Aktuelle Themen: Wandel der Medien

Edwin Hübner

Als die Waldorfschulen durch die nationalsozialistischen Machthaber verboten wurden, begannen erste Fernsehsender kurze Programme auszustrahlen. Ab den 1950er Jahren eroberten Fernsehgeräte weltweit die Wohnzimmer. In dieser Zeit setzen sich Waldorfpädagogen mit den Auswirkungen dieses neuen Mediums auf Kinder kritisch abwehrend auseinander. Als in den 1980er Jahren die Personal-Computer in die Haushalte Einzug hielten, gab es jedoch nicht wenige Waldorfpädagogen, die beispielsweise einen C 64 erwarben, um Schülern zu zeigen, wie man Rechner programmiert. An den Schulen entwickelte sich ein einführender Informatikunterricht. Wegleitend war dabei die grundlegende Forderung Rudolf Steiners, dass der Mensch die Geräte und Abläufe seiner Umgebung vom Prinzip her begriffen haben soll: »Das wirkt auf die Sicherheit, mit der der Mensch sich in die Welt hineinstellt« (GA 294).

Mit dem Beginn der 1990er Jahre breiteten sich der digitale Mobilfunk und das Internet explosionsartig aus. Das führte zu einer großen öffentlichen Diskussion, inwieweit mithilfe des Internets und von Lernsoftware die Arbeit in den Schulen verbessert werden könnte. Die Initiative »Schulen ans Netz« tat eben dies – auch die Waldorfschulen erhielten ihren Internetanschluss. Es wurden erste Konzepte entwickelt, wie man Netztechnologien didaktisch einbinden kann.

Anfang 2000 kam die große Ernüchterung: Eine Reihe von »Technik-Vorzeigeschulen« sperrten die Computer wieder in den Schrank, weil sich die hohen pädagogischen Erwartungen an das neue Gerät nicht erfüllten. Da Waldorfschulen Computer nur sehr zurückhaltend einsetzten, waren sie davon kaum betroffen.

2007 kam das iPhone auf den Markt und vereinigte im Hosentaschenformat den digitalen Mobilfunk mit dem Internet. Dieses Gerät veränderte den menschlichen Alltag gravierend, bis hin zu Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen, mit denen sich die Pädagogen auseinandersetzen müssen. Ökonomische und politische Interessen drängen diese Geräte in die Schulen hinein. Dadurch wird auch ein enormer Druck auf die Waldorfschulen ausgeübt.

Viele Waldorfpädagogen verfolgen diese Entwicklung und machen sich Gedanken darüber, wie man ihr pädagogisch begegnen könnte. Seit 2010 stoßen deren Überlegungen zunehmend auf Resonanz. Die Waldorfkollegien denken derzeit darüber nach, wie sie ein sinnvolles Medienkonzept realisieren können.

2017 richtete die Freie Hochschule Stuttgart, Seminar für Waldorfpädagogik, einen Lehrstuhl für Medienpädagogik ein, der einerseits Vorschläge zur medienpädagogischen Didaktik und Methodik erarbeitet und andererseits junge Lehrerinnen und Lehrer darin ausbildet. Die Waldorfschulbewegung ist durch die neuen Technologien nicht nur herausgefordert, ein tragfähiges Medienkonzept zu entwickeln, sondern sich auch auf ihre spirituellen und menschenkundlichen Grundlagen zu besinnen. Sie sollte diese Grundlagen, in dem, was sie bereits gut macht, neu zu verstehen versuchen, und sie sollte sie in dem, was ihr noch fehlt, anwenden.

Zum Autor: Edwin Hübner ist Professor an der Freien Hochschule Stuttgart. Autor mehrerer Sachbücher zum Thema Medienerziehung.

Literatur: R. Steiner: Erziehungskunst Methodisch-Didaktisches (GA 294), Dornach 1990 | Struwwelpeter 2.0. Medienmündigkeit und Waldorfpädagogik. Hrsg. Arbeitskreis Medienmündigkeit und Waldorfpädagogik im Bund der Freien Waldorfschulen e.V., September 2014 | E. Hübner: Medien und Pädagogik. Gesichtspunkte zum Verständnis der Medien. Grundlagen einer anthroposophisch-anthropologischen Medienpädagogik, Stuttgart 2015 | R. Landl (Hrsg,): Aufbruch in die Welt. Waldorfpädagogische Grundlagen der Oberstufe mit Unterrichtsbeispielen, Dornach 2018