18.10.2010. Die Rudolf Steiner Schule Nürtingen wird mit Unterstützung der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen.
Der VGH hatte festgestellt, dass das staatliche Fördersystem für die Schulen in freier Trägerschaft »noch nicht als verfassungswidrig qualifiziert werden« müsse. Gleichzeitig hatte er hervorgehoben, dass die Ermittlung der Höhe der Landeszuschüsse intransparent sei. Diese weise eine »wettbewerbverzerrende Wirkung« zuungunsten der freien Schulen gegenüber den staatlichen Schulen auf.
Im Urteil wird außerdem die Auffassung der klagenden Schule bestätigt, dass die insgesamt gewährten Zuschüsse das verfassungsrechtlich gewährleistete Existenzminimum der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg nicht hinreichend sichern und daher unzureichend seien. Außerdem müssten die Zuschussbescheide neu gefasst werden, wobei der Ausgleich für Schulgeld auf das die Schule aus sozialen Gründen verzichtet, berücksichtigt werden müsse. Dieser Ausgleichsanspruch ergebe sich nach Auffassung des Gerichtes aus Artikel 14 der Landesverfassung.
Eine höchstrichterliche Entscheidung könne den Gesetzgeber verpflichten, so Albrecht Hüttig vom Vorstand des Bundes der Freien Waldorfschulen, die Landeszuschüsse so zu erhöhen, dass die Betriebskosten einer Schule in freier Trägerschaft tatsächlich abgedeckt seien. Die vom VGH als zumutbar betrachteten 70 Euro monatliches Schulgeld könnten dann auch eingehalten werden.
Hinsichtlich des verfassungsrechtlich zumutbaren Schulgeldes kam das Gericht auf Grundlage der Gutachten des Steinbeis-Transferzentrums zu der Einsicht, dass der Betrag von 70 Euro pro Schüler und Monat nicht überschritten werden dürfe. Der Schulträger habe Anspruch auf Ausgleichszahlung, wenn den Eltern Schulgelderlass gewährt werde. Von den Waldorfschulen dürften außerdem keine zusätzlichen Eigenleistungen von den Eltern erwartet werden, da diese nichts weiter als eine zusätzliche Art von Schulgeld darstellen würden.
Obwohl das Gericht die Ansicht vertritt, dass die Bau- und Investitionskosten nicht Gegenstand des Verfahrens seien, kam es zu der Einschätzung, dass durch diese Kosten sowie die zuschusslose Wartefrist die Freien Waldorfschulen wirtschaftlich bedroht seien. So sagt das Gericht wörtlich: »Dass durch diese strukturelle Lücke der weitere Bestand des Ersatzschultyps Freie Waldorfschule ernsthaft gefährdet werden könnte, lässt sich nicht ausschließen«.
Die Freien Waldorfschulen im Lande fordern zum wiederholten Male und im Sinne dieses Urteiles, dass die Landesregierung nun sofort ihr Versprechen einlöst, die Landeszuschüsse an die freien Schulträger auf mindestens 80% der Kosten eines staatlichen Schülers anzuheben. »Die Landesregierung müsste spätestens jetzt erkannt haben, dass ihre bisherige Praxis keinen Bestand vor einer richterlichen Prüfung hat«, so Hüttig. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschule in Baden-Württemberg hat diese Praxis des Landes seit vielen Jahren immer wieder kritisiert. »Es ist symptomatisch, dass offensichtlich nur durch gerichtliche Urteile das Freie Schulwesen gesichert werden kann«, ergänzt der Prozessbeauftragte.
In der LAG sind 56 Waldorfschulen als Mitglieder vertreten. Fast alle Schulen haben seit 2004 Klage gegen die Zuschussbescheide des Landes auf dem Hintergrund der Musterklage der Nürtinger Rudolf Steiner Schule erhoben. Rund 23.500 Schüler besuchen derzeit eine Waldorfschule in Baden-Württemberg. Bundesweit gehen rund 80.000 Schülerinnen und Schüler an eine Waldorfschule.
Ansprechpartner: Christian B. Schad, Landesgeschäftsführer. Tel: 0711 / 48 12 78