»Gerade angesichts der immer öfter wechselnden politischen Mehrheiten in den Landtagen der Bundesländer sehen sich die Freien Schulen ständig aufs Neue von existenzbedrohenden Kürzungen oder vom Einfrieren ihrer Zuschüsse bedroht. Hier ist ein Umdenken in allen Parteien nötig, damit die Freien Schulen endlich als das anerkannt werden, was sie in der deutschen Bildungslandschaft wirklich sind: Ein wichtiger Motor für Innovationen auch im staatlichen Schulsystem und eine grundgesetzlich garantierte Alternative für Eltern, die andere pädagogische Profile wollen«, betonte dazu Henning Kullak-Ublick vom Vorstand des BdFWS. Die Studie des IW zeige diese Gefährdungssituation deutlich auf.
Mit den staatlichen Zuschüssen, die nur 50 bis 60 Prozent der realen Kosten eines Schülers an einer staatlichen Schule betragen, können die Freien Schulen nur einen Teil ihrer tatsächlichen Kosten abdecken. Sie sind »systematisch unterfinanziert«, heißt es in der Studie. »Es ist ersichtlich, dass Sparmaßnahmen zu Lasten der Freien Schulen damit schnell an die Substanz gehen«, so Kullak-Ublick weiter. Vor allem die Verweigerung von Zuschüssen in der Gründungsphase, die meistens drei Jahre betrage, sei ein Affront gegen Eltern, die mit privatem Engagement neuen Schulkonzepten zum Leben verhelfen wollten. »Gerade die Waldorfschulen entstehen aus zivilgesellschaftlichem Engagement heraus. Dies sollte von den Bildungspolitikern nicht nur verbal anerkannt, sondern endlich mit einer gleichwertigen Finanzierung gewürdigt werden«. In den neuen Bundesländern komme noch hinzu, dass gerade die Waldorfschulen von den Bürgern im Zuge der Wende in Abkehr vom staatlichen Einheitsschulwesen der ehemaligen DDR gegründet worden seien.
Durch die chronische Unterfinanzierung des Freien Schulsektors spart die Öffentliche Hand nach Angaben der IW-Studie jährlich im Bereich der allgemeinbildenden Schulen rund 2,4 Milliarden Euro. Kullak-Ublick: »Diese Einsparung erfolgt einerseits immer wieder zu Lasten der Lehrer, die geringere Gehälter beziehen, als an den staatlichen Schulen, andererseits zu Lasten der Eltern, die Schulbeiträge aufbringen müssen.«
Auch das IW weist darauf hin, dass die Freien Schulen durch die permanente Unterdeckung ihrer Kosten dazu gezwungen seien, Elternbeiträge zu erheben, die deutlich über den Beträgen liegen, die der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg in seinem Urteil vom Juli 2010 (AZ 9 S 2207/09) als zumutbar erachtet hat. Die Freien Schulen würden so gezwungen, gegen das im Grundgesetz verankerte Sonderungsverbot zu verstoßen.
Immer mehr Eltern in Deutschland entscheiden sich für Freie Schulen, seit 1992 ist die Zahl der Schüler an Freien Schulen um rund 65 Prozent von 450.000 auf 705.000 im Jahr 2009 gestiegen. »Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Eltern suchen individuelle Förderung für ihre Kinder, die sie im staatlichen Schulsystem vermissen. Das Grundgesetz gesteht ihnen diese Wahlmöglichkeit auch zu« betont Kullak-Ublick. Im internationalen Vergleich sei Deutschland hinsichtlich des Freien Schulwesens jedoch eher ein Entwicklungsland: Während im OECD-Durchschnitt 13,7% der Schüler Freie Schulen besuchen, seien es in Deutschland nur 7,2%. »Das ist noch ein weiterer Grund, der zum Umdenken anregen sollte«, so der Sprecher des BdFWS.
In der IW-Studie wird auch kritisch angemerkt, dass es bisher kaum systematische Forschung zum Thema Freie Schulen in Deutschland gebe. Hier weist der BdFWS auf die Arbeit des Instituts für Bildungsforschung und Bildungsrecht e.V. (IfBB) hin, das vor kurzem als An-Institut an die Ruhr-Universität Bochum angegliedert wurde. Mit öffentlichen Veranstaltungen macht das Institut auf die Problematik der Freien Schulen in Deutschland aufmerksam, die nächste dazu wird noch im Juli unter Teilnahme der NRW-Bildungsministerin Sylvia Löhrmann in Bochum stattfinden (siehe Terminhinweis).
Terminhinweis
Symposion »Selektion und Gerechtigkeit in der Schule«
15. Juli 2011 an der Ruhr-Universität Bochum