In der Friedel-Eder-Schule werden neben klassischen Unterrichtsfächern auch Aktivitäten wie Theater, Sport und Tanzen angeboten. In der Tanzgruppe üben die Schüler:innen ganz unterschiedliche Tanzarten und Choreografien, die sie teils selbst, teils mit ihrer Lehrerin Patricia Scharf einstudieren. Die Friedel-Eder-Schule ist eine heilpädagogische Einrichtung und die Jugendlichen haben unterschiedliche Einschränkungen wie das Down-Syndrom, Epilepsie oder Hörschädigungen. Eines der Mädchen ist fast gehörlos, aber durch ihre Hörgeräte wird es ihr möglich, Teile der Musik zu erfassen. Dennoch lernt und übt sie eine Choreographie ganz anders als hörende Menschen, zum Beispiel über das Zählen und über die Bewegungslängen.
«Beim Tanzen merkt man von den Einschränkungen der Jugendlichen nichts. Sie haben hier die Möglichkeit, eine ganz neue Form zu finden, sich auszudrücken. Und das Schöne am Tanzen ist, dass die Jugendlichen sich ganz auf ihre Stärken konzentrieren. Und diese werden dann statt den Beeinträchtigungen sichtbar! Da braucht niemand Sprache oder sonstiges, was trennt», sagt die Tanzlehrerin begeistert.
Schon 2023 trat die Tanzgruppe in den Special Olympics landesweit in Bayern an und gewann einen ersten Platz. Das qualifizierte sie, um auch in diesem Jahr auf bundesweiter Ebene dabei zu sein. Im letzten Jahr die Jugendlichen praktisch ein Heimspiel. Zum Wettbewerb nach Bad Tölz hatten es Tänzer:innen und ihre zahlreichen Fans aus der Schule nicht weit. In diesem Jahr war die Teilnahme mit einer richtigen Reise verbunden. Sechs Jugendliche, Patricia Scharf und ein weiterer Kollege fuhren nach Oberhof in Thüringen, was knapp vier Stunden von der Schule entfernt liegt. Die Gruppe wohnte eine ganze Woche lang in zwei Ferienwohnungen, kochte gemeinsam und trainierte vor Ort für das Tanzturnier.
«Ich habe aus dieser Woche so viel mitgenommen», sagt Scharf. «Das Miteinander in der Gruppe war so harmonisch. Die Jugendlichen überlegten und planten gemeinsam die Mahlzeiten und kochten zusammen. Sie gingen so wunderbar miteinander um, allein das war ein Erlebnis der ganz besonderen Art.»
Der Auftritt rückte näher, die Aufregung stieg, aber die Jugendlichen blieben im positiven Stress. Es gab schon auch Unsicherheit und Angst, aber die Tänzer:innen unterstützten sich gegenseitig. Für die Aufführungen vor den Wertungsrichter:innen wurde ein technischer Kontakt zur Schulgemeinschaft der Friedel-Eder-Schule hergestellt und die Tänze im Saal der Schule auf großer Leinwand übertragen, sodass die gesamte Schulgemeinschaft von 140 Menschen mitfiebern konnte.
Die fünf Wertungsrichter:innen der Special Olympics haben selbst einen professionellen Tanzhintergrund. Sie vergeben Punkte nach unterschiedlichen Kriterien. Sie bewerten die Choreografie, die Musikalität, die Präsenz, die Zusammenarbeit und das Miteinander der Gruppe und somit auch das Synchrontanzen, die Pflichtelemente und ihre Durchführung. So muss etwa in einer Choreografie eine 360-Grad-Drehung vorkommen, was keine leichte Übung ist. Das Problem dabei ist nicht die Drehung selbst, sondern sie «zu stehen», also nach der Drehung nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Jugendlichen hatten diesen Teil der Pflicht-Choreographie lange geübt, sie überlegten, wie man sie umsetzen könnte und wie man es schaffen würde, nicht umzufallen – aber auch, was man tun kann, wenn mal etwas nicht klappt.
«Ich weiß nicht, ob ich mich das in diesem Alter getraut hätte», resümiert Scharf. Vor vielen Fernsehkameras, vor Fotograf:innen, vor Publikum und vor fünf Richter:innen gaben die sechs im Alter von 12 bis 18 Jahren ihr Bestes und gewannen in den verschiedenen Tanzarten Performing Arts und Streetdance in den Solos die Plätze 1 bis 5 und in dem Teamdance den zweiten Platz. «Das Tollste dabei war, die Energie wahrzunehmen, denn die Jugendlichen strahlten richtig und die Konzentration und Freude waren groß», erzählt Scharf.
«Das Beste war, an meinem Geburtstag die Goldmedaille zu gewinnen, ich hatte Freudentränen!», sagte eine Jugendliche. Aus den Teilnehmer:innen der diesjährigen Special Olympics werden im nächsten Jahr zwei aus Deutschland ausgewählt, um auf internationaler Ebene anzutreten. Patricia Scharf hat das Friedel-Eder-Dance-Team schon für das Turnier im italienischen Turin angemeldet. «Ich habe Lust, eine neue Choreo zu machen. Ich habe schon Ideen und ein Lied», sagte eine Teilnehmerin.
Noch Monate nach ihrem Erfolg sind die Jugendlichen von dem Stolz getragen, diese Leistung vollbracht zu haben und ihr Selbstwertgefühl ist erheblich gewachsen, berichtet Scharf. «Ich bin so stolz auf meine Medaillen, sie hängen über meinem Bett», hat zum Beispiel ein Jugendlicher erzählt. Aber auch weiterhin soll es in der Tanzgruppe aber nicht darum gehen, perfekt zu sein oder nur auf Leistung zu trainieren. Spaß an der Bewegung und an den Ausdrucksformen bleibt weiterhin das Wichtigste im Unterricht an der Friedel-Eder-Schule.
Kommentare
Ein toller Artikel, der mich mitnahm zu den Mühen und auch der Freude, die mit diesem Tanzwettbewerb verbunden sind. Ich freue mich sehr, dass die Schüler ihre ersten Lorbeeren ernten konnten. Die ganze Schulgemeinschaft fieberte mit. Wünsche den Tänzern und ihrer engagierten Tanzlehrerin noch viele tolle Erlebnisse und viel Erfolg in Turin.
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