Waldorf 100 – Leuchtturmprojekte

Waldorf-One-World-Day

5.782 Kilometer Luftlinie sind es von Berlin zu dem indischen Dorf Jaisalmer. Dort wartet Krishna gespannt auf meine E-Mail. Er fragt, was es alles braucht, um eine Waldorfschule in Indien zu gründen. Welche Genehmigung nötig ist, und wie er den Eltern erklärt, dass die Kinder in dieser Schule nicht geschlagen werden. Technisch ist es uns gelungen, in immer kürzerer Zeit immer größere Entfernungen zu überbrücken und mit Menschen in Verbindung zu treten. Aber ich frage mich, wie es mit der inneren Entfernung aussieht, von Mensch zu Mensch. Was mag diese Entfernung überbrücken? Ich denke, dass es wie bei unserem technischen Wissen und Geschick in Fragen der Erziehung einen ebenso klaren Blick auf die inneren Entwicklungsbedingungen des Menschen braucht.

Die Waldorfpädagogik hat zum Anliegen, ihre Arbeit an solchen inneren Qualitätsmaßstäben zu orientieren. Heute hat sich dieser pädagogische Impuls zu einer weltweiten Bewegung entwickelt, in dessen Zentrum das Ideal steht, jungen Menschen zu helfen, ihre individuelle Freiheit zu entdecken, ebenso wie den Respekt und die Solidarität mit anderen Menschen. Diesem Impuls folgt der weltweite Aktionstag Waldorf-One-World-Day, der die Idee eines weltumspannenden Bandes Wirklichkeit werden lässt – wenn wir es nicht nur denken und fühlen, sondern auch tun. Im Jubiläumsjahr wird in Kooperation mit dem Waldorf100-Staffellauf zu einer ganz besonderen Aktion eingeladen, zu einem Sponsorenlauf, der alle Schulen auf der Welt miteinander verbindet. Ob als einfacher Lauf zur Nachbarschule, über Sternenläufe mehrerer Schulen einer Region bis hin zum Staffellauf quer durchs Land. Die Läufer geben durch den Waldorf100-Staffellauf ein sichtbares Zeichen der Verbundenheit mit der ganzen Welt, damit unsere Herzen in jeder Begegnung weit geöffnet sind.

Zur Autorin: Jana-Nita Raker koordiniert den weltweiten Schüleraktionstags Waldorf-One-World-Day der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V.

waldorf-100.org/project/lauf-um-die-welt/

waldorf-one-world.org


Im Drachenfieber

»Was bekommen die bloß zu essen?« Diese Frage stellte sich ein Besucher der Greifswalder Schulmeisterschaften im Drachenbootrennen, als wieder einmal ein Boot der Freien Waldorfschule scheinbar mühelos und mit sicherem Vorsprung vor allen Konkurrenten ins Ziel glitt. Das gute Essen mag zum Erfolg beitragen; bestimmt auch die Eurythmie, und ganz sicher das ausgeprägte Gemeinschaftsgefühl, mit dem die Schüler der Klassen 7 bis 13 ins Boot steigen. Es hilft auch, dass vom Flussufer des Ryck Mitschüler, Lehrer und jüngere Klassen die Paddler nach Kräften anfeuern. Und: Alle Schüler gehen in den Fluren der Schule täglich an den Pokalen vorbei, die von den Siegen und Erfolgen unserer Teams bei den lokalen, regionalen und sogar deutschen Drachenbootmeisterschaften künden. Das ist allen ein Ansporn: »Dieses Jahr holen wir wieder die vorderen Plätze!«

Seit 2007 ist die Freie Waldorfschule Greifswald vom Drachenbootfieber befallen. Es ist ein toller Teamsport, der körperlichen Einsatz, Rhythmusgefühl und ein gutes Zusammenspiel verlangt. Auf zehn Bankreihen sitzen jeweils zwei Jungen oder Mädchen nebeneinander, tauchen ihre Paddel gleichmäßig ein und ziehen nach Kräften durch, um das zwei Tonnen schwere Boot durchs Wasser zu bewegen. Hinten steht der Steuermann am Ruder und sorgt für den richtigen Kurs; vorn gibt die Trommlerin den Takt an. Die Wettkampfstrecke in hohem Tempo zu bewältigen: Das erfordert nicht nur Kraft, sondern auch Willen – und natürlich gute Koordination aller Bewegungen, denn der gemeinsame Rhythmus macht das Schwere viel leichter.

Dass wir Meister der Kurzstrecke sind, das wissen wir schon. Aber jetzt haben wir uns eine neue Herausforderung vorgenommen. Das hundertjährige Jubiläum der Waldorfschulen steht bevor. Und zur Abschlussveranstaltung der Feierlichkeiten wird die Freie Waldorfschule Greifswald im Drachenboot anreisen: Pünktlich am 19. September 2019 treffen wir auf dem Seeweg in Berlin ein!

Etwa 190 Schüler und Lehrer werden in neun Teams sechs Tage lang nonstopp paddeln. Start ist auf dem Greifswalder Ryck. Dann geht es weiter über den Bodden, den Peenestrom, durchs Oderhaff, über die Oder und Havel bis zur Spree. Das sind etwa 400 Kilometer, die uns alle Kräfte abverlangen werden – dazu die Bereitschaft, vom begleitenden Dampfer aus auf fließendem Gewässer ins Drachenboot zu wechseln, Schiffshebewerke und Schleusen gelassen zu passieren, bei Regen und Wind nicht zu verzagen, Wellen und (Gegen-)Strömung zu bezwingen, morgens und abends in der Dämmerung auf dem Wasser zu sein … Wenn wir am 19. September das Tempodrom erreichen, dann werden wir wissen, was Durchhalten bedeutet! Die Vorbereitungen haben begonnen – nicht nur das Training auf dem Wasser (wie in jedem Frühling), sondern auch die Planung der gesamten Logististik. Jetzt, mit Beginn der Drachenbootsaison, erfasst die Idee die ganze Schule – und alle sind begeistert. Wer wollte nicht beitragen zu dieser ganz besonderen Reise?

Zur Autorin: Anne Wolf unterrichtet Englisch, Spanisch und freie Religion an der Freien Waldorfschule Greifswald.


Wood Harmony

»Welches ist dein Lieblingsholz?« – Diese Frage bekommt man als Werklehrer selten gestellt. Und wenn man dann eines benennen konnte, gleich noch gefragt wurde: »Und wie klingt es?«, muss man schon ziemlich lange überlegen. Auf der Werklehrertagung an der Freien Waldorfschule Engelberg 2017 wurde jeder Tagungsteilnehmer vor laufender Kamera mit diesen Fragen konfrontiert. Der Film steht und damit ist ein weltweites Projekt angelaufen. An über tausend Waldorfschulen rund um den Globus wird ein originärer Ton aufgefangen – das ist die Idee. 2019 sollen tausend einzigartige Töne zu einem gemeinsamen Klang verschmelzen. Zuerst als Welturaufführung bei der Werklehrertagung in Loheland in der Woche vor Ostern 2019 und danach im September in Berlin und von dort um die ganze Welt als Dokumentarfilm versendet.
Ein Werklehrer fragt natürlich sofort: »Was kann ich tun?« – Ganz einfach. Wähle dein Lieblingsholz aus, prüfe den Klang, spalte einen Scheit, möglichst trocken ohne Riss von 60 Zentimeter Länge, runde ihn mit Beil oder Ziehmesser und schnitze oder brenne den Namen des Holzes und deiner Schule ein. Wichtig: Bohre kein Loch in das Holz. Das wollen wir gemeinsam bei der Werklehrertagung 2019 tun. Schließlich verpacke es und ab geht die Post an: Loheland-Stiftung, z.Hd. Thom Hein, Lohe­land, D-36093 Künzell. Denkt bitte daran, keine Hölzer zu schicken, die aus ökologischen Gründen nicht ausgeführt werden dürfen.

Mit Holzklang im Ohr.

Zum Autor: Thomas Verbeck ist Fachlehrer für Holzwerken in der Mittelstufe, Schmieden und Steinhauen in der Oberstufe und für Englisch in der Unterstufe an der Rudolf Steiner Schule Remscheid.

http://werklehrertagung.eu/tagung/
Kontakt: t.hein@loheland.de, m.pappert@loheland.de


Sternlauf

 

18 Waldorfschulen und vier Waldorfausbildungs­einrichtungen in Berlin und Brandenburg beteiligen sich am 9. September 2019 an einem Lauf in das Zentrum der Stadt – zum Brandenburger Tor in Berlin-Mitte.

Aus verschiedenen Himmelsrichtungen werden sie kommen und zu einem großen Strom zusammenfließen, um sich dann gegenseitig zu begrüßen und wahrzunehmen. Jede Schule wird am Ziel etwas von sich vorstellen, was sie gern öffentlich zeigen möchte.

Die Freie Waldorfschule Cottbus liegt am weitesten entfernt. Es müssen über 120 Kilometer bis zum Brandenburger Tor zurückgelegt werden, was man nicht zu Fuß bewältigen kann. Aber man kann einen Ausflugstag daraus machen und dann noch einen Teil des Weges laufen. Dagegen ist es für die Freie Waldorfschule Berlin-Mitte nur ein Katzensprung, worüber die Läuferinnen und Läufer schon fast traurig sind. Die meisten Schulen liegen zwischen zwölf und 25 Kilometern entfernt und werden selbst entscheiden, wie sie das schaffen: ob sie das Fahrrad zu Hilfe nehmen oder auch den Bus oder Zug. Entscheidend ist, dass man dabei ist und zusammenkommt! Der Lauf am 9. September bildet den Auftakt der zweiwöchigen zentralen Veranstaltungen in der Region zu Waldorf 100.

Es gibt aber auch über das gesamte Jahr 2019 verteilt verschiedene Projekte, sodass es insgesamt ein ganz besonderes Jahr wird. Die gemeinsame Bewegung vom Umkreis zum Zentrum spiegelt auch gut die gesamte Situation wider, denn wir lernen uns durch die Vorbereitungen dieses besonderen Jubiläumsjahres schon jetzt besser kennen. Die Menschen, die aus den einzelnen Schulen delegiert wurden, um sich monatlich zu treffen und die gesamte Vorbereitung im Auge zu haben, bilden eine Arbeitsgruppe. Darüber hinaus sind Fachkonferenzen entstanden, die es so bisher nicht gab. Ein Vorbild waren uns die Eurythmistinnen und Eurythmisten, die es seit fast 20 Jahren schaffen, in jedem Jahr eine gemeinsame Aufführung mit Beiträgen aus den Oberstufen der Berliner und Brandenburger Schulen auf die Beine zu stellen. Da haben wir uns gedacht, dies muss doch auch in anderen Fachbereichen zu schaffen sein! So werden wir die Klassenspielaufführungen in zwei Zeltprojekten zusammenführen und Musikalisches von mehreren Schulen als eine gemeinsame Darbietung auf die Bühne bringen.

Die gemeinsamen Vorbereitungstreffen, schließlich die Durchführung der Feiern zum hundertjährigen Jubiläum sind eine sehr gute Voraussetzung für eine gemeinsame Zukunftsgestaltung – denn in Zukunft wird die Gemeinsamkeit mehr denn je gefragt sein.

Dorothee Kionke, Landesarbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburg.