke machte mit uns einen Buchbindekurs.

Wir haben Kontakt zu einer namibischen Firma, die Bartprodukte vertreibt und von uns gerne Bartbürsten herstellen lassen will. Ein Lederhandwerker am Green Market stellt Lederschutzhüllen für unsere Sägen und Messer her. Eine Verkäuferin von Gesundheitsprodukten ordert regelmäßig Gesichtsbürsten bei uns. Die biodynamische Farm Krumhuk vertreibt mittlerweile unsere Gemüsebürsten an ihrem Verkaufsstand. Inzwischen kommen auch namibische Künstler, die kunstvolle Motive von uns in ihre eigenen Produkte einbrennen lassen wollen. Lee, ein junger Kunsthandwerker aus Simbabwe, bringt uns Kunstwerke aus Draht, die wir auch in unser Programm aufnehmen. Hin und wieder kommt er mit seinem Bruder in unsere Werkstatt, um mit uns Tiere zu schnitzen.

Eine ganz besondere Persönlichkeit, die wir auf dem Green Market kennenlernten, ist Baker Lu, eigentlich KandiLu Aron, eine junge Namibierin, die selbstgemachte Kekse verkauft. Ihre Energie, ihre zupackende Art, die wir in der Werkstatt bei ihrer Mithilfe nun schon einige Male erleben konnten, und ihre positiv erfrischende Lebenseinstellung fasziniert uns. Inzwischen kam sie in unsere Schule, um uns ein »motivation talk« zu geben; das war echt Klasse. Sie hat eine eigene Geschäftsidee kreiert: »bake and dance«. Wir wollen daran teilnehmen und sind sehr gespannt darauf. Es bewegt uns sehr, weil wir denken, dass dies genau das ist, was wir jungen Namibier lieben, weil wir so gerne tanzen, aber auch die Notwendigkeit sinnvoller Arbeit sehen. Die Kombination aus Spaß und Arbeit – wer weiß, vielleicht heißt es dann bei uns »Schnitzen und tanzen ...«

Der Kurs ist für uns kostenfrei, weil wir für Baker Lu einen Cookie Launcher – unser Pausenhit – bauen, das ist eine große Box mit einem kleinen Tor in der Mitte, durch das mit Hilfe eines gespannten Gummibandes Holzplätzchen auf die gegenüberliegende Seite geschossen werden (Bild 4).

Hier unsere Produktpalette, darunter vieles, wovon wir nicht einmal ahnten, dass es so was gibt und was uns von Kunden zugetragen wurde (alles aus möglichst heimischen Naturprodukten und handgefertigt, mit hohem Qualitätsanspruch und künstlerisch individuell gestaltet): Bart-, Schuhputz-, Gesichts-, Kosmetik-, Haar-, Hand-, Körper-, Gemüsebürsten, Kehrbesen, Tischbesen (Bild 5), Schneidebretter mit eingebrannten Motiven, Puppen­häuser, Webrahmen, Strickliesel, Tischkicker, Cookie Launcher, Holzlöffel und -gabeln, Spielautos, Vogelhäuschen, Kerzenständer, Holzboxen, Holzbänke, Holzschalen, Arm-, Ohr- und Halsschmuck, Sägen, Messer, verschiedene Rechenspiele, Reparatur von Holzmöbeln sowie Tippy Taps (Bild 6).

Als das Corona-Virus Namibia erreichte, wurden Hygienemaßnahmen zu einem der vorherrschenden Themen. Wie kann man in einem ariden Land verlangen, wo es oft kein fließendes Wasser gibt, überall, zu jeder Zeit und auch noch mit möglichst wenig Wasser, regelmäßig
die Hände zu waschen? Die Lösung ist das Tippy Tap , eine uns unbekannte, in abgelegenen, ländlichen Gegenden Namibias jedoch gebräuchliche simple Konstruktion, die fix im Boden verankert wird. Wir entwickelten eine transportable Version, aus Recycling-Materialien, mit einem Gartenschlauch, um gezielt Pflanzen mit dem Brauchwasser zu wässern. Dazu bauten wir einen Papierabroller. Wir nutzen sie in unserer Schule, viele andere haben wir an Privatpersonen, Kindergärten und andere Schulen verkauft. Es ist eine wirklich wassersparende Lösung.

Herzlichen Dank an unsere Schule, an unseren Werklehrer, Erich Kunderer, und an Nicola Brodie vom Schulbüro, die unserem Denk-, Fühl- und Tathorizont so viel Raum geben und an alle, die auf uns aufmerksam werden und uns positiv begleiten. Für uns ist das eine großartige Möglichkeit, unsere eigenen Potenziale zu entdecken. Wir hatten bis jetzt kaum eine Ahnung davon, welche Begabungen in uns selbst und in Mitschülern verborgen liegen. Wir freuen uns, »da draußen« als am Aufbau Namibias engagierte junge Menschen wahrgenommen zu werden und damit dem Vorurteil – »die können nichts, die wollen nicht« – entgegenwirken zu können. Und wir freuen uns, dass wir gute Botschafter unserer Waldorfschule sind. Wir wachsen an alledem mit und merken, dass wir dasjenige, was wir mit unseren Händen tun, aufrichtig und überzeugend verkaufen können.