Weiterreichende Ziele – Leserbrief zum Thema Fremdsprachen

Siegmund Baldszun

Sehr geehrte Frau Krapp,

der Austausch über unsere Fragen und Sorgen ist sehr anregend.

Als ehemals ausgebildeter staatlicher Realschul-Lehrer (PH Reutlingen) weiß ich den Ansatz der Waldorfschule sehr zu schätzen, der gerade das mainstreamartige Auseinanderdividieren von Theorie und Praxis (Methode) nicht mitmacht.

Darum hat Rudolf Steiner die ganze Zeit gerungen, auch mit dem ersten Kollegium. Und: Das ist auch heute immer noch schwer zu denken. Steiner wollte eine neue, revolutionäre, radikale Pädagogik aus einer ganz anderen Menschen- und Weltbetrachtung heraus. Wenn Sie das Seminar in Mannheim besucht haben, müsste das auch Ihnen aufgefallen sein.

»Rein methodische« Probleme gibt es nicht. Das bedeutet, dass auch die methodischen Probleme, die es natürlich gibt, immer (!) im Zusammenhang mit der Menschenkunde und der aus ihr folgenden Methodik-Didaktik, das heißt im Ringen um die diesen konkreten Kindern jeweils angemessene, lebendige Pädagogik zu lösen sind. Sonst würde nur eine gewöhnliche Methodik daraus.

Und da sagte Steiner schon damals: Wenn die Waldorfmethode nicht richtig lebendig wird, dann ist sie eine schlechtere Pädagogik, dann ist die Regelpädagogik besser, schneller, billiger … In dieser Hinsicht sieht die Zukunft der Waldorfmethodik vielleicht noch viel düsterer aus, als Sie und ich uns das jetzt so denken … Sie schreiben: »… weil unsere Kinder sich erfolglos und inkompetent fühlen«. Das scheint mir allerdings übertrieben, wenn ich mich in unseren Klassen umsehe, auch an anderen Schulen …

Meines Erachtens liegt das Geheimnis der Waldorfschule auch darin, dass trotz eines teilweise (im Sinne Steiners) nicht gelungenen Unterrichts, die Kinder erwiesenermaßen lebenstüchtig aus der Schulzeit hervorgehen. Wie ist das möglich? Wohl nicht wegen der Nachhilfe. Es liegt am Ringen des Lehrers. Denn, wie Alan Maley – einer der großen englischen Didaktiker weltweit – auf der internationalen Fremdsprachenlehrerkonferenz in Dornach berichtete: Alle fahren auf »Methoden« ab, aber wirksam im weiteren Leben der Schüler ist Vieles anderes.

Die Erinnerung an Methoden (»Herr X hatte so tolle Methoden damals …«) kommt erst ganz, ganz weit hinten. Was bleibt ist: die menschliche Wärme, das Verständnis, der Humor, die innere Haltung usw. (Nachzulesen in den Berichtsheften der Dornacher Tagung.)

Mit herzlichen Grüßen

Siegmund Baldszun

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