Waldorf erklärt

Waldorfschulen wehren sich. Fakten gegen Fake News

Erziehungskunst | Warum plötzlich diese Welle von Anti-Waldorf-Angriffen?

Nele Auschra | Ich denke, das hängt mit der Diskussion um Corona und der Schwierigkeit der Gesellschaft im Umgang mit einer derart komplexen Pandemie zusammen. Der Idee der Anthroposophie wird fälschlicherweise das Etikett »Impfgegner« umgehängt. Und dann hat man ganz schnell einen billigen Sündenbock für niedrige Impfraten.

EK | Wie stehen denn Waldorfschule und Anthroposophie zum Impfen?

NA | Im Durchschnitt genauso wie die bundesdeutsche Bevölkerung. Die große Mehrheit der Lehrerkräfte in Waldorfschulen ist geimpft. So vermeldet eine Bremer Waldorfschule zum Beispiel eine Impfrate von 91 Prozent im Kollegium. In anderen Schulen wurde extra der Impfbus bestellt, sie wurden zu Impfzentren sogar für die Bevölkerung außerhalb der Schule. Wie auch in der Gesamtbevölkerung finden sich aber natürlich auch an unseren Schulen Menschen, die die Maßnahmen kritisch beurteilen.

EK | Aber es gibt doch Stimmen, die sich gegen das Impfen aussprechen.

NA | Ja die gibt es – wie überall in der Gesellschaft. Dass diese Stimmen in einigen wenigen unserer insgesamt 254 Schulen lautstark sind, registrieren wir als BdFWS mit Befremden und Bedauern. Sie dominieren das Gesamtbild und machen die Vielfalt der Schulen und der Waldorfschul-Idee unsichtbar. Uns ist klar, dass wir hier eine Aufgabe haben.

EK | Rudolf Steiner, Gründer der Anthroposophie, wird in den Angriffen gerne als Impfgegner bezeichnet.

NA | Das ist schlicht falsch. Aus seinen Vorträgen und Werken ist keine Festlegung auf eine Impfgegnerschaft herauszulesen, im Gegenteil, er lehnte Widerstand gegen das Impfen ab. Er pflegte und empfahl einen pragmatischen Umgang damit und hat sich selbst – und auch von ihm betreute Kinder – zum Beispiel gegen Pocken impfen lassen. Entscheidend ist doch: der BdFWS hat sich schon lange wiederholt und nachdrücklich in mehreren Erklärungen für die Einhaltung der Pandemiemaßnahmen ausgesprochen und den Beitrag der Corona-Schutzimpfungen zur Eindäm-
mung der Pandemie hervorgehoben. Wir haben gegen einen Blogger, der uns entgegen diesen Tatsachen in die Ecke der Impfgegner stellen wollte, gerade eine Abmahnung gerichtet und beabsichtigen eine gerichtliche Klärung.

EK | Und wie steht es mit den Rassismus-Vorwürfen?

NA | Bereits in den 1990er Jahren hat eine Kommission unter Leitung des Menschenrechtsexperten Dr. Th. A. van Baarda das Gesamtwerk Rudolf Steiners auf diskriminierende Äußerungen durchsucht. Sie ist in den etwa 89.000 Seiten auf 16 Zitate gestoßen, in denen z. B. Stereotype verschriftlicht wurden, die inakzeptabel sind und der Grundhaltung der Anthroposophie zuwiderlaufen. Denn Steiners Vorschlag zur Antwort auf die soziale Frage war ein zutiefst humaner, nämlich die Überwindung aller Nationalismen und die Verwirklichung eines allgemein menschlichen Miteinanders. Mit den genannten 16 Zitaten und Passagen wird heute nun der Rassismus-Vorwurf gegen die gesamte Idee der Waldorfschulen begründet. Das ist erstens lächerlich und zudem eine falsche Darstellung. Denn schon in der sogenannten Stuttgarter Erklärung aus den Jahren 2007 und darauffolgend haben sich Waldorfschulen explizit von solchen Äußerungen Steiners distanziert. Sie dulden diskriminierende Tendenzen in ihren Einrichtungen nicht und wehren sich gegen rassistische und nationalistische Vereinnahmungen. In einem Fall einer solchen falschen Darstellung erwägen wir eine Klage – die Journalistin hatte wohl beim Recherchieren diese und zahlreiche andere Quellen einfach nicht berücksichtigt.

EK | Auch die Rolle der Waldorfschulen in der NS-Zeit wird gerne herangezogen, um Waldorfschulen in eine rechte Ecke zu stellen ...

NA | ... was aber nicht den Tatsachen entspricht. Denn während der Zeit des Nationalsozialismus wurden im Deutschen Reich Waldorfschulen unterdrückt und schließlich geschlossen – wenn die Schulen den Betrieb nicht schon selbst eingestellt hatten. 1935 wurde die Anthroposophische Gesellschaft verboten. Wer versucht, damals oder heute den Waldorf­schulen Nähe zu rechtsextremen Tendenzen zu unterstellen, ignoriert die Fakten. Klar gab es, wie überall auch, einige wenige Kollaborateure mit dem Nazi-Regime. Diese Schuldgeschichte wurde und wird weiterhin aufgearbeitet.

EK | Warum werden Waldorfschule und Anthroposophie zurzeit so häufig in den Kontext der Impfgegner gestellt?

NA | Das müssen Sie diejenigen fragen, die das tun. Es sind übrigens meist dieselben Handelnden, ein relativ kleiner Kreis – und Journalist:innen schreiben leider allzu oft solche falschen Darstellungen ab. Zu den Motiven kann ich nur mutmaßen. Wir wissen, dass es sich bei den Urhebern solcher Äußerungen zum Teil um Menschen handelt, die meinen, schlechte Erfahrungen mit einer anthroposophischen Einrichtung, etwa einer Klinik, gemacht zu haben. Und auch, wenn in einer Studie unter Waldorfschul-Absolventen Anfang des Jahres festgestellt wurde, dass neun von zehn Ehemaligen wieder eine Waldorfschule besuchen würden – es gibt selbstverständlich Menschen, die keine guten Erfahrungen in ihrer Schulzeit gemacht haben, was ihre heutige Einstellung dazu mitprägt. Häufig gehen Menschen aus solchen persönlichen Gründen ihrem Eiferertum gegen die Anthroposophie nach. Und da scheint dann kein Argument mehr absurd genug zu sein.

EK | Wie werden Sie weiter mit diesen Anschuldigungen umgehen?

NA | Deutlicher als bisher. Anfangs haben uns solche Angriffe irritiert, aber wir haben nicht reagiert. Damit ist jetzt Schluss. Es wird immer deutlicher, dass hier einige Leute eine Kampagne gegen die Waldorfschulen und gegen die Idee der Anthroposophie vom Zaun zu brechen versuchen. Da dies zunehmend mit Fake News und falschen Tatsachenbehauptungen geschieht, werden wir nicht zögern, solche Lügen zu entlarven.

Das Interview führte Matthias Niedermann.

Kommentare

Martin Henkel,

Sehr geehrte Frau Auschra,

mein Name ist Martin Henkel. Ich bin dreifacher Vater. Meine mittlere Tochter geht in einen Waldorfkindergarten, meine „Große“ ist Waldorfschülerin (3. Klasse). Ich selbst bin Elternvertreter, Mitglied eines IK zum Aufbau unseres Kindergartens, Journalist und Medienberater.

Ich habe mit Interesse Ihr Interview zum Thema Framing von Waldorfschulen gelesen. Das "Befremden", das Sie in Bezug auf die "lautstarken Stimmen gegen das Impfen" an einigen Waldorfschulen beschreiben, nehme ich auch im Kontakt mit Ihrer Befindlichkeit dazu wahr. Was befremdet Sie daran, dass es Stimmen an Waldorfschulen gibt, die sich kritisch zum Impfen äußern? Ist die Grenze des „freien Geisteslebens“, deren Ort Waldorfschulen sein wollen, ihrer Meinung nach mit einer freien Meinungsäußerung zum Impfen erreicht – und zwar jenseits eines ästhetischen Urteils zur Art des Vortrages? Das hielte ich für eine sehr bedenkliche Eingrenzung dessen, was sich nicht einmal die Gesellschaft erlaubt, in der die freie Impfentscheidung immer noch gilt.

Ich selbst habe in den vergangenen Monaten die Sündenbock-Strategien etwa bei SPIEGEL und ZEIT wahrgenommen, mit denen Waldorfschulen als Quellen impfkritischer Positionen bezeichnet wurden. Man darf mit Fug und Recht sagen, dass die Anthroposophie tatsächlich einen "anderen Blick“ auf Gesundheit, Immunität und Leben wirft als die klassische Medizin und Wissenschaft. Und darauf darf man meiner Ansicht nach stolz sein, denn es ist mittlerweile auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass ein ganzheitlicher Umgang mit der Gesundheit des Menschen der Vorsorge und Therapie von Krankheiten nicht schadet. Und ja, ich hoffe, dass aus diesen Aspekten heraus eine impfkritische Haltung noch statthaft ist. Auch an Waldorfschulen! Das ist per se weder ein "rechtes" noch "asoziales" Verhalten, wie vielerorts pauschal und teils diffamierend allen unterstellt wird, die jenes Recht aus freier Geisteshaltung (und durch das Gesetz abgestützt) für sich in Anspruch nehmen, eben eine freie Impfentscheidung zu fällen.

Ich als Schulpapa und aktives Mitglied der Waldorfschulbewegung wünsche mir von der "Sprecherin des Bundes", dass Sie nicht Gefahr laufen, sich so zu verhalten, wie Sie es Teilen der "Gesellschaft" bzw. Medien vorhalten: nämlich Sündenböcke zu suchen.

Mit lieben Grüßen.

David Reymann,

Erfreulich, wenn sich der BdFWS einem freiheitlichen Ansatz verpflichtet sieht!
Dieser freie Ansatz freier Schulen erfordert neben der Vermeidung von Rechtsextrem auch die Vermeidung von Linksextrem, Klimaextrem, Impfextrem etc. und erfordert Mut, dies auch gegen politische Wetterlage zu behaupten.
Bleiben Sie stark und halten Sie den Lernraum unbelastet, damit die Kraft zum eigenständigen Denken heranwachsen kann - Kaderschmieden polit-ideologischer Strömungen brauchen wir keine, dazu sollte sich der Waldigedanke nicht herablassen.
Dann lieber wieder verbieten lassen.
Mit bestem Gruße

Paul Felske, Berlin 10961,

Die wahre Situation zeigt der Artikel zusammen mit den Leserbriefen!
Ich kann Frau Auschra leider absolut nicht zustimmen, dass das Hauptproblem Angriffe und Unterstellungen von aussen sind.
Die Presse schlachtet letztlich nur aus, was auf wahren Tatsachen beruht!
Herr Henkel (als Waldorfpapa) schreibt ja in seiner Reaktion auf Frau Auschra deutlich, dass er stolz darauf ist, Impfgegner zu sein und er begründet es auch direkt mit dem "anderen Blick" der Anthroposophie. Auch nahmhafte bzw. hochrangige Anthroposophen verkünden lautstark ihre entsprechende Meinung (immer mit Begründung durch die Anthroposophie und anscheinlich mit dem starken Bedürfniss, in der Öffentlichkei präsent zu sein) und haben keine Berührungsängste, mit radikalen Querdenkern gemeinsam Beiträge zu erstellen!

Bei uns an der Schule wird das Thema Impfen noch nicht mal direkt diskutiert da schon die Maskenproblemaktik und das Thema Testen die Schulgemeinschaft an ihre Grenzen bringt! 30% der Lehrer und Eltern (für ihre Kinder) verweigern lautstark das Maskentragen, aus vorgeschobenen medizinischen Gründen und mit (unterdessen hinfälligen) Gefälligkeitsattesten. (Es ist fast ein Wunder, dass die lokale Presse davon noch nichts mitbekommen hat). In den Diskussionen wird aber klar, dass es doch mehr um die individuelle Freiheit und eine einseitige Interpretation Steiners geht oder aber daass die bekannten "alternativen" Kanäle ohne jegliche Reflexion zitiert werden. Dass damit einhergehende erhöhte Risiko für andere, angesteckt zu werden und auch schwer zu erkranken oder dass die Klassen wegen Coronafällen geschlossen werden müssen und die Schule gegen Vorschriften verstoßen soll, wird ignoriert. Es wird von dieser Gruppe ein „aufeinanderzugehen“ gefordert aber sie sind selbst zu keinerlei Kompromissen bereit. (Wenn das kein Egoismus ist, was dann?).

Die Versuche, dem durch die Schule Einhalt zu gebieten durch z.B. Anlehnung an die Standards des BdFWS hat die Eskalation vorangetrieben. Wer von den Verantwortlichen sich vorwagt, wird dann gleich persönlich auf unterstem Niveau angegriffen. (Anmerkung: Auch Herr Henkel richtet seine Kritik personalisiert gegen die "Sprecherin des Bundes" aber nicht gegen den BdFWS selbst).
Die Konsensdemokratie und das typische Fehlen jeglicher Hierarchien an Waldorfschulen führt zu Handlungsunfähigkeit. Ein Großteil der Lehrer und des Vorstandes traut sich nicht etwas zu sagen da man ja die Harmonie noch irgendwie retten will obwohl diese schon kaputt ist und es nur noch verzweifelte Versuche sind, die Konflikte zu verdecken. Die ersten engagierten Mitarbeiter haben schon frustriert gekündigt. Der Geschäftsführer schweigt, da er die Insolvenz kommen sieht wenn auch die Schülerzahlen sinken und das ist mehr als wahrscheinlich.
Neue Lehrer und Eltern an unserer Schule haben mitgeteilt, dass sie letztlich wegen der "lockeren" Coronamaßnahmen an unsere Schule gekommen sind!
Gemäßigtere Eltern machen sich echte Sorgen, ob sie bei der aktuellen Situation ihre Kinder in die Schule schicken können (bzw. ob das noch wirklich die richtige Schule ist!)

Es gibt, gewollt bzw. bewusst oder nicht, eine deutliche Schnittmenge bei der coronaskeptischen Waldorfgemeinschaft und rechten Strömungen:
- Die Forderung aus dem "freien Geistesleben" auch ein Recht abzuleiten, staatliche Vorschriften ignorieren zu dürfen mit Einstellungen radikaler Querdenker und Reichsbürgern.
- Die Anthroposophische Medizin hat viele Berührungspunkte mit der "Germanischen Neuen Medizin".
- Anthroposophische Esoterik ist in erschreckend vielen Punkten sehr ähnlich mit rechter Esoterik.
- Der BdFWS hat sich zwar klar und deutlich von den aus heutiger Sicht nicht akzeptablen rassistischen oder antisemitischen Äußerungen Steiners distanziert, wenn aber auch in Bezug auf Corona-Themen die öffentliche Stellungsnahme des BdFWS konträr zu den parallelen Publikationen aus der Waldorfwelt ist, dann wird diese Distanzierung nicht als glaubwürdig empfunden werden!

Die Waldorfgemeinschaft hat daher aktuell eine hohe Anziehungskraft auf Menschen sowohl aus dem rechten Umfeld als auch aus dem subjektiv verschwörerisch, radikal "anders" orientiertem Umfeld. Die aktuelle Mehrheit von Eltern, die einfach eine kindgerechte, vielseitig am Wesen des Menschen orientierte, künstlerische und gedanklich freie Ausbildung für ihre Kinder wollen, fühlen sich dagegen zunehmend unwohl.

In meiner jahrzehnten langen Erfahrung mit Waldorfpädagogik war es normal, das es ein internes Ringen zwischen konservativen, ideologisch radikalen ("versteinerten") Kräften und progressiven idealistischen Kräften gab, der zu vielseitigen Kompromissen oder Lösungen führte mit dem Ergebnis, dass die Schulen ihren aktuell in der Gesellschaft etablierten Status erreichen konnten und in dem Wettbewerb der zeitgemäß menschlich richtigen Schule mithalten konnten.
Aktuell stehen die Schulen aber vor der kritischen Zerreißprobe:
Es geht nicht mehr um Ideologien oder Meinungen, sondern es stehen durch Corona auch Menschenleben auf dem Spiel gegenüber einer anthroposphischen Ideologie, die darauf keine Rücksicht nehmen will!
Wenn wir die Waldorfschulen nicht den radikalen Querdenkern und rechten Minderheiten überlassen wollen (mit der Konsequenz, dass diese Minderheiten die aktuellen Waldorfschulen finanziell nicht tragen können und somit eine radikale Reduzierung notwendig wäre), ist es notwendig, einen deutlichen und selbstbewusst gemeinsamen Konsens einzufordern und durchzusetzen und auch den Ideologen in den eigenene Reihen ein deutliches Feedback zu geben.
Aber nochmal (in Bezug auf den ursprünglichen Text): Das ist unsere interne Waldorf-Herausforderung! Die externe Presse kommentiert das nur.

Paul Felske, Berlin,

@David Reymann,
scheinbar sind sie neu im Verein bzw. Waldorf-Umfeld!
Natürlich sind alle extremen Ideologien fragwürdig.
Wenn Waldorf aber in Bezug zu "rechtextrem" gestellt wird, hat das mit einzelnen Äusserungen Steiners zu tun (vor WK2 bzw. 3.Reich), die heutzutage klar als rassistisch oder antisemitisch eingestuft werden würden. Insofern (und in Hinblick auf aktuelle Aktivitäten) sind eher Rechtextreme das primäre Problem für die Waldorf Pädagogik.

David Reymann,

@Paul Felske
Da trügt der Schein wohl.
Danke für die Unterstützung der gemäßigten Sichtweise. Im hier und jetzt, ausbildend für die Zukunft ist das Wissen um die Vergangenheit zwar hilfreich doch sollten Fehler einer bspw. absoluten Aufladung eben aus dem Wissen um die Vergangenheit nicht gradewohl erneut begangen werden. Ich bin hier strickt freiheitlich und verbitte mir ein quervergleich. Inwieweit es bei Corona um Menschenleben damit um ein Totschlagargument und bei Gesichtswindeln um Kindesmissbrauch und dabei ebenfalls um ein Totschlagargument geht - dahingestellt.
Uns und insbesondere unseren Kindern wird mit einer freiheitlichen Entwicklungsmöglichkeit nach meinem Dafürhalten mehr geholfen als mit dem wirtschaftlichen Tragfähigkeitsüberlegungen einer obrigkeitshörigen Ausrichtung unserer Schule, die auch in der Vergangenheit aufrecht ihren Weg ging und im Zweifel eben verboten wurde. Das ist nach meiner Auffassung und so lange es im wesensgemäßen Sinne unserer Kinder ist immer noch der richtige Weg.

Silke Beyersdorff, Hamburg,

Ja. In den öffentlichen Medien werden Waldorfeltern und -lehrer derzeit per se als rechtsradikale Querdenker und esoterische Corona-/Klima- und Holocaust-Leugner diffamiert. Dass die Waldorfschulen sich dagegen "wehren" wollen, ist verständlich. Doch dass Nele Auschra dazu in dasselbe Horn bläst wie die ebendiese Medien und sich "mit Befremden und Bedauern" von "Stimmen, die sich gegen das Impfen aussprechen" distanziert, hat mich persönlich sehr betroffen gemacht. Man fragt sich beklommen, von welcher "Aufgabe" sie spricht und auch, was zukünftige Sprechher*innen des BdFWS wohl in ähnlichen Interviews sagen werden, wenn sich - rein hypothetisch - in den kommenden Jahrzehnten doch Langzeitfolgen zeigen sollten, die die öffentliche Wahrnehmung dieser Impfungen verändern. "Rudolf Steiner hat immer schon auch auf die negativen Wirkungen von Impfungen hingewiesen"? "In unseren damals 254 Schulen gab es während der Pandemie immer Stimmen, die sich lautstark gegen das Impfen ausgesprochen haben"? "Klar gab es, wie überall auch, Waldorfschulen mit einer Impfrate von 91 Prozent im Kollegium - dass in einigen wenigen Schulen extra Impfbusse bestellt wurden, die zu Impfzentren sogar für die Bevölkerung außerhalb der Schule wurden, ist bedauerlich und wurde und wird weiterhin aufgearbeitet"? Auf ein "Die Anthroposophische Gesellschaft wurde 2020 verboten" werden wir uns nicht herausreden können.

Stefan Oertel, Seeheim-Jugenheim,

Dass sich der Vorstand des BdFWS gegen unfaire mediale Attacken wehren muss, sehe ich ein. Aber die Art, wie er sich dabei auf die Seite der Angreifer stellt, geht mir entschieden zu weit. Jetzt wird also erklärt, man habe eine "Aufgabe" gegenüber "lautstarken" Impfkritikern in den eignen Reihen. Im Satz davor ausgerechnet das Schlagwort "Vielfalt der Schulen"!
Im Ernst jetzt? In einer Welt, in der aus allen Massenmedien lautstark die Impfpropaganda röhrt - man kann sich kaum mehr davor retten - wollen Sie die "Vielfalt" erhalten, indem Sie sich gegen ein paar angeblich "lautstarke" Impfkritiker stellen?
Im Juni 2021 hat sich der Vorstand bereits von "Corona-Leugnung" und Rechtsradikalismus so distanziert, dass beide Begriffe in denselben Satz gepackt waren, ach ja, und von "Simplifizierungen" distanzierte er sich auch gleich mit. Bereits damals sah man, dass es der Vorstand für richtig hielt, das manipulative Framing der Massenmedien einfach zu übernehmen und mit den Wölfen zu heulen. Und benutzte passend dazu den simplifizierenden Kampfbegriff "Corona-Leugnung", wobei man sich natürlich gleich darauf von "Simplifizierungen" distanzierte... Meinen Sie, dass so etwas der Waldorfbewegung und Ihrem inneren freiheitlichen Diskurs gut tut?
Warum müssen Sie in unserer von Seuchenangst in den Fanatismus getriebenen Gesellschaft ständig betonen, dass Steiner auch mal den Fanatismus von ImpfGEGNERN kritisiert habe? Ja, hat er, aber explizit übrigens aus "allgemein anthroposophischen", nicht aus "medizinischen" Gründen! Sehen Sie nicht, wo aktuell der wahre Fanatismus waltet?
Bemerken Sie, dass sich das Denken der Menschen, die der öffentlichen Meinung folgen, gerade völlig vom gesunden Strom des Lebens abspaltet? Bemerken Sie, dass sich die Seelen (nicht nur beim Thema "Corona") mit der intellektuellen Modellierung hypothetischer Gefahren zunehmend verrückt machen? Und dass dieses angstgetriebene, teilweise absurde Denken hartnäckig auf der Anmaßung besteht, es sei das einzig richtige und wissenschaftliche, und wer ein anderes Gefühl oder Wissen habe, sei eben "irrational", "esoterisch" oder "Schwurbler"? Bemerken Sie, dass lebensfremde Denkresultate mit fanatischem Eifer in der Welt verkündet werden und die Gesamtsumme des dabei wirkenden Fanatismus um ein Vielfaches größer ist, als bei irgendeiner Impfgegnerschaft oder irgendwelchen Querdenkern? Bemerken Sie, dass dieser Fanatismus die eigentliche Gefahr für eine freiheitliche Grundordnung darstellt? Ich hoffe Sie bemerken es.

Andreas Hildermann,

Die Medien hatten die Waldorfschulen schon immer im Programm. Egal bei welchem Thema, immer wird Waldorfschule irgendwie ins schlechte Licht gerückt. Der Grund dafür ist und war schon immer, dass es allgemein bekannt ist, dass die Waldorfschulen Querdenker produziert haben. Aber eben positiv unterlegt. Früher stand es noch in der Zeitung bei Stellengesuchen: »Wenn Sie querdenken können, sind Sie bei uns richtig«. Querdenken heißt nämlich, außerhalb des Rahmens zu denken. Das ist genau das, was die Waldorfschule früher beigebracht hat und was jetzt verloren geht. Natürlich muss man sich gegen Medienangriffe wehren und da bin ich absolut d’accord mit dem BdFWS, aber man darf doch dabei nicht seine Identität verraten. Die Antroposophie lehrt immer nur »die Wahrheit zu erkennen und ohne Furcht sie anzunehmen«. Was wir aber nun erleben, ist die Furcht, sich mit der Wahrheit zu beschäftigen. Keiner spricht davon, die Gesetze zu missachten, aber davon, den Behörden richtige Fragen zu stellen, in manchen Dingen vielleicht auch den Rechtsweg zu gehen. Und das Wichtigste: Disskusionsräume zu schaffen. Es wird momentan so vieles verschwiegen oder nicht ausgesprochen, um andere nicht zu beleidigen. Ich merke dabei aber, dass genau das einen Keil in die Geselschaft treibt. Wenn man eine andere Meinung hat, heißt das nicht, dass der Opponent ein radikaler ist oder ähnliches. Das heißt nur, dass irgendwo Information fehlt oder das Verständnis und das bekommt man nur in einem vernünftigen Streitgespräch raus.