Niemand hatte mit der Macht der Bilder gerechnet. Wir leben im Performance Zeitalter – Menschen sehnen sich weniger danach, Erlebnisse zu haben, sondern Teil eines Erlebnisses zu sein, das sie als Selfie dokumentieren können. Für den Ansturm der Besuchermassen – bis zu 200.000 Menschen täglich – waren die Pontons nicht vorgesehen. So drohte zwischenzeitlich der Abbruch des Projekts. Man musste die Stege sperren und den Zutritt limitieren.
Der Film des bulgarischen Regisseurs Andrey Paounov ist in jeder Hinsicht eine Überraschung. So nüchtern werden hier Kunst und Künstler porträtiert, dass man sich als Zuschauer zunächst enttäuscht fühlt. Unwillkürlich bringt man die Erwartung mit, eingeweiht zu werden in das innere Leben und Schaffen des Genies. Was macht diesen Ausnahmekünstler Christo zu dem, der er ist? Stattdessen sehen wir einen ganz gewöhnlichen Menschen und das erweist sich im Lauf des Films als Wohltat. Es gibt keine großen Worte, kein Pathos, kaum Text. Nur den nüchternen Alltag, den technischen Ablauf und den Blick auf das künstlerische Geschehen in seiner Eigendynamik. Die Zurückhaltung dieses Kamerablicks ermöglicht unglaublich ehrliche Bilder der Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist Christos Credo. Er schafft aus seiner Imagination die Voraussetzungen technischer Art, dafür, dass die Welt spielerisch erscheinen kann. So wie sie ist, mit allem, was dazugehört – an Wind und Wetter und Verwaltungsakten und sonstigen Widrigkeiten. Es sind nutzlose Kunstwerke, Christo arrangiert Materie, er ist der Türmer des Sehens.
In diesem Film kann man beinah froh werden, dass man beim Original nicht dabei war, denn es ist schwer vorstellbar, dass in diesem Massenbetrieb eine künstlerische Stimmung möglich gewesen wäre. Das schaffen tatsächlich die kongenialen Filmbilder mit ihrer unspektakulären Art und Weise. Sie dokumentieren das Leben und die Entstehung des Werkes so vital, dass man tatsächlich immer besinnlicher gestimmt wird im Zuschauen. Bis zum Schluss, wo man plötzlich liebend gern und ohne die geringste Langeweile zuschaut, wie Christo seinen Koffer packt und mit den zuvor deponierten Klebestreifen rundum sorgfältig zuklebt. Ein Film, der Leichtigkeit und heitere Gemütsruhe hinterlässt.
Christo. Walking on water, Dokumentation, 105 Min., Regie Andrey Paounov, USA, Italien.