»Nicht noch was! Es ist alles viel zuviel!« – Die ersten Burnout-Symptome des einundfünfzigjährigen Ingenieurs, nennen wir ihn Herr K., liegen Jahre zurück: Zeitmangel und das Gefühl, den verschiedenen Aufgaben nicht mehr gerecht werden zu können. Seither hat er vieles ausprobiert: Nahrungsergänzungsmittel, Aufgabenmanagement, Neinsagen lernen, Verhaltenstherapie, psychosomatische Kuren. Jetzt ist er am Ende. Einige schwerwiegende Fehler, ein paar Ausraster im Beruf, die Ehe schwierig geworden, das Verhältnis zu den Kindern unterhöhlt. Chronische Immun- und Antriebsschwäche haben den enormen Einsatzwillen torpediert. –
Wir machen eine innere Entdeckungsreise: Da sind Gedanken, Emotionen, Erinnerungen, Sinneseindrücke, Körpersensationen. Kann ich all das, was sich da abspielt, annehmen, ohne Furcht, Sorge und Bewertung? Ja. – Und gibt es eine Lücke dazwischen, zwischen dem aktuellen Inhalt und dem unmittelbar nächsten? – Irgendwie ja. – Was ist in der Lücke? – Wie soll ich das sagen? Nichts. – Aus diesem Nichts zum Inhalt gibt es eine Tätigkeit und vom Inhalt ins Nichts auch. Kann ich sie empfinden? – Schon, ja. Trotz bedrückender Gedanken fühle ich eine eigentümliche Glückseligkeit, wenn ich für einen Moment auf diese Tätigkeit fokussiert bin. Ich bin meines Selbst gewahr. Es ist wie eine Erlösung. Nur für einen Augenblick, zunächst. – Nun kann ich fragen: Sind Absicht und Leben im Einklang? Was will ich – in Freiheit? Mehr nicht. Nur die offene Weite dieser Frage.
Vielleicht braucht man zehn Minuten am Morgen, zumindest in den ersten vier Wochen, um diesen Ablauf zu trainieren. Dann ›sitzt‹ er. Wir gliedern den Tag. Anfangs leihen wir uns technische Hilfe: Das Vibrationssignal einer Uhr erinnert uns – alle neunzig Minuten unterbrechen wir, was wir gerade tun, für eine oder zwei Minuten. In dieser Pause durchlaufen wir den Prozess in Kurzfassung. Auch wenn wir erst zweifeln. Es geht immer!
Nach nur wenigen Wochen spürt Herr K. wieder den Kontakt zu seiner Kraft. Daraus kann er seine Energie neu entbinden. Er wird noch vieles ändern und einiges Neues trainieren. Der wichtige erste Schritt aber ist erfolgreich getan.
Fritz Helmut Hemmerich ist ärztlicher Leiter am Eridanos-Zentrum für Salutogenese, Teneriffa
Links: www.eridanos.org, www.mikropause.info